Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozeßfähigkeit. Prozeßunfähigkeit bei anwaltlicher Vertretung

 

Leitsatz (amtlich)

Treten während des Rechtsstreits begründete Zweifel an der Prozeßfähigkeit im Sinne des § 52 ZPO der klagenden Partei auf, und werden diese Zweifel nicht binnen der Frist des § 56 Abs. 2 S. 2 ZPO ausgeräumt, so ist die Klage als unzulässig abzuweisen. Das gilt auch dann, wenn diese Partei durch einen Rechtsanwalt als Prozeßbevollmächtigten vertreten wird, und die Prozeßfähigkeit im Sinne des § 52 ZPO bei Vollmachterteilung noch gegeben war.

Die Partei, an deren Prozeßfähigkeit Zweifel bestehen, kann wirksam Berufung gegen das die Klage als unzulässig abweisende Urteil einlegen.

 

Normenkette

ZPO §§ 52, 56, 86

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 01.07.1997; Aktenzeichen 22 Ca 10/95)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 20.01.2000; Aktenzeichen 2 AZR 733/98)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 01. Juli 1997 – 22 Ca 10/95 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in erster Linie über die Zulässigkeit der erhobenen Klage.

Die Klägerin schloß mit der Beklagten unter dem 15. Juni 1992 einen Arbeitsvertrag (Anlage 1, Blatt 12 der Akten), der begrenzt war bis zur Beendigung der mit der beschleunigten Unterbringung von Asylbewerbern, Aus- und Übersiedlern zusammenhängenden Maßnahmen (Sonderprogramm). Nach § 5 des Vertrages war das Arbeitsverhältnis vorbehaltlich des positiven Ausfalls des ärztlichen Gutachtens begründet worden. Gemäß § 2 des Vertrages bestimmte sich dieser nach dem BAT.

Unter dem 30. Juni 1992 füllte die Klägerin für den Personalärztlichen Dienst einen Fragebogen aus (Anlage 2, Blatt 14 der Akten), in dem sie unter. Krankenhausaufenthalte „ja” ankreuzte und als Ursache für diesen „Iritis” angab. Die Klägerin wurde in der Zeit vom 10. August bis 05. September 1991 in der Fachklinik für Psychiatrie, Neurologie und Rehabilitation in Schleswig behandelt. Hierüber machte sie in dem Fragebogen keine Angaben.

Aufgrund des auffälligen Verhaltens der Klägerin Mitte des Jahres 1993 suspendierte die Beklagte die Klägerin vom Dienst und leitete eine Begutachtung durch den Personalärztlichen Dienst ein. Im Rahmen dieser Begutachtung erfolgte am 26. August 1993 eine Untersuchung durch Herrn Dr. … Für das Ergebnis dieser Untersuchung wird auf die Anlage BfA zur Berufungsbegründung vom 06. Oktober 1997 (Blatt 134, 135 der Akten) verwiesen.

Nachdem der Beklagten der vorgenannte Sachverhalt bekannt geworden war, erklärte sie mit Schreiben vom 04. November 1993 (Blatt 3 der Akten) die Anfechtung des Arbeitsverhältnisses wegen arglistiger Täuschung. Gleichzeitig kündigte die Beklagte der Klägerin das Arbeitsverhältnis vorsorglich zum 31. Dezember 1993.

Mit Schriftsatz vom 30. November 1993, der am selben Tage beim Arbeitsgericht Hamburg einging, erhob die Klägerin gegen die Anfechtung und die vorsorgliche Kündigung Klage.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 26. Mai 1995 erklärte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin, er habe Zweifel an der Prozeßfähigkeit der Klägerin (Blatt 64 der Akte). Die Klägerin selbst erklärte in dieser mündlichen Verhandlung, sie sei dazu in der Lage, Fahrzeuge und Personen, die in der Stadt gesundheitsschädigende radioaktive oder andere Strahlungen ausstrahlen, zu erkennen. Diese Strahlungen haben bei ihr und einer Kollegin ein Augenleiden verursacht.

Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe in dem personalärztlichen Fragebogen keine falschen Angaben gemacht. Dem Aufenthalt in der Fachklinik in Schleswig hab eine Schilddrüsenerkrankung zugrundegelegen. Zumindest seien sich die Ärzte nicht einig gewesen, ob es sich um ein Nervenleiden oder um eine Schilddrüsenerkrankung gehandelt habe.

Die Klägerin sei auch weder zum Zeitpunkt der Klagerhebung noch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung prozeßunfähig gewesen. Sie leide gemäß dem Gutachten von Herrn Dr. … vom 30. August 1993 an einer schubweise auftretenden Nervenerkrankung. Weder zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung noch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung seien irgendwelche Auffälligkeiten bei der Klägerin bemerkbar gewesen.

Das Arbeitsgericht hatte der Klägerin durch Beschluß vom 26. Mai 1995 aufgegeben, ihre Prozeßfähigkeit durch ein ärztliches Gutachten nachzuweisen. Nachdem die Klägerin dieser Aufforderung nicht nachgekommen war, wies das Arbeitsgericht Hamburg mit Urteil vom 01. Juli 1997 – 22 Ca 10/95 – die Klage als unzulässig ab. Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, es bestünden erhebliche Zweifel an der Prozeßfähigkeit der Klägerin. Grundsätzlich müsse die Prozeßfähigkeit zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen.

Zur Darlegung der Prozeßfähigkeit reiche es auch nicht aus, daß nach dem Eindruck des medizinisch nicht geschulten Prozeßbevollmächtigten der Klägerin die Prozeßfähigkeit wiederhergestellt ...

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