Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufhebung der PKH-Bewilligung wegen Nichtvorlage des amtlichen Vordrucks im automationsgestützten PKH-Nachprüfungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Drei-Monats-Frist des § 124 Nr. 4 ZPO, die in den Fällen des § 124 Nr. 2 ZPO analog angewandt wird, handelt es sich nicht um eine vom Rechtspfleger erst zu setzende Frist, sondern um eine gesetzliche Frist, die mit dem „Verlangen des Gerichts” (§ 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO) beginnt. Mithin braucht das Aufforderungsschreiben im automationsgestützten Verfahren nicht unterzeichnet sein.

2. Die PKH-Partei hat nach Erhalt des Aufforderungsschreibens innerhalb der darin gesetzten Frist erneut eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem amtlichen Vordruck des § 117 Abs. 4 ZPO abzugeben, wenn dies – wie im automationsunterstützten Verfahren – so vom Arbeitsgericht gefordert wird.

3. Das PKH-Nachprüfungsverfahren ist – auch wenn es von den Arbeitsgerichten durchgeführt wird – kein gerichtliches Nachverfahren, sondern ein reines Verwaltungsverfahren, so daß das Arbeitsgericht nicht gehalten ist, die Anfrage nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO an den Prozeßbevollmächtigten zu richten.

4. Eine gerichtliche Pflicht zur Einbindung des beigeordneten Rechtsanwalts ist selbst dann nicht anzunehmen, wenn dieser im streitigen Verfahren den Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe gestellt, also im PKH-Bewilligungsverfahren den Schriftverkehr mit dem Gericht geführt hat.

5. „Gericht” im Sinne der Vorschrift des § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO ist nicht allein der Rechtspfleger, so daß auch ein/eine Regierungsangestellte(r) der Serviceeinheit jedenfalls dann, wenn ihm/ihr diese Aufgabe kraft Geschäftsverteilungsplan für den nichtrichterlichen Dienst übertragen ist, das bzw. die Mahnschreiben verfassen kann. Zum Nachweis muß die im PKH-Beiheft verbleibende Leseabschrift oder Verfügung von dem/der Verfasser/in des Mahnschreibens unterzeichnet sein, ein Namenskürzel reicht nicht aus.

 

Normenkette

ZPO § 120 Abs. 4, § 117 Abs. 4, § 124 Nrn. 2, 4

 

Verfahrensgang

ArbG Bocholt (Beschluss vom 30.10.2002; Aktenzeichen 3 Ca 1599/01)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 18.11.2003; Aktenzeichen 5 AZB 46/03)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den PKH-Aufhebungsbeschluß des Arbeitsgerichts Bocholt vom 30.10.2002 -3 Ca 1599/01 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I. Das Arbeitsgericht Bocholt hat dem Kläger zur Durchführung einer Zahlungsklage wegen Restlohnes und Spesen mit Beschluß vom 04.09.2001 in vollem Umfang Prozeßkostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung bewilligt und ihm Rechtsanwalt Dr. K2xxxxxxx aus M1xxxxx beigeordnet.

Nach Verfahrensabschluß ist dem Kläger im automationsgestützten Verfahren mit Schreiben vom 09.07.2002 ein amtlicher Vordruck über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mit der Bitte zugeleitet worden, diesen vollständig auszufüllen und bis zum 23.07.2002 an das Arbeitsgericht Bocholt zurückzusenden. Da der Kläger den amtlichen Vordruck nicht zurückgesandt hat, hat das Arbeitsgericht Bocholt ihm mit Schreiben vom 07.08.2002 „nochmals eine Frist zur Ausfüllung und Rücksendung bis zum 11.09.02 gewährt”. Es heißt in dem von dem Reg.-Ang. P2xxxxxx mit „Auf Anordnung” unterzeichneten Schreiben weiter:

Sollte auch diese Frist ungenutzt verstreichen, so wird die Prozesskostenhilfe widerrufen und Beitreibung der aus der Landeskasse vorgelegten Gelder angeordnet Sie müssen damit rechnen, daß im Falle des Widerrufs der Prozesskostenhilfe Zwangsmaßnahmen (Gerichtsvollzieher) eingeleitet werden.

Es liegt daher in Ihrem Interesse, den Vordruck auszufüllen und zurückzusenden. Sie werden bereits jetzt aufgefordert, Ihre Angaben durch die Vortage von Belegen nachzuweisen (z. B. Kopie der letzten Lohnabrechnung, Bescheid des Arbeitsamtes über die Gewährung von Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe, Sozialhilfebescheid).

Mit weiterem Schreiben vom 12.09.2002, welches abermals von dem Reg.-Ang. P2xxxxxx mit „Auf Anordnung” unterzeichnet worden ist, ist der Kläger nochmals wie folgt an die Einreichung des amtlichen Vordrucks erinnert worden:

Sie sind der Aufforderung des Gerichts vom 09.07.02, eine Erklärung über Ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einzureichen, bisher trotz des gerichtlichen Erinnerungsschreibens vom 07.08.02 nicht nachgekommen, Ihnen wird daher eine letzte Frist zur Einreichung der Erklärung bis zum 23.10.2002 gewährt. Sollte die Erklärung auch dann noch nicht vorliegen, so wird die Ihnen bewilligte Prozesskostenhilfe ohne weitere Mahnung aufgehoben und Sie schulden der Landeskasse die bisher gestundeten Kosten in Höhe von 702,67 EUR in einer Summe (§ 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO, § 124 Nr. 2 ZPO).

Mit Beschluß vom 30.10.2002 -3 Ca 1599/01 – hat das Arbeitsgericht Bocholt die PKH-Bewilligung vom 04.09.2001 wegen unterlassener Mitwirkung bei der Aufklärung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im sog. PKH-Nachprüfungsverfahren aufgehoben.

Gegen diesen ihm ...

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