Entscheidungsstichwort (Thema)

Freistellung von Schulungskosten für Seminarteilnahme zu Themen des Arbeitsschutzes bei laufendem Einigungsstellenverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Anlässlich eines Einigungsstellenverfahrens zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG umfasst der Beurteilungsspielraum des Betriebsrates grundsätzlich die Entscheidung, ein Mitglied des Gremiums zu einer Spezialschulung zu entsenden und zwar auch dann, wenn die übrigen Mitglieder bereits Grundlagenschulungen zur Gefährdungsbeurteilung absolviert haben.

2. Aus der Rechtsnatur der Einigungsstelle, der Funktion der Beisitzer und ihrer Position gegenüber dem Betriebsrat folgt, dass sich der Betriebsrat nicht auf das Expertenwissen der von ihm entsandten externen Beisitzer beschränken muss.

3. Personenidentität von Einigungsstellenbeisitzern und Schulungsreferenten zu dem gleichen Thema verstößt nicht gegen Grundsätze der Offenheit und Ehrlichkeit; auch insoweit ist der Beurteilungsspielraum des Betriebsrates rechtlich nicht eingeschränkt.

4. Insbesondere in einem Betrieb mit einer Vielzahl von Bildschirmarbeitsplätzen ist es erforderlich, dass der Betriebsrat die nötigen Kenntnisse für eine gewissenhafte Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben im Arbeits- und Gesundheitsschutz besitzt; die Teilnahme an entsprechenden Schulungen ist die notwendige Voraussetzung für die Gewährleistung des nötigen Kenntnisstandes.

 

Normenkette

BetrVG § 2 Abs. 1, § 37 Abs. 6, § 40 Abs. 1, § 76 Abs. 5 S. 3, § 87 Abs. 1 Nr. 7; ArbSchG § 5

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 01.12.2011; Aktenzeichen 15 BV 18/11)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 01. Dezember 2011 - 15 BV 18/11 - abgeändert:

Die Beteiligte zu 2 wird verpflichtet, den Beteiligten zu 1 von Schulungskosten in Höhe von € 1.654,10 gemäß Rechnung des Anbieters FO A. vom 20. Oktober 2010, freizustellen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Arbeitgeberin den Betriebsrat von Schulungskosten freizustellen hat.

Die Antragsgegnerin ist ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit und betreut etwa 9,5 Millionen Kunden in nahezu allen Versicherungszweigen. Sie unterhält 38 Betriebe, in denen die Beschäftigten im Wesentlichen Bildschirmarbeit erbringen.

Der Antragsteller ist der am Standort Ha. gebildete Betriebsrat, der aus sieben Mitgliedern besteht.

Im Betrieb Ha. existiert seit dem Monat April 2009 eine Einigungsstelle zum Thema Gefährdungsbeurteilung mit drei Beisitzern je Seite. Als Mitglied des Betriebsrates ist Frau H. Sch. entsandt. Bei den beiden externen Beisitzern des Betriebsrats handelt es sich um die in diesem Thema spezialisierten Experten, Frau B. und Herrn Rechtsanwalt J. Gä.. Das Einigungsstellenverfahren ist zum Zeitpunkt der Anhörung vor der Beschwerdekammer noch nicht abgeschlossen. Im Gegenteil hat sich mittlerweile eine Arbeitsgruppe gebildet, die sich - ebenso wie die Einigungsstelle - mit den verschiedenen Verfahren einer Gefährdungsbeurteilung beschäftigt. An dieser Arbeitsgruppe nimmt Frau Sch. teil.

Auf seiner Sitzung am 31. August 2010 fasste der Antragsteller nach Prüfung vergleichbarer Angebote anderer Schulungsträger den Beschluss, das Betriebsratsmitglied H. Sch. am Seminar "Verfahren für die Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG" in Hamburg, Veranstalter Fo.A., Zeitraum 18. Oktober 2010 - 20. Oktober 2010 teilnehmen zu lassen (Anlagenkonvolut Bl. 36 ff). Die hierbei zu beachtenden Formalien - wie auch die Formalien zur Durchführung vorliegenden Verfahrens - sind zweitinstanzlich im Hinblick auf die eingereichten Unterlagen nicht mehr im Streit, es wird auf den angefochtenen Beschluss (S. 3, 4, Bl. 57, 58 d.A.) Bezug genommen.

Frau H. Sch., die auch seit 6 Jahren Mitglied des Arbeitsschutzausschusses ist, nahm entsprechend dem gefassten Beschluss an der Schulung der Fo. A. in Ha. teil, in der nach dem Einladungsschreiben (Anlage A 1, Bl. 5 d. A.) anhand einer Checkliste Verfahren zur Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen beurteilt und die Stärken und Schwächen im Hinblick auf die Durchführbarkeit und Praktikabilität herausgearbeitet wurden, wobei den Teilnehmern bekannte Verfahren berücksichtigt werden konnten. Es handelte sich um ein Aufbauseminar, die Teilnahme an dem Grundlagenseminar "Gute Arbeit mitbestimmen - Grundlagen der Mitbestimmung im Gesundheitsschutz gemäß BAG-Rechtsprechung" und dem Aufbauseminar "Gefährdungsbeurteilung nach BAG-Entscheidung - Ausgestaltung der Mitbestimmung gemäß Rechtsprechung vom 8. Juni 2004" war erwünscht. Frau Sch. hat - ebenso wie alle anderen Betriebsratsmitglieder - eine Grundlagenschulung zur Gefährdungsbeurteilung besucht, zusätzlich - nach Angaben der Antragsgegnerin - eine Aufbauschulung.

Referenten waren Frau Ma-Sch. und Herr Rechtsanwalt Gä..

Für die Seminarteilnahme stellte die Fo.A. dem Betriebsrat am 20. Oktober 2010 € 1.654,10 in Rechnung (Anlage A 2, Bl. 7 d. A.). Die Antragsgegnerin lehnte...

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