Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlegungs- und Beweislast des gekündigten Arbeitnehmers gemäß § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG bei Vorliegen eines Interessenausgleichs mit Namensliste gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ist der Arbeitnehmer in einer Namensliste zu einem Interessenausgleich namentlich als zu kündigender Arbeitnehmer benannt, greift die gesetzliche Vermutungswirkung ein und der Arbeitnehmer muss darlegen und beweisen, dass seine Beschäftigungsmöglichkeit nicht weggefallen ist. Es tritt eine Umkehr der Beweislast ein. Der Arbeitnehmer muss die zu vermutende Betriebsbedingtheit der Kündigung schlüssig und begründet widerlegen.

2. Auch bei Anwendung des § 125 InsO muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auf dessen Verlangen hin die Gründe mitteilen, die zu der getroffenen Sozialauswahl geführt haben. Erst nach Erfüllung dieser Auskunftspflicht trägt der Arbeitnehmer gem. § 1 Abs. 3 S. 3 KSchG die volle Darlegungs- und Beweislast für die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl. Die bei einem Interessenausgleich in der Insolvenz gem. § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO eingeschränkte Überprüfbarkeit der Sozialauswahl ändert an dieser Verteilung der Darlegungs- und Beweislast nichts.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 Sätze 1, 3; InsO § 125 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1-2; BetrVG § 102 Abs. 1; KSchG § 17 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Paderborn (Urteil vom 26.01.2006; Aktenzeichen 1 (3) Ca 1398/05)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 26.01.2006 – 1 Ca 1398/05 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der von dem Beklagten aufgrund eines Interessenausgleichs mit Namensliste ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom 15.07.2005 zum 31.10.2005.

Der 54-jährige, verheiratete Kläger war seit dem 25.09.1996 bei der in B4x L2xxxxxxxxx ansässigen S2xxxxxxxxxx G1xx, einem Möbelwerk, als Holzarbeiter in der Abteilung Schränke gegen eine monatliche Vergütung von 1.800,00 EUR brutto tätig.

Über das Vermögen der S2xxxxxxxxxx GmbH wurde am 01.07.2005 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser schloss mit dem Betriebsrat am 08.07.2005 eine umfängliche Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich, der sich über ein Sanierungskonzept zur Fortführung der Kernbereiche des Schuldnerunternehmens verhält und den Abbau von 151 Arbeitsplätzen vorsieht. Im Bereich Endmontage/Versand fallen infolge der Anpassung an die tatsächlich benötigten Kapazitäten, der Optimierung des Produktionsflusses und der Vereinheitlichung der Produktstruktur von 142 Arbeitsplätzen insgesamt 88 Arbeitsplätze weg, davon in der Abteilung Schränke aufgrund nicht mehr benötigter Kapazitäten und Umstellung des Sortiments insgesamt 25 der bisherigen 45 Arbeitsplätze. Die im Einzelnen wegfallenden Arbeitsplätze werden im Interessenausgleich anhand abteilungsbezogener Listen der zu entlassenden Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen unter Angabe ihrer sozialen Daten dargestellt. Bestandteil der Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich ist ferner eine zusammengefasste Liste der weiterbeschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und eine Namensliste der zu kündigenden 151 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Inhalt des Interessenausgleichs ist ferner eine Liste der nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG von der Sozialauswahl ausgenommenen Arbeitnehmer.

Mit dem Abschluss des Interessenausgleichs ist die Anhörung des Betriebsrats verbunden worden. Darüber verhält sich das Kapitel III des Interessenausgleichs. Zuvor hatte der Beklagte den Betriebsrat bereits mit Schreiben vom 20.06.2005 zu seiner Absicht angehört, nach Abschluss des Anhörungsverfahrens und Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Kündigungen im Juli 2005 auszusprechen. Diesem Schreiben war nach der Darstellung des Beklagte eine Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer mit sämtlichen Sozialdaten sowie eine vollständige Personalliste der gesamten Belegschaft unter Aufschlüsselung der Unterhaltspflichten, der Beschäftigungsdauer im Unternehmen, der Beschreibung des konkreten Arbeitsplatzes, der Eingruppierung und des voraussichtlichen Kündigungstermins beigefügt.

Nach Eingang der Massenentlassungsanzeige am 12.07.2005 bei der Agentur für Arbeit P1xxxxxxx kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 15.07.2005 fristgemäß zum 31.10.2005.

Der Kläger hält die Kündigung für sozialwidrig und rügt die nicht ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats. Der Kläger vertritt den Standpunkt, die Namensliste sei in grob fehlerhafter Weise zustande gekommen. Auffällig seien viele jüngere Beschäftigte von der Kündigungswelle ausgenommen worden. Andererseits seien 50 ältere Mitarbeiter über 53 Jahre entlassen worden. Der Beklagte habe mit den Abteilungsleitern und Vorgesetzten ohne Beachtung der Sozialauswahlkriterien eine Wunschliste zusammengestellt. Der Betriebsrat habe die Namensliste trotz anderslautend...

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