rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Blankettverweisung auf anderen Tarifvertrag

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Verweisung in § 20 Abs. 1 TV Servicebetriebe LBK auf den MTV Arbeiter II und den diesen Tarifvertrag ändernden, ergänzenden und ersetzenden Tarifverträgen handelt es sich um eine im Grundsatz zulässige Blankettverweisung.

2. Eine am Sinn und Zweck der Regelung und den grundrechtlichen Vorgaben orientierte Auslegung des § 20 Abs. 1 TV Servicebetriebe LBK führt zu dem Ergebnis, dass die Blankettverweisung den Arbeitgeber nur an solche Tarifverträge binden sollte, die während seiner Mitgliedschaft zum tarifschließenden Verband AVH abgeschlossen werden.

 

Normenkette

TVG § 3 Abs. 1; BGB §§ 133, 157; TV Servicebetriebe LBK § 20 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 08.05.2009; Aktenzeichen 27 Ca 510/08)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 22.02.2012; Aktenzeichen 4 AZR 8/10)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 08. Mai 2009 – AZ: 27 Ca 510/08 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der von der Beklagten an die Klägerin zu leistende Jahressonderzahlung für das Jahr 2007.

Die gewerkschaftsangehörige Klägerin ist seit dem 01. März 1995 als Arbeitskraft im Reinigungsdienst bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Grundlage der vertraglichen Beziehungen ist der am 01. März 1995 abgeschlossene Arbeitsvertrag (Anlage K 1), in dem in § 2 folgendes vereinbart ist:

„Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Mantel-Tarifvertrag für Arbeiter der Länder (MTL II) vom 27.02.1964 und den diesen ergänzenden, ändernden und ersetzenden Tarifverträgen.”

Zu den auf das Arbeitsverhältnis angewendeten Tarifverträgen gehörte der Tarifvertrag über eine Zuwendung für Arbeiter vom 12. Oktober 1973 (zuletzt in der Fassung des „Tarifvertrages vom 30. Juni 2000 zur Änderung der

Zuwendungstarifverträge”, Anlage K 5, im Folgenden: Zuwendungstarifvertrag).

Für die Servicebetriebe des LK. Hamburg, damit auch für die Rechtsvorgängerin der Beklagten, wurde der Manteltarifvertrag für Arbeiter der Länder (MTL II) durch den am 01. Januar 2000 in Kraft getretenen Tarifvertrag für Arbeitnehmer und Servicebetriebe des LK. Hamburg ergänzt (im Folgenden: TV Servicebetriebe LBK). In diesem Tarifvertrag ist in § 20 Abs. 1 folgendes bestimmt (vgl. Anlage K2):

„Für Arbeitnehmerinnen, die vor dem 01.01.2000 eingestellt worden sind, auf deren Arbeitsverhältnis der MTV Angestellte oder der MTV Arbeiter II Anwendung gefunden hat und die von diesem Zeitpunkt an unter den Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fallen (übergeleitete Arbeitnehmerinnen), werden der MTV Angestellte bzw. der MTV Arbeiter II sowie die diese ändernden, ergänzenden und ersetzenden Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung weiterhin angewendet.”

Mit einem undatierten Kündigungsschreiben kündigte die Beklagte die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband „Arbeitsrechtliche Vereinigung Hamburg e.V.” (im Folgenden: AVH) zum 30. Juni 2005. Der AVH erteilte eine Empfangsbestätigung mit dem Datum „31.03.2005” (Anlage B 3).

Der MTV II wurde durch den am 19. September 2005 unterzeichneten und am 1. Oktober 2005 in Kraft getretenen Tarifvertrag AVH ersetzt (vgl. § 2 Abs. 1 i. V. m. Anlage 1 Teil A des TV-Überleitung AVH vom 19.09.2005 Anlage B 4). § 20 des Tarifvertrages AVH lautet:

„Jahressonderzahlung

(1) Beschäftigte, die am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis stehen, haben Anspruch auf eine Jahressonderzahlung.

(2) Die Jahressonderzahlung beträgt bei Beschäftigten

in den Entgeltgruppen 1 bis 8

90 v.H.,

in den Entgeltgruppen 9 bis 12

80 v.H.,

in den Entgeltgruppen 13 bis 15

60 v.H.

des der/dem Beschäftigten in den Kalendermonaten Juli, August und September durchschnittlich gezahlten monatlichen Entgelts; (…)”

Die Klägerin ist in Entgeltgruppe 2a eingruppiert. Ausweislich der Entgeltabrechnung für November 2007 (Anlage K 4) zahlte die Beklagte an die Klägerin für 2007 eine Sonderzuwendung in Höhe von 1.200,31 brutto. Dies entsprach 83,79 % ihres monatlichen Entgelts und hatte seinen Rechtsgrund in dem Zuwendungstarifvertrag vom 12. Oktober 1973.

Mit Schreiben vom 28. Mai 2008 forderten die ehemaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Beklagte erfolglos zur Zahlung weiterer 6,21 % des Bruttoentgelts, also weiterer EUR 88,96 brutto, unter Fristsetzung bis zum 15. Juli 2008 auf.

Mit ihrer am 11. Dezember 2008 eingegangenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie hat vorgetragen, der Tarifvertrag über die Zuwendung für Arbeiter vom 12. Oktober 1973 in der Fassung des Tarifvertrages vom 30.06.2000 sei durch den Tarifvertrag AVH abgelöst worden. Daher stünden ihr nicht nur die gezahlten 1.200,31 EUR, also 83,79 % des Monatslohns, sondern 90 % zu. Zum einen sei der Tarifvertrag AVH aufgrund der Individualabrede anwendbar. Es handele sich bei der Abrede nicht um eine Gleichstellungsabrede. Eine Auslegung führe vielmehr zu einem anderen Ergebnis. Be...

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