Leitsatz (amtlich)

Die Gewerkschaft ÖTV ist nicht für einen Betrieb tarifzuständig, dessen Tätigkeit sich nur in der Löschung von Daten durch Zerstückelung der Datenträger aus verschiedenem Material erschöpft und der die Verwertung und Entsorgung der Materialstücke Drittbetrieben überläßt.

 

Normenkette

ArbGG § 97

 

Verfahrensgang

ArbG Bocholt (Beschluss vom 13.05.1994; Aktenzeichen Ca 2 BV 39/93)

 

Tenor

Auf die Beschwerden der Beteiligten zu 2. und 3. wird der am 13.05.1994 verkündete Beschluß des Arbeitsgerichts Bocholt – 2 BV 39/93 – abgeändert:

Die Anträge werden abgewiesen

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

A

In dem beim Arbeitsgericht Bocholt am 08.11.1993 eingereichten Beschlußverfahren streiten die Beteiligten über die Zuständigkeit einer Gewerkschaft zum Abschluß eines Haustarifvertrages.

Die Antragsgegnerin des Verfahrens, die R. D.-GmbH mit Sitz in N. (künftig: D.-GmbH), betreibt mit 56 Arbeitnehmern (Stand: November 1993: 23 Fahrer/Lader, 14 Lagerarbeiter/Sortierer, 19 Angestellte im Büro- und Außendienst) ein Unternehmen der Datenvernichtung und Löschung. Die D. GmbH holt dafür von bundesweit verstreuten Kunden, wie z.B. Banken, Versicherungen, Behörden, Gewerbe und Industrie, mit Daten versehende Papiere, Mikroverfilmungen, Mikrofishis, Magnetbänder, Disketten, Karbonbänder mit eigenen Sicherheitsfahrzeugen ab und transportiert sie zu ihrem Betrieb, wo sie unter Aufsicht eines Datenschutzbeauftragten und zusätzlicher TV-Überwachung vernichtet und zerkleinert werden. Das übrig bleibende, datenunkenntlich gemachte, zerstückelte Material wird von der D.-GmbH zur Weiterverwertung an Drittbetriebe veräußert.

Die Antragstellerin des Verfahrens, die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr mit Sitz in Stuttgart, vertreten durch den Hauptvorstand (künftig: ÖTV), forderte die D.-GmbH unter Androhung eines Erzwingungsstreiks auf, mit ihr einen Haustarifvertrag abzuschließen. Die D.-GmbH antwortete unter dem 11.08.1993:

Gewerkschaft ÖTV Kreisverwaltung C./B. M.

Angelegenheit: R. D.

Sehr geehrte Damen und Herren,

unseren Standpunkt bzw. unsere Rechtsauffassung in Bezug auf Ihre Forderung nach Abschluß eines Anerkennungstarifvertrages zur Anwendung der tarifvertraglichen Vorschriften der Privaten Entsorgungswirtschaft hatten wir Ihnen mehrfach mitgeteilt und auch begründet.

Heute können wir Ihnen mitteilen, daß die Firma R. D. mit Datum vom 06.08.1993 dem Verband für das Verkehrsgewerbe Westfalen-Lippe e.V. in M. beigetreten ist. Eine Kopie der Beitrittserklärung ist als Anlage beigefügt.

Wenn wir bisher schon Kraft einzelvertraglicher Vereinbarungen mit allen unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Tarifverträge des privaten Verkehrsgewerbes angewandt haben, so werden diese ab sofort aufgrund der Tarifgebundenheit der Firma R. D. angewandt werden müssen. Damit ist die Angelegenheit „Haustarifvertrag” für uns erledigt.

Sollten Sie aber tatsächlich immer noch beabsichtigen, irgendwelche rechtswidrigen Arbeitskampmaßnahmen im Zusammenhang mit Ihrer Forderung nach Abschluß eines Anerkennungstarifvertrages durchzuführen, müssen wir Sie noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, daß die Teilnahme von Mitarbeitern an solchen Maßnahmen einen Kündigungsgrund darstellt und wir die ÖTV wegen Eingriffs in unseren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb auf Schadensersatz verklagen werden.

Mit freundlichen Grüßen

K. D. GmbH

- Personalleitung

Anlage

Mitgliedschaft

Sehr geehrte Damen und Herren,

wunschgemäß bestätigen wir Ihnen, daß Ihr Unternehmen Mitglied unseres Berufs- und Arbeitgeberverbandes mit allen sich daraus ergebenen Rechten und Pflichten ist.

Der in dem Schreiben erwähnte Verkehrsgewerbeverband ist der dritte Verfahrensbeteiligte.

Die ÖTV hat gemeint, aufgrund ihrer ab 24.11.1992 gültigen Satzung in Verbindung mit dessen Anhang I – auf den Inhalt Blatt 80 der Akten wird verwiesen – und der Beschlußfassung ihres Beirates vom 03.11.1993 sei sie für den Betrieb der D.-GmbH die zuständige Gewerkschaft und die Tarifverträge des Verkehrsgewerbeverbandes würden deshalb für die Arbeitsverhältnisse der D.-GmbH Beschäftigten keine Anwendung finden.

Die ÖTV hat beantragt,

  1. festzustellen, daß die ÖTV die zuständige Tarifvertragspartei für die D. GmbH ist,
  2. festzustellen, daß die Tarifverträge des Verbandes für das Verkehrsgewerbe Westfalen-Lippe e.V. bei der D.-GmbH nicht kraft normativer Wirkung Anwendung finden.

Die D. GmbH hat beantragt,

die Anträge abzuweisen.

Durch Beschluß vom 13.05.1994 hat das Arbeitsgericht entsprechend den Anträgen der ÖTV entschieden. Auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen.

Gegen diesen Beschluß haben die D.-GmbH und der Verkehrsgewerbeverband form- und fristgerecht einschließlich der Begründung Beschwerde beim Landesarbeitsgericht Hamm eingelegt.

Beide meinen, die ÖTV vertreten durch den Hauptvorstand sei unzuständig für den Antrag zu 1). Zuständig seien nur die Bezirks- bzw. Kreisleitungen. Im übrigen falle das Betätigungsfeld der D.-GmbH nicht unter den Organisationskatalog der Ö...

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