Entscheidungsstichwort (Thema)

Kürzung von Kündigungsfristen durch Tarifvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. In einem Tarifvertrag können für den Fall der Anwendung von Sozialplänen Kündigungsfristen vorgesehen werden.

2. Die Wirksamkeit einer solchen Tarifregelung ist nicht von einem bestimmten Sozialplaninhalt abhängig.

3. Die Anwendung eines Sozialplans kann sachlicher Rechtfertigungsgrund für unterschiedlich lange tarifliche Kündigungsfristen sein.

 

Normenkette

BGB § 622; AGG § 7; GG Art. 3, 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3; RTV-TA Kaibetriebe § 15 Nr. 1 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 21.06.2017; Aktenzeichen 27 Ca 524/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 24.10.2019; Aktenzeichen 2 AZR 253/18)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg, Az. 27 Ca 524/16, vom 21. Juni 2017 wird teilweise, und zwar hinsichtlich der Anträge zu 1. und 2. aus der Berufungsbegründung vom 13. Oktober 2017, zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Zeitpunkt der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch ordentliche betriebsbedingte Kündigung der Beklagten und darüber, ob dem Kläger ein Anspruch auf Abfindung aus einem durch Spruch einer Einigungsstelle zustande gekommenen Sozialplan zusteht.

Die Beklagte betrieb bis zum 31. Dezember 2016 auf dem Gelände "A." am Hamburger Hafen einen Terminalbetrieb (Umschlagplatz für Container und Stückgut) mit mehr als 10 Arbeitnehmern in Vollzeit. Bei ihr war ein Betriebsrat gewählt.

Der am xx.xxx 1955 geborene, verheiratete und keinem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger war bei der Beklagten seit dem 15. Mai 1986 als technischer Angestellter zuletzt zu einem regelmäßigen Bruttomonatsgehalt von EUR 6.677,54 beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Rahmentarifvertrag für die technischen Angestellten in den Stückgut-Kaibetrieben (im Weiteren: "RTV TA Kaibetriebe") Anwendung. Der RTV TA Kaibetriebe gültig ab 1. Mai 1992 enthält in der Fassung vom 6. Mai 2003 für Kündigungsfristen unter § 15 Ziff. 1 die folgenden Regelungen:

Für die Kündigung gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen.

Bei 15jährigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses beträgt die beiderseitige Kündigungsfrist neun Monate zum Ende eines Kalenderhalbjahres, wenn der Arbeitnehmer das 50. Lebensjahr vollendet hat.

Soweit Sozialpläne abgeschlossen wurden, beträgt die Kündigungsfrist einen Monat zum Monatsende.

In einer Auskunft des Zentralverbandes der Deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) mit Schreiben vom 1. Dezember 1994 (vgl. Anlage Bf 4, Blatt 414 f. der Akten) anlässlich eines Auskunftsersuchen des Arbeitsgerichts Hamburg (Anlage Bf 3, Blatt 413 der Akten) heißt es zu einer inhaltsgleichen Regelung im Rahmentarifvertrag für die Hafenarbeiter der Deutschen Seehafenbetriebe u.a.:

Die Tarifvertragsparteien waren sich einig, dass bei Erweiterung des Kündigungsschutzes für Arbeitnehmer mit mehr als 15-jähriger Betriebszugehörigkeit im Fall konjunkturbedingter Entlassungen die Möglichkeit eröffnet werden müsse, auch längere Beschäftigungsverhältnisses mit einer verkürzten Kündigungsfrist wie sie bereits für 5-järhige Betriebszugehörigkeit bestand, beenden zu können, wenn diese im Rahmen der Anwendung eines hierfür abgeschlossenen Sozialplanes erfolgt. Die Voraussetzung der Anwendung eines abgeschlossenen Sozialplans kann nur so interpretiert werde, dass die Tarifvertragsparteien den Schutz länger beschäftigter Arbeitnehmer mit Abschluss eines Sozialplans hinreichend gewährleistet sahen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien auch davon ausgingen, dass ein Arbeitnehmer Vorteile aus einem Sozialplan erhalten würde.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 24. November 2016 (Anlage K 1, Blatt 13 der Akten), dem Kläger am selben Tag zugegangen, zum 31. Dezember 2016.

Die Beklagte hatte bereits mit Gesellschafterbeschluss vom 19. Februar 2016 die unternehmerische Entscheidung getroffen, ihren einzigen Betrieb zum 31. Dezember 2016 zu schließen und allen Mitarbeitern zu kündigen, nachdem der Pachtvertrag für die Nutzung ihres Betriebsgeländes zu diesem Stichtag auslief und sowohl eine Laufzeitverlängerung nicht zustande kam als auch eine Ausweichfläche nicht gefunden werden konnte.

Wie dem Kläger wurde sämtlichen Mitarbeitern unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende gekündigt, nachdem am 14. September 2016 Verhandlungen über einen Interessenausgleich zwischen den Betriebsparteien gescheitert waren und am gleichen Tag gegen die Stimmen des Betriebsrats durch Spruch der Einigungsstelle ein Sozialplan beschlossen wurde (vgl. Anlagen B 2 und B 3, Blatt 126 und 140 der Akten).

Der Sozialplan, der vom Betriebsrat angefochten wurde (das Beschlussverfahren ist bislang nicht rechtskräftig abgeschlossen), sieht u.a. einen Ausschluss von rentennahen Arbeitnehmern von Sozialplanleistungen, insbesondere einer Abfindung vor. Insowei...

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