Entscheidungsstichwort (Thema)

Einigungsstellenbesetzung. offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle. Mitbestimmung des Betriebsrates bei der Freistellung von Arbeitnehmern durch den Insolvenzverwalter bei Masseunzulänglichkeit und beabsichtigter Betriebsstilllegung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Betriebsrat hat regelmäßig jedenfalls dann kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG, wenn der Insolvenzverwalter bei Masseunzulänglichkeit einen Großteil der Arbeitnehmer im Hinblick auf eine beabsichtigte Betriebsstilllegung freistellt.

§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG betrifft nur eine vorübergehende Veränderung der betriebsüblichen Arbeitszeit, nicht eine auf Dauer angelegte Freistellung.

 

Normenkette

ArbGG § 98; BetrVG § 99 Abs. 1, § 95 Abs. 3, § 87 Abs. 1 Nrn. 3, 5

 

Verfahrensgang

ArbG Detmold (Beschluss vom 02.07.2002; Aktenzeichen 2 BV 26/02)

 

Tenor

Die Beschwerde des Betriebsrates gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Detmold vom 02.07.2002 – 2 BV 26/02 – wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

A

Die Beteiligten streiten um die Einrichtung einer Einigungsstelle.

Antragsteller ist der Betriebsrat der Firma K1xxxxxx W1xxxxxxx GmbH, die zur K1xxxxxx- und Wohnmöbel-Gruppe gehört. Im Betrieb der Firma K1xxxxxx W1xxxxxxx GmbH, dem Produktionsunternehmen, waren ca. 240 Arbeitnehmer beschäftigt. Insgesamt waren in der K1xxxxxx-Wohnmöbel-Gruppe ca. 360 Mitarbeiter tätig.

Über das Vermögen der Firma K1xxxxxx W1xxxxxxx GmbH, der Firma K1xxxxxx T1xxxxxxx und L2xxxxxx GmbH & Co. KG und der Firma K1xxxxxx V2xxxxxxxxx- und S2xxxxx GmbH wurde jeweils am 01.06.2002 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Antragsgegner zum Insolvenzverwalter bestellt.

Zwischen dem Betriebsrat und der Geschäftsführung der K1xxxxxx-Wohnmöbel-Gruppe fanden seit Anfang Juni 2001 Gespräche über ein Fortführungsmodell und einer Auffanglösung statt. Mit Schreiben vom 06.06.2002 (Bl. 15 ff.d.A.) teilte der Antragsgegner dem Betriebsrat u.a. mit, dass die Stilllegung sämtlicher Betriebe zum Ablauf des Monats September 2002 erfolgen werde, er nicht sämtliche Mitarbeiter weiterbeschäftigen könne und beabsichtige, Beschäftigte nach und nach freizustellen; die Insolvenzmasse und die zu erwartenden Umsätze seien nicht ausreichend, um die Zahlung der Löhne und Gehälter aller Beschäftigten zu gewährleisten. Nach einer weiteren Verhandlung vom 07.06.2002, an der der Betriebsrat, die IG Metall, die Gesellschafter/Geschäftsführer der K1xxxxxx-Wohnmögel-Gruppe und der Antragsgegner teilnahmen, um über ein Fortführungskonzept und das weitere Vorgehen zu beraten, teilte der Antragsgegner dem Betriebsrat am 07.06.2002 mit, dass er beabsichtige, auch den Betrieb der Firma K1xxxxxx W1xxxxxxx GmbH stillzulegen.

Am 10.06.2002 leitete der Antragsgegner das Anhörungsverfahren beim Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung aller Arbeitnehmer der Insolvenzfirmen ein.

Ohne weitere Absprache mit dem Betriebsrat stellte der Antragsgegner am 10.06.2002 ferner 78 Mitarbeiter der Firma K1xxxxxx W1xxxxxxx GmbH mit sofortiger Wirkung frei und empfahl ihnen, sich arbeitslos zu melden, da er die Vergütung nicht mehr zahlen könne. 142 Mitarbeiter der Firma K1xxxxxx W1xxxxxxx GmbH wurden vom Antragsgegner zunächst weiterbeschäftigt.

Die in der Folgezeit zwischen den Beteiligten geführten Gespräche mit dem Ziel, eine Einigung über den Umfang der notwendigen Freistellungen und die Auswahl der davon betroffenen Arbeitnehmer zu erzielen, scheiterten.

Am 18.06.2002 legte der Antragsgegner dem Betriebsrat einen Entwurf eines Interessenausgleichs vor, nach dem der Betrieb der Firma K2xxxxxxx W1xxxxxxx GmbH zum 30.09.2002 stillgelegt werden sollte.

Mit Schreiben vom 18.06.2002 (Bl. 84 d.A.) zeigte der Antragsgegner gegenüber dem Insolvenzgericht, dem Amtsgericht Detmold, die Masseunzulänglichkeit an. Ferner kündigte er die Notwendigkeit weiterer Freistellungen an, die im Laufe des vorliegenden Verfahrens auch durchgeführt wurden.

Mit dem am 21.06.2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag machte der Betriebsrat daraufhin die Einrichtung einer Einigungsstelle geltend.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, durch die Freistellung von Mitarbeitern ohne Anhörung und Beteiligung des Betriebsrats habe der Antragsgegner gegen Beteiligungsrechte des Betriebsrates verstoßen. Offenbar wolle der Antragsgegner vollendete Tatschen zu Gunsten einer Nachfolgegesellschaft schaffen, die nur noch 76 Mitarbeiter übernehmen wolle. Der Antragsgegner habe alle diejenigen Mitarbeiter freigestellt, die von der Nachfolgegesellschaft nicht erwünscht seien. Auch bei der Freistellung von Mitarbeitern sei der Insolvenzverwalter nicht frei von rechtlichen Schranken, er müsse sich in den Grenzen billigem Ermessens nach § 315 BGB halten und soziale Gesichtspunkte beachten. Stelle der Insolvenzverwalter Arbeitnehmer ohne Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitspflicht frei, unterfalle dies dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Die Verhandlungen mit dem Antragsgegner über die Notwendigkeit der Freis...

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