Entscheidungsstichwort (Thema)

Klärung der Prozeßfähigkeit einer Partei

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Kläger hat zwar das Risiko der Nichterweislichkeit seiner Prozeßfähigkeit zu tragen, da ihn insoweit eine „objektive” Beweislast trifft. Jedoch ist das Gericht gehalten, von Amts wegen alle in Frage kommenden Beweise, insbesondere durch Einholung von Sachverständigengutachten, zu erheben, um Zweifel an der Prozeßfähigkeit nach Möglichkeit aufzuklären; den Kläger trifft insoweit keine „subjektive” Beweisführungslast (im Anschluß an BGH 9. Januar 1996 – VI ZR 94/95 – NJW 1996, 1059, mwN).

2. War der Kläger bei Erteilung der Prozeßvollmacht prozeßfähig, schadet es nicht, wenn er später prozeßunfähig wurde; das Fortbestehen der Prozeßvollmacht gemäß § 86 ZPO sichert seine ordnungsgemäße Vertretung im Prozeß und ermöglicht es, den einmal begonnenen Rechtsstreit zu Ende zu führen (im Anschluß an BGH 8. Februar 1993 – II ZR 62/92 – BGHZ 121, 263, 266).

 

Normenkette

ZPO § 56 Abs. 1, § 57 Abs. 1, §§ 86, 579 Abs. 1 Nr. 4

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Urteil vom 25.03.1998; Aktenzeichen 5 Sa 72/97)

ArbG Hamburg (Urteil vom 01.07.1997; Aktenzeichen 22 Ca 10/95)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 25. März 1998 – 5 Sa 72/97 – aufgehoben.

2. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die Klägerin schloß mit der Beklagten unter dem 15. Juni 1992 einen Arbeitsvertrag, der begrenzt war bis zur Beendigung der mit der beschleunigten Unterbringung von Asylbewerbern, Aus- und Übersiedlern zusammenhängenden Maßnahmen (Sonderprogramm). Nach § 5 des Vertrages war das Arbeitsverhältnis vorbehaltlich des positiven Ausfalls des ärztlichen Gutachtens begründet worden. Gemäß § 2 des Vertrages bestimmte sich dieser nach dem BAT.

Unter dem 30. Juni 1992 füllte die Klägerin für den personalärztlichen Dienst einen Fragebogen aus, in dem sie unter Krankenhausaufenthalte „ja” ankreuzte und als Ursache für diese „Iritis” angab. Die Klägerin wurde in der Zeit vom 10. August bis 5. September 1991 in der Fachklinik für Psychiatrie, Neurologie und Rehabilitation in S. behandelt. Hierüber machte sie in dem Fragebogen keine Angaben.

Aufgrund des auffälligen Verhaltens der Klägerin Mitte des Jahres 1993 suspendierte die Beklagte die Klägerin vom Dienst und leitete eine Begutachtung durch den personalärztlichen Dienst ein. Im Rahmen dieser Begutachtung erfolgte am 4. August 1993 eine Untersuchung durch Herrn Dr. M. Als Ergebnis hielt Dr. M. fest:

„…

Die von Ihnen beobachteten und in der Anlage zur Untersuchungsanforderung beschriebenen Verhaltensauffälligkeiten lassen sich im Ergebnis unserer Untersuchung nachvollziehen und sind durch eine nervenärztlich zu definierende Erkrankung bedingt. Offenbar war die Probandin im Frühjahr 1993 deutlicher durch Symptome betroffen. Inzwischen, und das entspricht auch der Eigenart der Erkrankung, sind spezielle Symptome zwar vorhanden, aber weniger deutlich ausgeprägt.

Zusammenfassend ist festzustellen, daß Frau W. krankheitsbedingt nicht im vollen Umfang als dienstfähig betrachtet werden kann. Wesentlich wird diese Feststellung davon getragen, daß sie im unmittelbaren Kontakt mit ihr anvertrauten Schutzbefohlenen und insbesondere Asylbewerbern gegenüber nicht umfassend in der Lage ist, den dienstlichen Anforderungen gerecht zu werden. Es wird aber gleichzeitig darauf hingewiesen, daß damit nicht festgestellt werden kann, daß Frau W. in Tätigkeiten ohne umfassenden Publikumsverkehr in jederlei Hinsicht als dienstunfähig betrachtet werden kann.

