Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsratswahl. Wahl. Betriebsrat. Anfechtung. Verstoß. Wahlvorschriften. Stimmabgabe. schriftlich. persönlich. Zuordnungstarifvertrag

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die generelle Anordnung einer Briefwahl unter Missachtung der Vorgaben des § 24 Abs. 3 Satz 1 WO kann zur Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl führen. Durch die genannte Regelung, die nur eine eingeschränkte Möglichkeit zur Briefwahl schafft, soll die Gefahr von Wahlmanipulationen möglichst gering gehalten bzw. ganz ausgeschlossen werden.

2. Zwar hat der Begriff der räumlich weiten Entfernung in § 24 Abs. 3 Satz 1 WO angesichts des Zwecks, Arbeitnehmern die Beteiligung an der Betriebsratswahl zu erleichtern, einen anderen Bedeutungsgehalt als in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG. Gleichwohl muss doch gefordert werden, dass es den Betroffenen unter Berücksichtigung der bestehenden und gegebenenfalls vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellenden Verkehrsmöglichkeiten unzumutbar ist, im Hauptbetrieb persönlich ihre Stimme abzugeben.

 

Normenkette

BetrVG §§ 3-4, 19; WO § 24 Abs. 3 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Bielefeld (Beschluss vom 27.09.2006; Aktenzeichen 3 (4) BV 69/06)

 

Tenor

Die Beschwerden des Betriebsrats und der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 27.09.2006 – 3 (4) BV 69/06 – werden zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

A.

Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit der am 24.05.2006 durchgeführten Betriebsratswahl.

Die Arbeitgeberin betreibt in derzeit 99 Filialen ein Unternehmen des Einzelhandels mit Produkten des Lebensmittel- und Non-Food-Bereichs. Sie beschäftigt einschließlich der aktuell ca. 60 Mitarbeiter in der B4 Zentralverwaltung insgesamt rund 2500 Arbeitnehmer.

Am 23.03.2006 schloss sie mit der Gewerkschaft ver.di einen Tarifvertrag ab. Nach dessen § 3 wurden die innerhalb der Stadtgrenzen von B1 und den Grenzen des Kreises G1 gelegenen 34 Filialen mit insgesamt 754 Wahlberechtigten zu einer betriebsratsfähigen Einheit zusammengefasst. Ob daneben auch die Mitarbeiter der Zentralverwaltung dazugehören, ist zwischen den Beteiligten streitig. Wegen des weiteren Inhalts des Tarifvertrages wird verwiesen auf die mit Antragschriftsatz vom 14.06.2006 eingereichte Kopie (Bl. 19 f.d.A.).

Unter dem 11.04.2006 erließ der Wahlvorstand ein Wahlausschreiben (Bl. 17f. d.A.), das die Mitarbeiter der B4 Zentralverwaltung nicht erfasste. In Ziffer 13 des Wahlausschreibens findet sich folgende Bestimmung:

Für alle Betriebsteile hat der Wahlvorstand die schriftliche Stimmabgabe beschlossen (§ 24 Abs. 3 WO)

Am 24.05.2006 fand in der Zeit von 10.00 Uhr bis 16.00 Uhr in der B4 Filiale 67, O2-B5-S1 4, im Büro des Gesamtbetriebsrates die Betriebsratswahl statt. Zu Beginn um 10.00 Uhr lagen dem Wahlvorstand 214 auf dem Postweg zurückgesandte Briefwahlunterlagen vor. Im Laufe des Tages wurden dann durch Boten (im Wesentlichen Führungskräfte der Arbeitgeberin, die zum Teil auch auf der Liste 1 kandidierten) weitere 350 Briefwahlunterlagen, die zum Teil zuvor in einzelnen Filialen aufbewahrt worden waren, abgegeben.

Von den insgesamt abgegebenen 582 Stimmen erklärte der Wahlvorstand 68 Stimmen für ungültig. Auf die Liste 1 entfielen 377 Stimmen = 10 Betriebsratssitze, während die von der Gewerkschaft ver.di unterstützte Liste 2 ein Ergebnis von 137 Stimmen = 3 Betriebsratssitze erzielte. Hinsichtlich der Einzelheiten wird verwiesen auf die mit Antragsschriftsatz vom 12.06.2006 im Parallelverfahren (Az.: 13 TaBV 109/06) eingereichte Wahlniederschrift (dortige Bl. 43 ff. d. A.).

Die antragstellenden fünf Arbeitnehmer haben die Auffassung vertreten, die Betriebsratswahl sei aus mehreren Gründen unwirksam. So seien die Mitarbeiter der Zentralverwaltung zu Unrecht nicht in die Wahl einbezogen worden. Auch habe es mehrere Verstöße gegen wesentliche Vorschriften zum Wahlverfahren gegeben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird verwiesen auf die Schriftsätze vom 14.06.2006 (Bl. 1 ff. d. A.) und 11.08.2006 (Bl. 53 ff. d.A.).

Die fünf Arbeitnehmer haben beantragt,

festzustellen, dass die Betriebsratswahl vom 24.05.2006 im Betrieb der Beteiligten zu 7) in B1/G1 unwirksam ist.

Der Betriebsrat hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er und die Arbeitgeberin haben die Meinung vertreten, dass sich aus dem Wortlaut des Zuordnungstarifvertrages vom 23.03.2006 unmissverständlich ergebe, dass nur die Filialen zu einer betriebsratsfähigen Einheit zusammengefasst worden seien – ohne die Zentralverwaltung. Auch im Übrigen sei die Wahl ordnungsgemäß verlaufen. Insoweit wird verwiesen auf die Ausführungen in den Schriftsätzen vom 22.06.2006 (Bl. 29 ff. und 33 ff. d.A.) und vom 13. sowie 15.09.2006 (Bl. 57 ff., 64 ff. d. A.).

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 27.09.2006 die Betriebsratswahl für unwirksam erklärt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, eine Auslegung des Zuordnungstarifvertrages ergebe, dass die in der Zentralverwaltung beschäftigten Mitarbeiter hätten mitwählen dürfen. Durch deren Auss...

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