Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsmißbräuchliche Berufung auf ein Arbeitsverhältnis

 

Leitsatz (amtlich)

Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist für die Frage, ob ein Arbeitsverhältnis vorgelegen hat oder ein freies Mitarbeiterverhältnis, die tatsächliche Durchführung maßgebend.

Ein Diestnehmer handelt nicht schon dann rechtsmißbräuchlich, wenn er jahrelang selbst die Vorstellung hatte, freier Mitarbeiter zu sein, und ihm bei Vertragsabschluß die finanziellen Vorteile auch willkommen waren.

Entscheidend ist, daß der Dienstnehmer nicht darauf bestanden hat, nur als freier Mitarbeiter tätig zu werden, und daß der Dienstgeber ihm auch keinen Arbeitsvertrag angeboten hat.

Der vom BAG am 11. Dezember 1996 (5 AZR 708/95) entschiedene Fall, wo sich der Dienstnehmer jahrelang allen Versuchen des Dienstgebers widersetzt hat, zu ihm in ein Arbeitsverhältnis zu treten, ist wertungsmäßig mit dem vorliegenden nicht vergleichbar.

 

Normenkette

BGB § 242; KSchG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 23.10.1997; Aktenzeichen 1 Ca 556/96)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 21.06.2000; Aktenzeichen 5 AZR 782/98)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten und die Anschlußberufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 23. Oktober 1997 – 1 Ca 556/96 – werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 1/3, die Beklagte 2/3.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in erster Linie darüber, ob der Kläger für die Beklagte als Arbeitnehmer oder als freier Mitarbeiter tätig gewesen ist.

Die beklagte GmbH betreibt eine Autowerkstatt und einen Handel mit neuen und gebrauchten Autos. Sie beschäftigt in der Regel mehr als fünf Arbeitnehmer. Der heute 47 Jahre alte Kläger war auf der Grundlage des Vertrags vom 1. Februar 1990 als Gebrauchtwagenverkäufer für die Beklagte tätig (Bl. 4 d. A.). Der vom Steuerberater der Beklagten formulierte Vertrag hat folgenden Wortlaut (Bl. 4 d. A.):

„Vereinbarung über freie Mitarbeit.

Zwischen (der Beklagten) und (dem Kläger) wird folgende Vereinbarung über freie Mitarbeit geschlossen.

  1. (Der Kläger) verkauft für (die Beklagte) Neu- und Gebrauchtfahrzeuge. Vollmacht wird hiemit erteilt.
  2. (Der Kläger) kann seine Arbeitszeit frei nach Abstimmung mit der Geschäftsführung gestalten.

Provisionsregelung:

a) Neuwagengeschäfte

10 %

vom Nettoerlös.

b) Gebrauchtwagen:

3 %

vom Netto-Verkaufspreis abzgl. Gebrauchtwg.

c) Agenturen:

3 %

vom Netto-Verkaufspreis abzgl. Gebrauchtwg.

(Bei Inzahlungnahme bzw. agenturweiser Hereinnahme von Gewbrauchtwagen wird die Provision nach der Differenz zwischen Nettoerlös und Nettoeinkaufspreis bzw. unterer Preisgrenze bemessen.)

Als mtl. Mindestprovision wird ein Betrag von DM 2.000,– (einschl. Umsatzsteuer) vereinbart.

Für Krankheits- und Urlaubstage erfolgt keine Vergütung.

(Der Kläger) versichert, daß er ggü. dem zuständigen Finanzamt zur Umsatzsteuer optiert u. seinen steuerlichen Verpflichtungen, insbesondere zur Anmeldung u. Abführung der Umsatzseuter nachkommen wird.

Hamburg, den 1. Februar 1990 (…)”

Mit Schreiben vom 30. Oktober 1996 kündigte die Beklagte dem Kläger zum 31. Dezember 1996. Ob diese Kündigung dem Kläger noch am 30. Oktober 1996 zuging oder erst im November 1996, ist streitig. Der Kläger will erst Anfang November das Kündigungsschreiben erhalten haben, frühestens jedoch am Morgen des 31. Oktober beim Entleeren des Briefkastens. Unstreitig kehrte der Kläger Ende Oktober 1996 von einem mehrwöchigen Auslandsaufenthalt in den USA zurück, und unstreitig führte die Beklagte am 30. Oktober 1996 mit dem Kläger ein längeres Gespräch.

Das Kündigungsschreiben lautet wie folgt (Bl. 5–6 d. A.):

„… hiermit kündigen wir den Vertrag über freie Mitarbeit vom 01.02.1990 zum 31.12.1996. Selbstverständlich werden Sie bis zum Vertragsende die vereinbarten Provisonszahlungen erhalten.

Zu der Kündigung sehen wir uns aus folgenden Gründen genötigt:

  1. Es liegen außerordentlich große Mengen von Pfändungen Ihrer Provionsansprüche vor. Die Bearbeitung derartiger Pfändungen verursacht in unserem Geschäftsbetrieb ganz erhebliche Reibungsverluste, da Mitarbeiterinnen mit den anfallenden Berechnungen und erheblicher Korrespondenz zusätzlich belastet werden.
  2. Sie haben Ihren Führerschein bereits vor einigen Monaten verloren, uns gegenüber erklärt, Sie würden diesen kurzfristig zurückerhalten, was offenbar bisher jedoch nicht geschehen ist. Sie sind daher nicht in der Lage, den Kunden Kraftfahrzeuge vorzuführen und Fahrzeuge außerhalb des Betriebsgeländes zu fahren. Da Ihnen bekannt ist, daß die Fahrerlaubnis zentraler Bestandteil Ihrer beruflichen Tätigkeit ist, halten wir das alkoholisierte Fahren, dessen Sie beschuldigt worden sind, für einen grob fahrlässigen Verstoß auch gegen Ihre Verpflichtungen als freier Mitarbeiter in unserem Betrieb.
  3. Sie sind – wenn auch nicht rechtskräftig – vom Amtsgericht verurteilt worden, an einem Diebstahl unserer Pkw beteiligt gewesen zu sein. Wenn auch die Verurteilung nicht rechtskräftig ist, so bleibt zum...

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