Entscheidungsstichwort (Thema)

Kosten der Prozessvertretung des Betriebsrats im Beschlussverfahren. Honorarforderung eines Rechtsanwalts. Nichtigkeit von Anwaltsverträgen bei Interessenkollisionen. Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen

 

Leitsatz (amtlich)

Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, die Kosten eines vom Betriebsrat mit der Prozessvertretung beauftragten Rechtsanwalts zu tragen, wenn der Rechtsanwalt in einem Verfahren nach § 103 BetrVG gleichzeitig den Betriebsrat und das betroffene Betriebsratsmitglied vertritt, weil darin ein Verstoß gegen das Verbot der Vertretung widerstreitenden Interessen nach § 43 a Abs. 4 BRAO liegt.

 

Normenkette

BetrVG § 40 Abs. 1; BRAO § 43a Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Beschluss vom 05.12.2002; Aktenzeichen 6 BV 97/02)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 25.08.2004; Aktenzeichen 7 ABR 60/03)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 05.12.2002 – 6 BV 97/02 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

A

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates die Zahlung von den in einem Beschlussverfahren entstandenen Rechtsanwaltskosten verlangen können.

Der Arbeitgeber betreibt, u.a. in R2xxxxxxxxxxxx, Lebensmittelmärkte.

Mit der Mitarbeiterin S4xxxxx, die seit dem 01.08.1991 beim Arbeitgeber bzw. dessen Rechtsvorgänger tätig war, kam es bereits im Jahre 1999 zu einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Versetzungsmaßnahme 4(7) Ca 6017/99 Arbeitsgericht Dortmund = 10 (17) Sa 941/01 Landesarbeitsgericht Hamm).

Im Laufe dieses Rechtsstreits wurde die Mitarbeiterin S4xxxxx am 07.12.1999 zum Betriebsratsmitglied der Filiale D1xxxxxx-L1xxxxxxxxxxxx gewählt.

Wegen eines Streites mit einer Kundin der Filiale R2xxxxxxxxxxxx, in der die Mitarbeiterin S4xxxxx inzwischen tätig war, beabsichtigte der Arbeitgeber im Juli 2001 die außerordentliche Kündigung der Mitarbeiterin S4xxxxx. Nachdem der Betriebsrat der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung nicht zugestimmt hatte, leitete der Arbeitgeber am 02.08.2001 ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 BetrVG beim Arbeitsgericht ein. Nach Verweisung an das Arbeitsgericht Dortmund – 8 BV 98/01 – bestellten sich mit Schriftsatz vom 10.09.2001 (Bl. 32 d.A. 8 BV 98/01 Arbeitsgericht Dortmund) die Rechtsanwälte S5xxxxx-A2xxx, P1xxxxxxx und H1xxxxxxx zu Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates und der Beteiligten S4xxxxx. Mit Schriftsatz vom 11.10.2001 nahmen die Verfahrensbevollmächtigten zur Antragsschrift des Arbeitgebers im Einzelnen Stellung. Nachdem das Arbeitsgericht einen Anhörungstermin vor der Kammer am 19.12.2001 anberaumt hatte, nahm der Arbeitgeber mit Schriftsatz vom 18.12.2001 den Antrag auf Zustimmungsersetzung zurück. Das Zustimmungsersetzungsverfahren wurde durch Beschluss vom 04.01.2001 eingestellt. Der Gegenstandswert für das Verfahren 8 BV 98/01 wurde auf 5.100,00 EUR festgesetzt.

Mit Schreiben vom 30.01.2002 (Bl. 9 ff.d.A.) übermittelten die Rechtsanwälte S5xxxxx-A2xxx, P1xxxxxxx und H1xxxxxxx ihre an den Arbeitgeber gerichtete Gebührenrechnung vom gleichen Tage den Verfahrensbevollmächtigten des Arbeitgebers und machten insgesamt 811,45 EUR geltend. Die Verfahrensbevollmächtigten des Arbeitgebers lehnten eine Kostenübernahme mit Schreiben vom 31.01.2002 (Bl. 12 d.A.) ab.

Daraufhin trat der Betriebsrat seinen Anspruch auf Freistellung von der Gebührenforderung gegen den Arbeitgeber an die Anwaltsgemeinschaft S5xxxxx-A2xxx, P1xxxxxxx und H1xxxxxxx ab (Bl. 13 f.d.A.).

Mit weiterer Abtretungsvereinbarung vom 23.07.2002 (Bl. 15 d.A.) trat die Anwaltsgemeinschaft S5xxxxx-A2xxx, P1xxxxxxx und H1xxxxxxx ihre Honoraransprüche an die Anwaltsgemeinschaft P1xxxxxxx und H1xxxxxxx ab, nachdem sich die erstgenannte Anwaltsgemeinschaft zum 31.03.2002 getrennt hatte.

Mit dem am 31.07.2002 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren machten die Antragsteller daraufhin die Zahlung ihrer Gebühren gegenüber dem Arbeitgeber geltend.

Die Antragsteller haben die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber habe die Honorarforderung aus abgetretenem Recht nach § 40 Abs. 1 BetrVG zu erstatten. Die mit dem Betriebsrat und der Beteiligten S4xxxxx geschlossenen Anwaltsverträge seien nicht nach § 43 a Abs. 4 BRAO unwirksam.

Die Antragsteller haben beantragt,

dem Arbeitgeber aufzugeben, an die Antragsteller 811,45 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2002 zu zahlen.

Der Arbeitgeber hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, dass die Antragsteller im Beschlussverfahren 8 BV 98/01 Arbeitsgericht Dortmund widerstreitende Interessen im Sinne des § 43 a Abs. 4 BRAO vertreten hätten, die Anwaltsverträge seien danach nichtig. In einem Verfahren nach § 103 BetrVG könne ein Rechtsanwalt nicht gleichzeitig die Interessen des Betriebsrates als Organ und die Interessen des zu kündigenden Betriebsratsmitglied wahrnehmen. Insoweit bestehe ein struktureller Interessengegensatz.

D...

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