Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit einer Klage auf zukünftige Leistungen. Auslegung einer einzelvertraglichen Altersversorgungszusage. Vom Veräußerer erteilte Versorgungszusagen beim Betriebsübergang. Erfüllung der abstrakten Versorgungsanwartschaften beim Betriebsübergang durch den Erwerber. Betriebsübergang und einzelvertragliche Vereinbarungen zwischen Veräußerer und Beschäftigten. Auswirkungen eines neuen Vergütungssystems beim Erwerber nach Betriebsübergang gem. § 613a Abs. 1 BGB. Nichtigkeit eines Interessenausgleichs bei inhaltlichem Verstoß gegen § 613a Abs. 1 BGB

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Klage auf künftige Zahlung der Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung ist nach § 258 ZPO zulässig. Sie hat die Zahlung einer wiederkehrenden Leistung zum Gegenstand, die nicht von einer Gegenleistung abhängig ist.

2. Die Auslegung einer einzelvertraglichen Zusage hat gem. §§ 133, 157 BGB nach dem objektiven Empfängerhorizont zu erfolgen. Maßgeblich ist, wie ein objektiver Dritter aus dem Verkehrskreis des Empfängers die Zusage bzw. die Regelung verstehen durfte und musste. Dabei ist vom Wortlaut der Regelung auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind aber auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen.

 

Orientierungssatz

Orientierungssatz:

1. Zu den übergehenden Pflichten im Sinne von § 613a BGB beim Betriebsübergang zählen auch vom Veräußerer erteilte Versorgungszusagen und die daraus erwachsenden Anwartschaften auf eine betriebliche Altersversorgung.

2. Gegenstand der nach § 613a Abs 1 S 1 BGB übergegangenen Verpflichtung ist die Erfüllung der abstrakten Anwartschaft des Arbeitnehmers, nicht jedoch die Fortführung der konkreten Berechnung der Ansprüche beim Veräußerer.

3. Auch einzelvertraglich getroffene Vereinbarungen gehen grundsätzlich nach § 613a Abs 1 S 1 BGB auf den Erwerber über und sind daher für dessen Pflichten gegenüber dem Arbeitnehmer relevant.

4. Beziehen sich diese Vereinbarungen speziell auf das beim Veräußerer geltende Vergütungssystem und die dort vorgenommenen Veränderungen dieses Systems und wird der Arbeitnehmer beim Betriebsübergang in ein beim Erwerber geltendes Vergütungssystem überführt, haben die mit dem Veräußerer getroffenen Vereinbarungen keinen Bezugspunkt mehr und können in dem Arbeitsverhältnis mit dem Erwerber keine Wirkung entfalten.

5. Die bloße Beteiligung der Betriebsräte an einem Interessenausgleich, der die gesetzlich angeordneten Folgen eines Betriebsübergangs für die betroffenen Arbeitnehmer zu deren Lasten ausschließt oder modifiziert, ändert nichts daran, dass eine solche Vereinbarung ohne die Zustimmung der Arbeitnehmer nach § 134 BGB nichtig ist.

 

Normenkette

BGB § 613a Abs. 1 S. 1, §§ 134, 133, 157, 313; ZPO § 258; TA ALT § 13.1, § 16.1

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 17.03.2021; Aktenzeichen 16 Ca 90/20)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 09.05.2023; Aktenzeichen 3 AZR 174/22)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 17. März 2021 - 16 Ca 90/20 - abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger beginnend mit dem 01. August 2021 über den Betrag von € 1.610,00 brutto hinaus jeweils zum 01. des Folgemonats einen Betrag in Höhe von € 212,36 brutto zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag von € 1.486,52 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz

- auf den Betrag in Höhe von € 212,36 ab dem 02. Februar 2021,

- auf den Betrag in Höhe von € 212,36 ab dem 02. März 2021,

- auf den Betrag in Höhe von € 212,36 ab dem 02. April 2021,

- auf den Betrag in Höhe von € 212,36 ab dem 02. Mai 2021,

- auf den Betrag in Höhe von € 212,36 ab dem 02. Juni 2021,

- auf den Betrag in Höhe von € 212,36 ab dem 02. Juli 2021 und

- auf den Betrag in Höhe von € 212,36 ab dem 02. August 2021,

zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Berechnungsgrundlage für die Ansprüche des Klägers auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung.

Der Kläger war vom 01. Februar 1988 bis zum 30. Juni 2017 bei der P. GmbH (im Folgenden: "P.") beziehungsweise deren Vorgängerin - der T. AG - beschäftigt. Im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses wurde dem Kläger einzelvertraglich eine Direktzusage für eine betriebliche Altersversorgung auf Grundlage der Richtlinien für die Gewährung von Alters-, Dienstunfähigkeits- und Hinterbliebenen-Unterstützung durch die Angestellten-Versorgung der T1. e.V. in der Fassung vom 25. April 1990 (im Folgenden: "TA ALT", Anlage K 1 = Bl. 9 ff. d.A.) erteilt. Nach § 12.1 lit a) der TA ALT stellt das anrechenbare monatliche Arbeitseinkommen die Grundlage für die Berechnung der betrieblichen Altersunterstützung nach Maßgabe von § 16.1 der TA ALT dar. Das anrechenbare monatliche Arbeitseinkommen ist in § 13.1 der TA ALT als "das zuletzt bei der T. bezogen...

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