Weiterhin wird darauf hingewiesen, daß die vorliegende Erkrankung durch fachspezifische Behandlung durchaus geeignet ist, die Dienstfähigkeit umfassender zu sichern. Es wird geraten, daß Frau W. eine solche Therapie bei einem Arzt ihrer Wahl durchführt.

…”

Nachdem der Beklagten der vorgenannte Sachverhalt bekannt geworden war, erklärte sie mit Schreiben vom 4. November 1993 die Anfechtung des Arbeitsverhältnisses wegen arglistiger Täuschung. Gleichzeitig kündigte die Beklagte der Klägerin das Arbeitsverhältnis vorsorglich zum 31. Dezember 1993.

Mit Schriftsatz vom 30. November 1993, der am selben Tag beim Arbeitsgericht einging, erhob die Klägerin gegen die Anfechtung und die vorsorgliche Kündigung Klage.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 26. Mai 1995 erklärte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin, er habe Zweifel an der Prozeßfähigkeit der Klägerin. Die Klägerin selbst erklärte in dieser mündlichen Verhandlung, sie sei dazu in der Lage, Fahrzeuge und Personen, die in der Stadt gesundheitsschädigende radioaktive oder andere Strahlungen ausstrahlen, zu erkennen. Diese Strahlungen hätten bei ihr und einer Kollegin ein Augenleiden verursacht.

Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe in dem personalärztlichen Fragebogen keine falschen Angaben gemacht. Dem Aufenthalt in der Fachklinik in S. habe eine Schilddrüsenerkrankung zugrunde gelegen. Zumindest seien sich die Ärzte nicht einig gewesen, ob es sich um ein Nervenleiden oder um eine Schilddrüsenerkrankung gehandelt habe.

Sie sei auch weder zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung prozeßunfähig gewesen. Sie leide gemäß dem Gutachten von Herrn Dr. M. vom 30. August 1993 an einer schubweise auftretenden Nervenerkrankung. Weder zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung noch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht seien bei ihr irgendwelche Auffälligkeiten bemerkbar gewesen. Letztlich könne aber dahingestellt bleiben, ob sie im Laufe des Verfahrens prozeßunfähig geworden sei. Gemäß § 86 ZPO werde die ordnungsgemäß erteilte Vollmacht von einer späteren Prozeßunfähigkeit nicht berührt.

Die Klägerin hat beantragt

  • festzustellen, daß die von der Beklagten mit Schreiben vom 4. November 1993 erfolgte Anfechtung unwirksam ist und die hilfsweise ausgesprochene Kündigung sozial ungerechtfertigt ist,

    sowie zweitinstanzlich hilfsweise,

  • eine Betreuung für die Klägerin einzurichten und einen Prozeßpfleger für sie zu bestellen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos.

Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Feststellungsanträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Die Vorinstanzen durften die Klage nach derzeitigem Sachstand nicht wegen Zweifeln an der Prozeßfähigkeit der Klägerin für unzulässig erachten.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Berufung sei ungeachtet der Zweifel hinsichtlich der Prozeßfähigkeit der Klägerin zulässig, weil sonst das Prozeßurteil erster Instanz nicht überprüft werden könne und der Rechtsschutz der Klägerin unzulässig verkürzt würde. Die Berufung sei jedoch zurückzuweisen, weil ernsthafte Zweifel an der Prozeßfähigkeit der Klägerin von dieser nicht ausgeräumt worden seien. Selbst wenn die Klägerin die Prozeßvollmacht noch wirksam erteilt haben und ihre Prozeßunfähigkeit erst später eingetreten sein sollte, gelte die Prozeßvollmacht gemäß § 86 ZPO nur insoweit fort, als der Prozeßbevollmächtigte alle Maßnahmen für eine ordnungsgemäße gesetzliche Vertretung der Partei ergreifen dürfe. Ohne Behebung des von Amts wegen zu beachtenden Mangels der Prozeßunfähigkeit bzw. der gesetzlichen Vertretung der prozeßunfähigen Partei sei nicht gewährleistet, daß die Prozeßführung dem Willen der Partei entspreche, ein Sachurteil dürfe deshalb nicht ergehen.

