Entscheidungsstichwort (Thema)

Unbedingter Antrag auf Weiterbeschäftigung und Prozesskostenhilfe. Hinweispflicht des Gerichts bei Mutwilligkeit. Mutwillige Klage auf Erteilung eines Zeugnisses

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es ist grundsätzlich mutwillig im Sinne des § 114 ZPO, wenn der Arbeitnehmer den Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung während des Kündigungsschutzprozesses als unbedingten Antrag ausdrücklich stellt.

2. In allen anderen Fällen ist Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Das gilt zum einen für den ausdrücklich als unechten Hilfsantrag gestellten Antrag auf Weiterbeschäftigung. Das gilt aber auch für den der äußeren Form nach ohne diese Einschränkung gestellten Antrag, weil dieser regelmäßig als "uneigentlicher" Hilfsantrag aufzufassen ist (vgl. dazu BAG, 30. August 2011, 2 AZR 668/10 (A), [...], Rn. 3).

3. Voraussetzung für die Annahme einer Mutwilligkeit ist daher, dass das Gericht zuvor den Arbeitnehmer darauf hinweist, dass es die Antragstellung als unbedingt und deswegen mutwillig ansieht, und der Arbeitnehmer trotz dieses Hinweises ausdrücklich erklärt, dass es bei der unbedingten Antragstellung verbleiben soll.

4. Es handelt sich um eine mutwillige Rechtsverfolgung, wenn ohne vorherige erfolglose außergerichtliche Aufforderung an den Arbeitgeber eine Klage auf Erteilung eines Zeugnisses erhoben wird.

5. Offensichtliche Mutwilligkeit im Sinne des § 11 a Abs. 2 ArbGG kann auch dann vorliegen, wenn es um die Art und Weise der Rechtsverfolgung geht, und zwar insbesondere dann, wenn sich der Antragsteller einer für einen Rechtskundigen eindeutigen Rechtslage verschließt.

6. Es ist offensichtlich mutwillig, wenn

- die für jeden Rechtskundigen eindeutigen Anforderungen an die Darlegungspflichten für die gerichtliche Geltendmachung konkreter Ansprüche missachtet werden,

- bei fehlender Begründung und unterbliebener außergerichtlicher Geltendmachung eines Zeugnisanspruches es naheliegt, dass ein solcher Antrag nur zum Zwecke der Erhöhung des Streitwerts und damit lediglich im Gebühreninteresse des Anwalts gestellt wird.

 

Normenkette

ArbGG § 11a; ZPO § 114; GKG § 45 Abs. 1 S. 2, Abs. 4; ArbGG § 12a Abs. 1 S. 1; ZPO § 118 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Bocholt (Entscheidung vom 05.06.2013; Aktenzeichen 3 Ca 661/13)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bocholt vom 5. Juni 2013 (3 Ca 661/13) teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Dem Kläger wird für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe für die Anträge zu I. 1. und 2. des Schriftsatzes vom 25. April 2013 bewilligt.

Zur Wahrnehmung seiner Rechte in diesem Rechtszug wird ihm Rechtsanwalt S1 aus N1 zu den Bedingungen eines im Bezirk des Arbeitsgerichts Bocholt niedergelassenen Rechtsanwalts beigeordnet.

Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt mit der Maßgabe, dass der Kläger keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu leisten hat.

Im Übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts zurückgewiesen.

Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Hälfte der Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A.

Der seit 2009 bei der beklagten Spedition als Kraftfahrer beschäftigte Kläger hatte gegen eine außerordentliche Kündigung vom 5. April 2013 am 18. April 2013 Klage erhoben und zugleich seine Weiterbeschäftigung, die Zahlung von Urlaubsabgeltung sowie Überstundenvergütung und die Erteilung eines Zwischenzeugnisses sowie die Übersendung eines Schlusszeugnisses verlangt. Mit Schriftsatz vom 25. April 2013 hatte er die Verurteilung zur Weiterbeschäftigung ausdrücklich hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit der Kündigungsschutzklage beantragt, die übrigen Anträge hilfsweise für den Fall des Unterliegens gestellt.

Mit dem hier angefochtenen Beschluss hat das Arbeitsgericht Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung bewilligt, laut Tenor für die Kündigungsschutzklage, und den Prozessbevollmächtigten des Klägers, der in N1 seinen Kanzleisitz hat, zu den Bedingungen eines im Bezirk des Arbeitsgerichts Bocholt ansässigen Rechtsanwalts beigeordnet. Hinsichtlich der übrigen Anträge enthält der Beschluss weder eine Tenorierung noch eine Begründung.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die "Beschwerde" des Klägers, mit der er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch für seine weiteren Anträge und eine uneingeschränkte Beiordnung seines Bevollmächtigten verlangt.

B.

Die gemäß § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, §§567 ff. ZPO zulässige und als sofortige Beschwerde auszulegende Beschwerde des Klägers vom 7. Juni 2013 ist teilweise begründet. Dem Kläger war Prozesskostenhilfe für die Kündigungsschutzklage sowie für den hilfsweise für den Fall des Obsiegens gestellten Weiterbeschäftigungsantrag zu bewilligen. Für die weiteren hilfsweise für den Fall des Unterliegens gestellten Anträge auf Zahlung einer Urlaubsabgeltung sowie Überstundenvergütung und d...

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