Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablösung eines Haustarifvertrags durch den TVöD nach Betriebsübergang. kongruente Tarifgebundenheit. Regelungsidentität

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Sicherung eines kollektivrechtlich begründeten Mindeststandards beim Betriebsübergang bedarf es dann nicht, wenn ein für das Arbeitsverhältnis aufgrund kongruenter Tarifbindung des Erwerbers und des Arbeitnehmers legitimierter Mindeststandard bereits vorhanden ist.

2. Ob Regelungsidentität i.S.v. § 613a Abs. 1 S. 2 BGB vorhanden ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Grundsätzlich ist derselbe Regelungsgegenstand dann betroffen, wenn der Tarifvertrag beim Erwerber eine Regelung enthält, nicht aber, wenn der Tarifvertrag beim Erwerber zu dem Regelungsgegenstand schweigt, unerheblich ist dagegen das „Wie” der Regelung.

 

Normenkette

BGB § 613a; TVÜ-VKA § 1 Abs. 2; TVÜ-LWL § 1; TVöD § 20

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Urteil vom 03.02.2011; Aktenzeichen 3 Ca 2953/10)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 03.07.2013; Aktenzeichen 4 AZR 138/12)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 03.02.2011 – 3 Ca 2953/10 – werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte zu 6 %, der Kläger zu 94 %.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Rechtsfolgen aus dem Betriebsübergang der E1-Klinik D2 auf den Beklagten für das Arbeitsverhältnis der des Klägers.

Der 1954 geborene, verheiratete Kläger war vom 01.04.1979 bis zum 30.11.2009 in der E1-Klinik D2, einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, als Erzieher beschäftigt. Dort war er zuletzt auch Betriebsratsvorsitzender.

Grundlage des Arbeitsverhältnisses des Klägers waren neben dem schriftlichen Dienstvertrag vom 14.02.1979 (Bl. 6, 7 d.A.) der Haustarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der E1-Klinik vom 27.11.1997 und die diesen ergänzenden Tarifverträge, sämtlich abgeschlossen zwischen der E1-Klinik und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di). Hiernach setzte sich das zuletzt im November 2009 an den Kläger geleistete monatliche Bruttoentgelt wie folgt zusammen:

3.030,55 Euro Grundvergütung

532,35 Euro Ortszuschlag Grundbetrag

113,28 Euro Ortszuschlag, verheiratet

121,44 Euro Tarifzulage

insgesamt 3.797,62 Euro.

Darüber hinaus war die Arbeitgeberin nach dem Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der E1-Klinik D2 über eine Sonderzahlung verpflichtet, dem Kläger mit dem November-Entgelt eine Jahressonderzahlung und ein Urlaubsgeld zu leisten. Diese Ansprüche ergaben sich aus den dortigen §§ 2 und 4, die – auszugsweise – wie folgt lauten:

㤠2

Beschäftigte, die nach dem 01.01.2006 bei der E1-Klinik beschäftigt werden, erhalten mit dem Gehalt für den Monat November eines jeden Jahres eine Jahressonderzahlung in folgender Höhe:

§ 4

Für die beim Inkrafttreten des Tarifvertrages bei der E1-Klinik beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wird auch weiterhin ein jährliches Urlaubsgeld in Höhe von 255,65 Euro bzw. 332,34 Euro, gestaffelt nach Vergütungsgruppen, gezahlt. Das Urlaubsgeld ist mit der Gehaltszahlung für den Monat Juli des laufenden Jahres auszuzahlen.

Die bei Inkrafttreten des Tarifvertrages bei der E1-Klinik beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhalten ferner ein jährliches Weihnachtsgeld in Höhe von 83 Prozent des Gehaltes, das sie für den Monat September des laufenden Jahres erhalten. Dieses Weihnachtsgeld wird mit dem Gehalt für den Monat November fällig.”

Die E1-Klinik zahlte das Urlaubsgeld für 2009, das der Kläger unter dem 23.08.2009 schriftlich geltend machte, nicht.

Des Weiteren sah § 20 des Haustarifvertrags für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der E1-Klinik vom 27.11.1997 in § 20 ein Kleidergeld vor nach folgender Regelung:

„1. Jede Arbeitnehmerin/jeder Arbeitnehmer des pädagogisch-pflegerischen Bereichs erhält für die dienstliche Zurverfügungstellung privater Kleidung anstelle von Dienstkleidung pro Quartal ein Kleidergeld in Höhe von 125 DM.

5. Mit Zahlung dieser Pauschale sind sämtliche Ansprüche der Beschädigung von Kleidung gegenüber dem Arbeitgeber abgegolten. Ansprüche gegenüber Dritten sind davon nicht berührt.”

Das an den Kläger gezahlte Kleidergeld belief sich zuletzt auf monatlich 21,31 EUR brutto.

Am 01.12.2009 fand der Betriebsübergang der insolvent gewordenen E1-Klinik auf den Beklagten statt. Der Betriebsübergang erfolgte aufgrund eines sog. „AssetDeals” zwischen Rechtsanwalt D1. S1-K3 als Insolvenzverwalter über das Vermögen der ehemaligen Trägerin der E1-Klinik D2, der E2+V1-F1 GmbH, und dem Beklagten.

Der Beklagte wendet nach dem Betriebsübergang den TVöD an und vergütet den Kläger ab 2010 mit monatlich 2.770,49 EUR brutto nach der Entgeltgruppe 7 a Stufe 6 TVöD.

Mit der Abrechnung für Dezember 2009 zahlte der Beklagte dem Kläger 1/12 der haustariflichen Jahressonderzahlung. Mit Ausnahme des Klägers hatten alle Arbeitnehmer eine Verzichtserklärung hinsichtlich der weiteren 11/12 der tariflichen Jahresson...

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