Verfahrensgang

ArbG Bielefeld (Beschluss vom 15.09.1994; Aktenzeichen 1 BV 31/94)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 02.04.1996; Aktenzeichen 1 ABR 50/95)

 

Tenor

Die Beschwerde des Arbeitgebers gegen den am 15.09.1994 verkündeten Beschluß des Arbeitsgerichts Bielefeld – 1 BV 31/94 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I

Der antragstellende Betriebsrat und der am Verfahren beteiligte Arbeitgeber streiten im Beschwerderechtszug noch darüber, ob es sich um mitbestimmungspflichtige Umgruppierungen handelt, wenn der Arbeitgeber tarifliche Tätigkeitszulagen gewährt.

Der Arbeitgeber ist eine Versicherungsgesellschaft. Antragsteller ist der bei der Außenstelle 28 in B. gebildete, aus drei Personen bestehende Betriebsrat. Bei dem Arbeitgeber bestehen einheitlich strukturierte Außenstellen. Diese können der Zentralverwaltung Vorschläge machen. Die Entscheidungen werden aber unternehmenseinheitlich bei der Zentralverwaltung getroffen. Der Arbeitgeber beschäftigt etwa 5.800 Arbeitnehmer. Es bestehen Betriebsräte bei den einzelnen Außenstellen. Auch ein Gesamtbetriebsrat besteht. Auf die Arbeitsverhältnisse der dort beschäftigten Arbeitnehmer findet der Manteltarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe Anwendung (im folgenden: MTV). § 6 des MTV enthält folgende Regelung:

„Tätigkeitszulage

Zu den Bezügen der Gehaltsgruppe, in der der Arbeitnehmer eingruppiert ist, wird eine angemessene Tätigkeitszulage gewährt:

  1. mit Beginn des Kalendermonats, von dem ab der Arbeitnehmer neben der Tätigkeit, nach der er eingruppiert ist, dauernd Arbeiten einer höher zu bewertenden Gehaltsgruppe verrichtet;
  2. mit Beginn des 3. Kalendermonats, von dem ab der Arbeitnehmer neben der Tätigkeit, nach der er eingruppiert ist, vorübergehend, aber länger als zwei Monate, Arbeiten einer höher bewerteten Gehaltsgruppe verrichtet. Dieser Anspruch erlischt mit Ende des Kalendermonats, in dem die Voraussetzung wegfällt.”

In der Außenstelle in B. erhalten drei Arbeitnehmerinnen eine derartige Tätigkeitszulage. Zwei Mitarbeiterinnen erhalten eine Zulage von 150,00 DM, eine Mitarbeiterin eine Zulage von 250,00 DM.

Der Betriebsrat, der geltend macht, er kenne die Kriterien für die Vergabe der Zulage nicht, wandte sich mit folgendem Schreiben vom 25.05.1994 an den Arbeitgeber:

„Abmahnung

Sehr geehrter Herr B.,

nach mehrfacher Erinnerung konnten wir am 27.04. die Bruttolohn- und -gehaltsliste der hiesigen SAS einsehen. Hierbei haben wir festgestellt, daß zum 01.01.1994 Tätigkeitszulagen gewährt, jedoch kein Verfahren gem. § 99 BetrVG eingeleitet wurde. Eingruppierung und Umgruppierung werden als Akte der Lohn- bzw. Gehaltsfindung für den einzelnen Arbeitnehmer als „Einordnung in ein kollektives Entgeltschema” (BAG 10.01.1976 EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 9; Däubler u.a. „Betriebsverfassungsgesetz – Kommentar für die Praxis”, 4. Auflage, Rand-Nr. 62 zu § 99) angesehen. Wir gehen davon aus, daß unser Mitbestimmungsrecht insoweit unstreitig ist.

Der Betriebsrat hat in seiner Sitzung vom 17.05.1994 einstimmig beschlossen, Sie wegen dieser Verstöße gegen unser Mitbestimmungsrecht abzumahnen. Wir fordern Sie gleichzeitig auf, die notwendigen Verfahren gem. § 99 BetrVG bis zum 06.06.1994 einzuleiten. Bei fruchtlosem Verstreichen dieser Frist müssen Sie mit rechtlichen Weiterungen rechnen.”

Der Arbeitgeber erwiderte mit Schreiben vom 07.06.1994 wie folgt:

Tätigkeitszulage

Ihr Schreiben vom 25. Mai 1994, Eingang Vorstandssekretariat 30. Mai 1994

Sehr geehrter Herr H.,

die Frage einer Beteiligung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG in Zusammenhang mit der tarifvertraglich vorgesehenen Tätigkeitszulage war bereits Gegenstand einer Korrespondenz mit dem örtlichen Betriebsrat in C.. Den Schriftwechsel fügen wir, soweit noch nicht bekannt, in Kopie bei.

Wie auch dem örtlichen Betriebsrat der Zentrale gegenüber zum Ausdruck gebracht, sehen wir ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG bei der Gewährung der Tätigkeitszulage nicht. Der Tatbestand einer Ein-/Umgruppierung ist nicht erfüllt, vielmehr handelt es sich bei der Tätigkeitszulage um einen Gehaltsbestandteil, den der MTV neben weiteren tariflich geregelten Zulagen und neben dem Gehalt nach der Gehaltsgruppenordnung vorsieht.

Der Gesamtbetriebsrat beschloß am 20.07.1994, mit der Aufnahme von Gesprächen mit dem Arbeitgeber bis zum Ausgang des vorliegenden Beschlußverfahrens abzuwarten.

Der Betriebsrat hat beantragt,

festzustellen, daß ihm ein Mitbestimmungsrecht bei der Gewährung von Tätigkeitszulagen gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 und/oder § 99 Abs. 1 BetrVG zusteht.

Der Arbeitgeber hat beantragt,

den Antrag als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise als unbegründet abzuweisen.

Durch einen am 15.09.1994 verkündeten Beschluß hat das Arbeitsgericht festgestellt, daß für die als Umgruppierung zu bewertende Bewährung von Tätigkeitszulagen an Arbeitnehmer die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen ist. Im übrigen hat es den Antrag des Betriebsrats zurückgewiesen.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht u.a. ausgefü...

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