II. Dem folgt der Senat im Ergebnis nicht.

1. Dem Landesarbeitsgericht ist zunächst darin beizupflichten, daß die Zulässigkeit der Berufung nicht an Zweifeln hinsichtlich der Prozeßfähigkeit der Klägerin scheitert. Gleiches gilt für die Zulässigkeit der Revision (BAG 22. März 1988 – 3 AZR 350/86 – AP ZPO § 50 Nr. 6; BGH 9. Januar 1996 – VI ZR 94/95 – NJW 1996, 1059, mwN).

2. Zutreffend ist auch die Ansicht des Landesarbeitsgerichts, daß hier Zweifel an der Prozeßfähigkeit der Klägerin bestanden, und daß diese der Aufklärung bedurften, bevor ein Sachurteil ergehen konnte.

a) Daß das Landesarbeitsgericht wie schon das Arbeitsgericht aus der eigenen Einschätzung des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin sowie deren Äußerungen in der mündlichen Verhandlung vom 26. Mai 1995 solche Zweifel ableitete, ist rechtlich nicht zu beanstanden und wird von der Revision auch nicht angegriffen.

b) Bestehen Anhaltspunkte für die Prozeßunfähigkeit einer Partei, so ist das mögliche Fehlen dieser Prozeßvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens, also auch noch in der Berufungs- und Revisionsinstanz, von Amts wegen zu berücksichtigen. Zwar sind nach der Lebenserfahrung Störungen der Geistestätigkeit als Ausnahmeerscheinungen anzusehen, so daß im allgemeinen von der Prozeßfähigkeit einer Partei auszugehen ist; dies kann allerdings dann nicht gelten, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür gegeben sind, daß Prozeßunfähigkeit vorliegen könnte. Ist letzteres der Fall und läßt sich die Prozeßfähigkeit des Klägers nicht feststellen, so gehen verbleibende Zweifel zu seinen Lasten (Senatsurteile vom 6. Mai 1958 und 28. Februar 1974 – 2 AZR 551/57 – und – 2 AZR 191/73 – AP ZPO § 56 Nr. 1 und Nr. 4; BAG 1. März 1963 – 1 AZR 356/61 – AP, aaO, Nr. 2; BAG 15. September 1977 – 3 AZR 410/76 – AP, aaO, Nr. 5; BGH, aaO).

c) War die Klägerin allerdings bei Erteilung der Prozeßvollmacht prozeßfähig, schadet es entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht, falls ihre Prozeßunfähigkeit später eingetreten sein sollte. In diesem Fall bewirkte § 86 ZPO nicht nur, daß es nicht zu einer Unterbrechung des Verfahrens kam (§ 246 Abs. 1 ZPO). Vielmehr soll § 86 ZPO den Prozeßgegner vor den Auswirkungen von Veränderungen auf der Gegenseite schützen und ermöglichen, einen einmal begonnenen Rechtsstreit möglichst ohne Verzug zu Ende zu führen (BGH 8. Februar 1993 – II ZR 62/92 – BGHZ 121, 263, 266). Die prozeßunfähig gewordene Partei ist dann im Sinne von § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO „nach den Vorschriften der Gesetze vertreten”, obwohl für sie zunächst kein gesetzlicher Vertreter bestellt ist und ein Mangel der Prozeßfähigkeit gemäß § 56 Abs. 1 ZPO von Amts wegen zu beachten ist (Musielak/Weth ZPO § 86 Rn. 12; vgl. ferner BGH 29. Mai 1963 – IV ZR 73/62 – MDR 1964, 126 f.; BGH 8. Februar 1993 – II ZR 62/92 – NJW 1993, 1654 f.; RG 27. September 1927 – III 456/26 – RGZ 118, 122, 125; BFH 23. Januar 1985 – I B 36/83 – NJW 1986, 2594; OLG Köln 21. März 1975 – 9 U 162/74 – OLGZ 1975, 349 f.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 58. Aufl. § 86 Rn. 9; anderer Ansicht Bork MDR 1991, 97, 99; Stein-Jonas-Roth ZPO 21. Aufl. § 246 Rn. 4; Weber-Grellet NJW 1986, 2559; Zöller/Vollkommer ZPO 21. Aufl. § 86 Rn. 12).

