Entscheidungsstichwort (Thema)

Zwangsvollstreckung im Beschlussverfahren. ausreichende Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des Titels. Auslegung eines Prozessvergleichs. Heranziehung der Antrags-, Klageschrift bei der Auslegung eines Vergleichs. Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Aufstellung und/oder Änderung von Dienstplänen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Prozessvergleich kann als Vollstreckungstitel i.S.v. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nur insoweit in Betracht kommen, als er einen aus sich heraus genügend bestimmten oder doch bestimmbaren Inhalt hat. In welchem Umfang das der Fall ist, ist durch Auslegung allein anhand des protokollierten Inhalts des Vergleichs zu ermitteln. Für diese Auslegung ist nicht in erster Linie der übereinstimmende Wille der Beteiligten maßgebend, der den Inhalt eines privatrechtlichen Vertrags bestimmt und für diesen selbst dann maßgebend bleibt, wenn die Erklärungen der Vertragspartner objektiv eine andere Bedeutung haben sollten. Vielmehr ist maßgeblich darauf abzustellen, wie das hierzu berufene Vollstreckungsorgan, in erster Linie also das Vollstreckungsgericht oder auch ein Beschwerdegericht, den Inhalt der zu erzwingenden Leistungen verständigerweise versteht und festlegt. Unklarheiten über den Inhalt der Verpflichtung dürfen nicht aus dem Erkenntnisverfahren ins Vollstreckungsverfahren verlagert werden.

2. Ein auf Unterlassung gerichteter Antrag eines Betriebsrats muss nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO so genau bestimmt sein, dass der Arbeitgeber der Entscheidung unschwer entnehmen kann, welches konkrete Verhalten ihm aufgegeben worden ist. Die Geltendmachung eines Unterlassungsantrags im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren erfordert einen Antrag, der auf einzelne, tatbestandlich umschriebene, konkrete Handlungen als Verfahrensgegenstand bezogen ist. Für den Fall der Unterlassung einer Maßnahme ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats bedarf es der genauen Bezeichnung derjenigen betrieblichen Fallgestaltungen, für die das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in Anspruch genommen wird.

3. Die Auslegung eines Vergleichs, der neben seiner prozessualen Wirkung materiell-rechtlich auch eine Vereinbarung zwischen den Beteiligten beinhaltet, richtet sich nach den Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB. Das gilt auch für die Auslegung des materiell-rechtlichen Inhalts eines als Prozessvergleich zu Protokoll des Gerichts geschlossenen Vergleichs.

 

Normenkette

ZPO § 567 ff., § 794 Abs. 1 Nr. 1, § 890 Abs. 1; ArbGG § 87 Abs. 2, § 85 Abs. 2, § 78; BGB §§ 133, 157; BetrVG § 87 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Hagen (Westfalen) (Beschluss vom 25.08.2009; Aktenzeichen 1 BVGa 4/05)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hagen vom 25.08.2009 – 1 BVGa 4/05 – wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Der antragstellende Betriebsrat (Gläubiger) verlangt im vorliegenden Zwangsvollstreckungsverfahren die Festsetzung von Ordnungsgeldern gegen die Arbeitgeberin (Schuldnerin) in Höhe von 266.000,00 EUR.

Im Ausgangsverfahren hat der Betriebsrat die Arbeitgeberin im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch genommen, Mitarbeiter/innen im Krankenhausbetrieb der Arbeitgeberin auf einer neuen, zusammengelegten Station „1 AB” (vormals Stationen 1 AB 1 und 1 AB 2) im Pflegedienst im September 2005 einzusetzen, ohne zuvor die Zustimmung des Betriebsrats herbeigeführt zu haben oder aber die fehlende Zustimmung durch den Spruch einer Einigungsstelle ersetzt zu haben. In der Antragsbegründung vom 29.08.2005 hatte der Betriebsrat zur Begründung des Unterlassungsbegehrens ausgeführt, dass ihm für September 2005 nach der Zusammenlegung der bisherigen Stationen 1 AB 1 und 1 AB 2 zur Pflegediensteinheit 1 AB kein Dienstplanentwurf vorgelegt worden sei und die Mitarbeiter/innen im Pflegedienst seit dem 01.09.2005 ohne die nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats eingesetzt würden.

Im Anhörungstermin vor dem Arbeitsgericht Hagen vom 02.09.2005 – 1 BVGa 4/05 – schlossen die Beteiligten daraufhin folgenden Vergleich:

  1. „Die Antragsgegnerin bzw. Beteiligte zu 2. verpflichtet sich, es zu unterlassen, Mitarbeiter/innen im Krankenhausbetrieb des H1 Klinikum S1 auf der als solche neu bezeichneten Station 1 AB (vormals Stationen 1 A B und 1 AB2) im Pflegedienst ab dem 07.09.2005 einzusetzen, ohne zuvor die Zustimmung des Betriebsrats herbeigeführt zu haben oder aber die fehlende Zustimmung des Betriebsrats durch den Spruch einer Einigungsstelle ersetzt zu haben, es sei denn, es liegt ein Notfall i.S.d. Rechtsprechung vor.
  2. Die Antragsgegnerin bzw. Beteiligte zu 2. verpflichtet sich, für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Ziffer 1. ein Ordnungsgeld in Höhe von 2.000,00 EUR zu zahlen.
  3. Damit ist dieses einstweilige Verfügungsverfahren erledigt.”

Noch am 05.09.2005 trafen die Betriebsparteien für den dienstplanmäßigen Einsatz der Pflegekräfte für September 2005 eine einvernehmliche Regelung (Bl. 53 d. A.).

In der Zeit von Oktober 2008 bis Februa...

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