Entscheidungsstichwort (Thema)

Normsetzungskompetenz der Tarifvertragsparteien betreffend Betriebsrentner

 

Leitsatz (amtlich)

Die Tarifvertragsparteien können tarifliche Versorgungsansprüche auch für Betriebsrentner mit normativer Wirkung zu deren Gunsten aber auch zu deren Ungunsten abändern. Es gilt insoweit die sogenannte Zeitkollisionsregel, nach der der nachfolgende Tarifvertrag den vorangegangenen ablöst. Die ablösenden Tarifverträge sind von den Gerichten nur darauf zu überprüfen, ob sie gegen das Grundgesetz, gegen zwingendes Gesetzesrecht, gegen die guten Sitten oder tragende Grundsätze des Arbeitsrechts verstoßen.

 

Normenkette

TVG § 1 Abs. 1; BetrAVG §§ 5, 16

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 17.10.1988; Aktenzeichen 3 Ca 359/87)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 17. Oktober 1988 – 3 Ca 359/87 – wird zurückgewiesen.

Der in der Berufungsinstanz hilfsweise gestellte Klagantrag wird abgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob sich die Betriebsrentenansprüche des Klägers nach dem bei der Beklagten geltenden Betriebsrenten-Tarifvertrag in der bei Eintritt des Klägers in den Ruhestand am 1. August 1981 geltenden Fassung vom 13. April 1976 bestimmen oder nach der durch den Tarifvertrag vom 19. Dezember 1985 geänderten Fassung, durch die die Betriebsrentenansprüche gekürzt worden sind.

Der Kläger war vom 5. Januar 1954 bis zum 31. Juli 1981 bei der Beklagten beschäftigt. Er ist seit dem Eintritt bei der Beklagten Mitglied der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (im folgenden: ÖTV). Bei Beginn des Arbeitsverhältnisses galt bei der Beklagten der zwischen dieser und der ÖTV abgeschlossene Rahmentarifvertrag vom 1. Juni 1952 (Anlage B 2, Bl. 43 ff. d.A.). Gemäß § 24 dieses Rahmentarifvertrages wird den Arbeitern der Beklagten nach den „Normen für die Gewährung einer zusätzlichen Versorgung an die Bediensteten der HHLA” ein betriebliches Ruhegeld gewährt (Anlage B 4, Bl. 47 ff. d.A.). In der Folgezeit sind die „Normen für die Gewährung einer zusätzlichen Altersversorgung an die Bediensteten der HHLA” zunächst ersetzt worden durch die zwischen der ÖTV und der Beklagten vereinbarten „Richtlinien über die Gewährung einer zusätzlichen Altersversorgung an die Arbeitnehmer der HHLA und ihrer Hinterbliebenen”. Mit Wirkung vom 1. Januar 1977 erhielten die „Richtlinien” die Bezeichnung „Betriebsrenten-Tarifvertrag der HHLA” (vgl.: Ergebnisprotokoll über die Tarifverhandlung zwischen der HHLA und der ÖTV vom 13. April 1976, Anlage B 7, Bl. 58 d.A.).

Seit seinem Ausscheiden bei der Beklagten bis zum 31. Dezember 1985 erhielt der Kläger das betriebliche Ruhegeld auf der Grundlage des zwischen der ÖTV und der Beklagten abgeschlossenen Betriebsrenten-Tarifvertrages vom 13. April 1976, gültig ab 1. Januar 1977 (im folgenden: BR-TV 1976). Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten kündigte die Beklagte den BR-TV 1976 zum 31. Dezember 1983. Nach etwa zweijährigen Verhandlungen vereinbarten die ÖTV und die Beklagte unter dem 19. Dezember 1985 einen neuen Betriebsrenten-Tarifvertrag, gültig ab dem 1. Januar 1986 (im folgenden: BR-TV 1985). Nach dem BR-TV 1976 betrug die Betriebsrente gestaffelt nach Dienstjahren ab 35 Dienstjahren 75 % des ruhegeldfähigen Betrages, der der aufgrund der letzten Eingruppierung bezogenen monatlichen Normalarbeitszeitvergütung entsprach. Die Betriebsrente war jeweils entsprechend der Anhebung der Bezüge der aktiven Mitarbeiter anzupassen. Auf die Betriebsrente waren Renten des Arbeitnehmers aus der Rentenversicherung anzurechnen. Durch den BR-TV 1985 haben die Tarifvertragsparteien in Anlehnung an die Kürzung der betrieblichen Altersversorgung für den öffentlichen Dienst durch entsprechende Änderungen der Zusatzversorgungstarifverträge und für Arbeitnehmer der Freien und Hansestadt Hamburg des Hamburgischen Ruhegeldgesetzes durch das 9. Gesetz zur Änderung des Ruhegeldgesetzes vom, 5. Dezember 1984 (Hamburgisches Gesetz und Verordnungsblatt Teil 1, S. 255) eine Gesamtversorgungsobergrenze entsprechend einem dienstzeitabhängigen Prozentsatz des fiktiven Netto-Normalarbeitszeitentgelts eingeführt, der bei 35 Dienstjahren 92,5 % des Netto-Normalarbeitszeitentgelts beträgt. In einer Übergangsregelung in § 25 BR-TV 1985 ist für bei Inkrafttreten des Tarifvertrages vorhandene Betriebsrentner bestimmt, daß der Betrag, um den die bisherige Betriebsrente, die sich nach der neuen Rentenformel ergebende Betriebsrente übersteigt, zunächst als Ausgleichsbetrag weitergezahlt wird, aber an künftigen Anpassungen der Betriebsrente nicht teilnimmt. Der Ausgleichsbetrag wird dann bei jeder nach dem 1. Januar 1986 durchzuführenden Anpassung um den Dynamisierungszuwachs der Betriebsrenten abgebaut (§ 25 Ziff. 1 BR-TV 1985). Gemäß § 25 Ziff. 3 BR-TV 1985 ist für die am 1. Januar 1986 vorhandenen Betriebsrenten-Anwärter für den Zeitpunkt des Rentenbeginns die Betriebsrente sowohl nac...

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