Entscheidungsstichwort (Thema)

Offensichtliche Unzuständigkeit einer Einigungsstelle zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei teilweiser Überschneidung der Regelungsbefugnis mit bereits bestehender Einigungsstelle zur Organisation des Gesundheitsschutzes

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Einigungsstelle ist offensichtlich unzuständig i.S.v. § 99 ArbGG, wenn sie für einen Regelungsgegenstand eingesetzt werden soll, der jedenfalls teilweise mit demjenigen einer bereits bestehenden Einigungsstelle identisch ist.

Das ist der Fall, wenn der Regelungsgegenstand der bereits bestehenden Einigungsstelle eine Regelung des Gegenstandes erlauben würde, den die neu beantragte Einigungsstelle regeln soll.

Die Befugnis der Einigungsstelle, unmittelbar und zwingend geltende Regelungen zu schaffen (§ 77 IV 1 BetrVG), macht es erforderlich, überschneidende Zuständigkeiten mehrerer Einigungsstellen bereits im Einsetzungsverfahren zu vermeiden.

Eine Abgrenzung der Zuständigkeit mehrerer Einigungsstellen zum gleichen Themenbereich kann nicht im Verfahren nach § 99 ArbGG erfolgen.

 

Normenkette

ArbGG § 81 Abs. 3, § 99; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 7, § 77 Abs. 4 S. 1; ArbGG § 98 Abs. 1 S. 2; ArbSchG § 3 Abs. 2, §§ 5, 12

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 11.11.2014; Aktenzeichen 5 BV 22/14)

 

Tenor

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 11.11.2014 (5 BV 22/14) wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Einsetzung einer Einigungsstelle.

Die Beteiligte zu 2) (i.F. Arbeitgeberin) betreibt mehrere, jeweils als eigenständige Betriebe organisierte Krankenhäuser in Hamburg. Der Beteiligte zu 1 (i.F. Betriebsrat) ist der in der Klinik S. gewählte Betriebsrat.

Am 04.11.2013 verständigten sich die Beteiligten in einem anderen Rechtsstreit (29 BV 26/13) auf die Einsetzung einer Einigungsstelle unter Vorsitz des RiArbG G. mit folgendem Regelungsgegenstand:

"Unterweisung der Beschäftigten (§ 12 ArbSchG), Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen (§ 5 ArbSchG), Regelungen der Anforderungen nach § 4 an die Arbeitsgestaltung und deren Umsetzung zur präventiven Gestaltung im Rahmen eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (§ 3 II ArbSchG) und Regelungen zur Organisation des Gesundheitsschutzes einschließlich der Vorkehrungen zur Einbeziehung von Führungskräften und Arbeitnehmern (§ 3 II ArbSchG)". Die Einigungsstelle hat bisher keine Regelung getroffen.

Mit Schreiben vom 12.09.2014 (Anl. A 2, Bl. 7ff d.A.) schlug der Betriebsrat der Arbeitgeberin mehrere Entlastungsmaßnahmen gemäß § 4 ArbSchG zur Verbesserung der aktuellen Personallage auf den Stationen des AK S. vor. Die Arbeitgeberin reagierte darauf nicht. Der Betriebsrat teilte der Arbeitgeberin daher mit Schreiben vom 25.09.2014 (Anl. A 3, Bl. 9 d.A.) mit, dass er beschlossen habe, die Einigungsstelle anzurufen.

Am 23.10.2014 hat der Betriebsrat beantragt,

1. zum unparteiischen Vorsitzenden einer Einigungsstelle zur Regelung von Maßnahmen der menschengerechten Gestaltung der Arbeit, einschließlich der Organisation eines entsprechenden Verbesserungsprozesses auf den Stationen, Herrn H., Richter am Arbeitsgericht Hamburg, zu bestellen.

2. Die Anzahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer auf jeweils drei festzusetzen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin hat die Ansicht vertreten, die Einigungsstelle sei offensichtlich unzuständig, weil der Regelungsgegenstand der nunmehr begehrten Einigungsstelle bereits von der Einigungsstelle unter dem Vorsitz von Herrn G. umfasst sei.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Betriebsrats zurückgewiesen. Zur Regelung der menschengerechten Gestaltung der Arbeit sei die Einigungsstelle zwar grundsätzlich zuständig. Die offensichtliche Unzuständigkeit ergebe sich im vorliegenden Fall jedoch daraus, dass der begehrte Regelungsgegenstand mit demjenigen einer bereits bestehenden Einigungsstelle teilweise identisch sei. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe unter II des angefochtenen Beschlusses (Bl. 41 - 44 d.A.) Bezug genommen.

Der am 11.11.2014 verkündete Beschluss des Arbeitsgerichts wurde dem Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats am 14.11.2014 zugestellt. Mit der am 26.11.2014 bei Gericht eingegangen und sogleich begründeten Beschwerde hat der Betriebsrat die Ansicht vertreten, das Arbeitsgericht habe den erstinstanzlich gestellten Antrag aufgrund seiner Formulierung möglicherweise missverstanden. Tatsächlich seien die Regelungsgegenstände beider Einigungsstellen, obwohl es in beiden um Fragen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes gehe, voneinander abgrenzbar. In der am 04.11.2013 eingesetzten Einigungsstelle gehe es um Regelungen der Anforderungen aus § 4 ArbSchG an die Arbeitsplatzgestaltung und deren Umsetzung zur präventiven Gestaltung im Rahmen eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses. Es handle sich hierbei um den sog. Planungsansatz, nach welchem der Arbeitgeber gemäß § 4 ArbSchG verpflichtet sei, bereits bei der Gestaltung ...

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