3. Die Revision rügt mit Recht, das Landesarbeitsgericht habe die Möglichkeiten zur Aufklärung der Prozeß(un)fähigkeit der Klägerin nicht pflichtgemäß ausgeschöpft.

a) Die Klägerin hat zwar das Risiko der Nichterweislichkeit ihrer Prozeßfähigkeit zu tragen, da sie insoweit eine „objektive” Beweislast trifft. Jedoch ist das Gericht gehalten, von Amts wegen alle in Frage kommenden Beweise, insbesondere durch Einholung von Sachverständigengutachten, zu erheben, um Zweifel an der Prozeßfähigkeit nach Möglichkeit aufzuklären; die Klägerin trifft hier keine „subjektive” Beweisführungslast (BGH 9. Januar 1996, aaO; Musielak/Weth aaO § 56 Rn. 6; Zöller/Vollkommer aaO § 56 Rn. 4, 8). Bei der Beweiserhebung ist das Gericht nicht an die förmlichen Beweismittel des Zivilprozesses gebunden, sondern es gilt der Grundsatz des „Freibeweises” (Senatsurteil vom 6. Mai 1958, aaO; BGH, aaO). Dabei kommt es, da eine im Zeitpunkt der Klageerhebung prozeßunfähige Partei die Prozeßführung später, sollte sich ihr Zustand entsprechend gebessert haben, genehmigen könnte, nicht nur auf den Zeitpunkt der Klageerhebung, sondern entscheidend auf den – auch im übrigen für das Vorliegen der Prozeßvoraussetzung grundsätzlich maßgeblichen – Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an (BGH, aaO).

b) Dem steht die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 1. März 1963 (aaO), wonach es Sache der Partei ist, Bedenken hinsichtlich ihrer Prozeßfähigkeit auszuräumen, nicht entgegen. Im Gegenteil hat der Erste Senat in diesem Fall, obwohl der Kläger trotz gegenteiliger Ankündigung kein Gutachten zu seiner Prozeßfähigkeit eingereicht hat, versucht, die Frage durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu klären. Dies hat der Kläger vereitelt, weil er Vorladungen des Sachverständigen zur Untersuchung wiederholt keine Folge leistete. Bei dieser Sachlage war nach der Beweislast zu entscheiden, denn das Gericht darf die Partei nicht zu der Untersuchung drängen oder gar zwingen (BGH 9. Mai 1962 – IV ZR 4/62 – NJW 1962, 1510 f.; BGH 23. Februar 1990 – V ZR 188/88 – NJW 1990, 1734, 1736).

Auch zu dem Senatsurteil vom 6. Mai 1958 (aaO) besteht keine Divergenz. Es ist gegebenenfalls Sache des Revisionsgerichts zu beurteilen, ob weitere Aufklärungs- und Beweisbemühungen Erfolg versprechen (vgl. MünchKomm/Lindacher ZPO §§ 51, 52 Rn. 36; Wieczorek/Schütze/Hausmann ZPO 3. Aufl. § 56 Rn. 7). Eben dies hat der Senat in jenem Fall verneint (aaO, zu 4 der Gründe). Soweit die Entscheidung allerdings dahin verstanden werden könnte, auch ein Klärung versprechendes Sachverständigengutachten müsse die Partei selbst beibringen, hält der Senat daran nicht fest.

