Entscheidungsstichwort (Thema)

Zahlungsanspruch des Rechtsanwalts nach Abtretung des Anspruchs auf Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren zur anwaltlichen Vertretung des Betriebsrats in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren. Antrag eines örtlichen Betriebsrats auf gerichtliche Überprüfung einer einseitig erlassenen konzernweiten Leitlinie zur Ausübung des Betriebsratsamtes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Kosten der anwaltlichen Vertretung in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren gehören, soweit sie erforderlich sind, zu den gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten der Betriebsratstätigkeit. Der Freistellungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber wandelt sich bei Abtretung an den anwaltlichen Vertreter in einen Zahlungsanspruch.

2. Wird konzernweit eine Leitlinie mit Grundsätzen erlassen, die nach arbeitgeberseitiger Auffassung von den Betriebsratsmitgliedern bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beachten sind und wird diese Leitlinie in die Personalakten der Betriebsratsmitglieder aller Konzernunternehmen aufgenommen, ist trotz des konzernweit einheitlichen Vorgehens ein örtlicher Betriebsrat berechtigt, gerichtlich überprüfen zu lassen, ob der Arbeitgeber von den gewählten Betriebsratsmitgliedern des Betriebs die Einhaltung der Leitlinie verlangen darf. § 50 BetrVG und § 58 BetrVG regeln die Zuständigkeitstrennung zwischen Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat und Konzernbetriebsrat bei der Mitbestimmung und finden insoweit keine Anwendung.

3. Der Arbeitgeber kann nicht verlangen, dass sich die örtlichen Betriebsräte aus Gründen der Kostenschonung unternehmens- oder konzernweit auf ein Musterverfahren verständigen, um eine solche Leitlinie gerichtlich überprüfen zu lassen. Dies gilt schon deshalb, weil die sich im Betrieb konkret stellenden Aufgaben sowohl für die rechtliche Entscheidung als auch für eine potentielle Lösung des Konflikts eine maßgebliche Rolle spielen.

 

Normenkette

GKG § 2 Abs. 2; BetrVG § 40 Abs. 1, §§ 50, 58, 50 Abs. 1, § 58 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 08.11.2016; Aktenzeichen 9 BV 11/16)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 8. November 2016 - 9 BV 11/16 - unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde wie folgt abgeändert:

Die Beteiligte zu 2) wird verpflichtet, an die Beteiligten zu 1) Euro 2.368,10 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. April 2016 zu zahlen.

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Vergütung der Antragsteller für ihre Tätigkeit als Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats in einem Vorverfahren.

Die Antragsteller sind Rechtsanwälte, die sich in einer Sozietät zusammengeschlossen haben. In dem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zum Az. 9 BV 28/14 haben sie den Betriebsrat des Hamburger Betriebs der Beteiligten zu 2) als Verfahrensbevollmächtigte vertreten.

Die Beteiligte zu 2) gehört als Dienstleistungsunternehmen rund um die Wartung, Instandhaltung und Ausstattung von Flugzeugen zur L.-Gruppe (L.-Gruppe) im Verbund des L1-Konzerns. Deutschlandweit unterhält die Beteiligte zu 2) mehrere Betriebe, bei denen beispielsweise in Hamburg, F., K., D. und M. örtliche Betriebsräte bestehen. Eingetragener Hauptsitz der Verwaltung der Beteiligten zu 2) ist Hamburg. Dort sind der Gesamtbetriebsrat und der Konzernbetriebsrat für die L.-Gruppe gebildet.

Dem Vorverfahren zum Az. 9 BV 28/14, auf das sich der streitgegenständliche Vergütungsanspruch bezieht, lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Nach der turnusgemäßen Neuwahl der Betriebsräte im Unternehmen der Beteiligten zu 2) im Jahr 2014 übersandte die Beteiligte zu 2) an die Mitglieder aller Betriebsräte - jeweils individuell - eine von ihr erlassene "Leitlinie für BR-Mitglieder bei der L.-Gruppe zum Rahmen der Mandatsausübung" (künftig: "Leitlinie"). Dies verband die Beteiligte zu 2) mit der Aufforderung, diese Leitlinie bei der künftigen Arbeit zu beachten. Zugleich machte die Beteiligte zu 2) die Leitlinie zum Gegenstand der jeweiligen individuellen Personalakten aller Betriebsratsmitglieder an allen Standorten. Auch den Mitgliedern der örtlichen Betriebsräte in den anderen Konzerngesellschaften der L.-Gruppe wurde die Leitlinie in entsprechender Weise bekannt gemacht.

Im Vorwort der Leitlinie aus 2014 hieß es u.a. wie folgt:

"Unter Berücksichtigung des im Betriebsverfassungsrecht herrschenden Gebots der vertrauensvollen Zusammenarbeit möchte die L. Gruppe (im folgenden L.) eine einheitliche Handhabung der Regelung der Betriebsratstätigkeit aus dem Betriebsverfassungsgesetz innerhalb der L. an allen Standorten sicherstellen.

Die Inhalte der Leitlinie ergeben sich unmittelbar aus dem Betriebsverfassungsrecht sowie der in diesem Zusammenhang ergangenen Rechtsprechung. Sie legt verbindlich und transparent den Rahmen der Mandatsausübung fest - ohne die inhaltliche Aufgabenwahrnehmung von Betriebsrä...

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