Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen des Arbeitgebers wegen vorsätzlicher unerlaubter Handlungen des Arbeitnehmers aufgrund einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist

 

Leitsatz (amtlich)

Die in § 23 Abs. 1 AVR-Caritas geregelte Ausschlussfrist ist gemäß §§ 134, 202 Abs. 1 BGB unwirksam, soweit Ansprüche des Arbeitgebers betroffen sind, die auf vorsätzlichen Schadensersatz begründenden Handlungen des Arbeitnehmers beruhen (Fortführung von BAG, Urteil vom 26.09.2013 - 8 AZR 1013/12).

 

Normenkette

BGB § 202; AVR-Caritas § 23 Abs. 1; BGB § 134 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 02.09.2014; Aktenzeichen 4 Ca 2530/13)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten zu 1. gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 02.09.2014 - 4 Ca 2530/13 - wird zurückgewiesen.

Das erstinstanzliche Urteil wird klarstellend wie folgt gefasst:

Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an die Klägerin 3.943.875,86 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz

aus

9.442,93 € seit dem 12.06.2009,

23.505,70 € seit dem 16.06.2009,

20.363,38 € seit dem 05.10.2009,

8.678,42 € seit dem 26.10.2009,

8.405,13 € seit dem 29.10.2009,

58.554,73 € seit dem 03.11.2009,

34.069,43 € seit dem 11.11.2009,

21.202,54 € seit dem 18.11.2009,

12.252,43 € seit dem 27.11.2009,

8.768,55 € seit dem 09.02.2010,

14.391,53 € seit dem 22.02.2010,

5.455,71 € seit dem 22.02.2010,

43.318,20 € seit dem 26.02.2010,

35.223,45 € seit dem 16.03.2010,

32.917,29 € seit dem 16.04.2010,

59.473,58 € seit dem 19.05.2010,

73.926,56 € seit dem 20.05.2010,

41.988,05 € seit dem 21.05.2010,

69.572,75 € seit dem 21.06.2010,

31.932,11 € seit dem 23.06.2010,

82.650,60 € seit dem 25.06.2010,

73.695,60 € seit dem 20.08.2010,

95.243,28 € seit dem 13.10.2010,

78.015,84 € seit dem 19.10.2010,

69.095,90 € seit dem 19.10.2010,

421.033,11 € seit dem 09.11.2010,

7.153,76 € seit dem 20.06.2011,

66.029,39 € seit dem 21.06.2011,

197.105,42 € seit dem 05.07.2011,

340.065,28 € seit dem 25.07.2011,

397.939,78 € seit dem 24.02.2012,

234.064,45 € seit dem 27.02.2012,

373.667,97 € seit dem 08.05.2012,

448.182,63 € seit dem 07.09.2012,

397.125,23 € seit dem 14.09.2012,

49.347,15 € seit dem 22.01.2013

abzüglich

am 13.06.2014 gezahlter 11.250,- €,

am 31.07.2014 gezahlter 80.000,- € sowie

am 25.08.2014 gezahlter 18.625,05 €

zu zahlen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte zu 1).

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aufgrund von der Beklagten zu 1) begangener Untreuehandlungen, den Verfall dieser Ansprüche und die Beteiligung des Beklagten zu 2) an diesen Handlungen. Die Klägerin betreibt ein Krankenhaus. Die Beklagten sind Eheleute.

Die Beklagte zu 1) ist 1980 geboren und war vom 01.08.2008 bis zum 30.04.2013 bei der Klägerin zuletzt - seit dem 01.04.2010 - als Leiterin der Buchhaltung beschäftigt. In § 2 des Dienstvertrages, den die Parteien unter dem 28.05.2008 abschlossen, ist geregelt, dass für das Dienstverhältnis die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) gelten. In § 23 AVR heißt es:

"§ 23 Ausschlussfrist

(1) Ansprüche aus dem Dienstverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit vom Mitarbeiter oder vom Dienstgeber schriftlich geltend gemacht werden, soweit die AVR nichts anderes bestimmt.

(2) Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruches aus, um die Ausschlussfrist auch für später fällig werdende Leistungen unwirksam zu machen."

Der Beklagte zu 2) ist 1968 geboren. Er ist Bilanzbuchhalter, Certified IFRS Accountant und Prüfer bei der IHK. Er war auf Grundlage von zwei Verträgen über freie Mitarbeit (Ablichtung Blatt 88 ff. der Akten) vom 01.06.2010 bis 30.11.2010 und ab 01.11.2011 im Bereich "Unterstützung bei allen anfallenden Arbeiten in der Buchhaltung und im Controlling" für die Klägerin tätig. Die Verträge nehmen nicht Bezug auf die AVR.

Die Beklagte zu 1) veranlasste zwischen dem 12.06.2009 und 22.01.2013 eine Vielzahl von Überweisungen in Höhe von insgesamt 3.943.875,86 € an Freunde und Bekannte, ohne dass es einen Rechtsgrund für diese Zahlungen gab. Wegen der Zeitpunkte der Überweisungen, der Beträge und der Zahlungsempfänger wird auf die Auflistung in der Klageschrift (Bl. 6 - 9 d. A.) Bezug genommen.

Die Organisationsstruktur der Klägerin basiert auf dem Prinzip der Funktionstrennung und der sog. Vier-Augen-Kontrolle. Die Abteilungen prüfen sachliche und rechnerische Richtigkeit und geben die geprüften Belege zur Buchung und Zahlung in die Buchhaltung. Von der Buchhaltung erstellte Zahlungsläufe sind vor der Überweisung der Verwaltungsleitung - vorrangig dem stellvertretenden Verwaltungsleiter - zur Prüfung vorzulegen. Das Vier-Augen-Prinzip ist zusätzlich bei den Banken und im EDV-Zahlungsverkehrsprogramm abgesichert. Es sind zwei elektronische Signaturen für einen Zahlungslauf erforderlich. Auch zwischen Debitoren- und Kreditorenbuchhalt...

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