c) Vorliegend kann allein aus der fehlenden Beibringung des Nachweises der Prozeßfähigkeit der Klägerin durch ein ärztliches Gutachten nicht geschlossen werden, diese sei nicht bereit, sich der Untersuchung durch einen Sachverständigen zu stellen. Die Nervenkrankheit der Klägerin zeigt nach dem Schreiben des personalärztlichen Dienstes vom 26./30. August 1993 über die Untersuchung der Klägerin am 4. August 1993 Phasen unterschiedlicher Intensität. Eine dauerhafte Geschäfts- und Prozeßunfähigkeit hat Dr. M. der Klägerin nicht bescheinigt. Es erscheint nicht ausgeschlossen, daß ein Sachverständigengutachten unter Berücksichtigung der Beobachtungen des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin zu dem Ergebnis kommt, die Klägerin sei bei Erteilung der Prozeßvollmacht und/ oder in einzelnen Phasen des Rechtsstreits, in denen die Klägerin die Prozeßführung durch ihren Anwalt genehmigte, prozeßfähig gewesen. Dann würden aber gemäß § 86 ZPO spätere Phasen einer Prozeßunfähigkeit der Klägerin unschädlich sein (vgl. oben II 2 c). Von nicht aufklärbaren Zweifeln an der Prozeßfähigkeit der Klägerin durfte das Landesarbeitsgericht demnach nicht ausgehen, vielmehr hatte es die prozessuale Pflicht zur Beweiserhebung von Amts wegen.

4. Der Senat hätte zwar eine Beweiserhebung selbst vornehmen dürfen (BAG 28. Februar 1974 und 15. September 1977, jeweils aaO). Die Komplexität des Sachverhalts, bei dem der Sachverständige voraussichtlich mit Beobachtungen des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin und – falls dieser nicht selbst mit der Erstattung des Gutachtens betraut wird – auch mit den Beobachtungen von Dr. M. zu konfrontieren sein wird, ließ es jedoch zweckmäßig erscheinen, die weitere Klärung der Prozeßfähigkeit der Klägerin dem Tatsachengericht zu überlassen (vgl. auch BAG, aaO).

5. Sollten danach Zweifel hinsichtlich der Prozeßfähigkeit der Klägerin für die Zeit der Erteilung der Prozeßvollmacht und des gesamten Rechtsstreits fortbestehen, wäre die Berufung der Klägerin erneut zurückzuweisen. Es ist entgegen der Ansicht der Revision gegebenenfalls Sache der Klägerin bzw. ihres Prozeßbevollmächtigten, für eine Pflegerbestellung Sorge zu tragen. § 57 Abs. 1 ZPO betrifft, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, nur Verfahren, in denen die Prozeßunfähigkeit der beklagten Partei feststeht. Der Gesetzgeber hat sich jedoch in § 4 KSchG eindeutig dafür entschieden, dem gekündigten Arbeitnehmer die Rolle des Klägers zuzuweisen, und auch für die Feststellung, das Arbeitsverhältnis bestehe trotz einer vom Arbeitgeber gemäß § 123 BGB erklärten Anfechtung fort, hat in der Regel nur der Arbeitnehmer ein Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO. Angesichts dieser typischen prozessualen Rollenverteilung kann keine planwidrige Regelungslücke angenommen werden, die durch analoge Anwendung des § 57 ZPO zu schließen wäre. Eine solche analoge Anwendung wäre vielmehr nur dann in Erwägung zu ziehen, wenn eine Pflegerbestellung für die beklagte Partei nach sachlichem Recht an der Nichterweislichkeit von deren Geschäftsunfähigkeit scheitert (vgl. BGH 9. Mai 1962 und 23. Februar 1990, jeweils aaO).

[1]

 

Unterschriften

Etzel, Bröhl, Fischermeier, Engel, Sieg

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 20.01.2000 durch Anderl, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

BAGE, 248

BB 2000, 780

DB 2000, 779

EBE/BAG 2000, 59

FA 2000, 128

FA 2000, 190

JR 2001, 87

NZA 2000, 613

SAE 2000, 264

AP, 0

MDR 2000, 781

SGb 2000, 368

[1] Vorinstanz-Aktenzeichen,

Verkündungsdatum

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge