Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung des Arbeitsvertrages hinsichtlich der Bezugnahme auf den BAT

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Auslegung einer arbeitsvertraglichen Vergütungsvereinbarung als dynamische Verweisung auf das Vergütungssystem des BAT.

2. Zur Tarifsukzession im öffentlichen Dienst von BAT zu TVöD-VKA.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Erhält ein Arbeitnehmer nach dem Arbeitsvertrag "eine monatliche Vergütung der Gruppe: Kr I", so kann dies nur als Bezugnahme auf den BAT verstanden werden. Das gilt umso mehr, wenn dem Arbeitnehmer von Beginn an eine Vergütung exakt nach der Vergütungsgruppe Kr I des BAT gezahlt wurde.

2. Die so ermittelte vertragliche Regelung der Parteien ist durch die Nichtfortschreibung des BAT lückenhaft geworden. Diese Lücke ist nach der Tarifsukzession durch Anwendung des TVöD für den jeweiligen Bereich (hier: VKA) zu schließen.

 

Normenkette

BGB §§ 611, 133, 157

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Entscheidung vom 25.08.2016; Aktenzeichen 5 Ca 1525/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 11.04.2018; Aktenzeichen 4 AZR 312/17)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 25.08.2016 - 5 Ca 1525/16 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

    1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.391,63 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2016 zu zahlen.
    2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin ab dem 01.06.2016 nach der Entgeltgruppe 3a des TVöD für den Bereich der VKA (Kr-Anwendungstabelle Pflege) in einer individuellen Endstufe von zur Zeit 2.596,53 € zu vergüten.
    3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  • II.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

  • III.

    Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Kern über die Frage, ob sich der Entgeltanspruch der Klägerin aus einer arbeitsvertraglich vereinbarten dynamischen Verweisung auf das Vergütungssystem des TV-L bzw. des TVöD-VKA ergibt.

Die Klägerin ist seit dem 18.05.1987 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern als Pflegehelferin beschäftigt. Der letzte Arbeitsvertrag datiert auf den 09.02.1994. Dieser Vertrag, den die Klägerin mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten schloss, sieht unter anderem Folgendes vor:

§ 2 Vergütung

Der Mitarbeiter erhält eine monatliche Vergütung der Gruppe: Kr I

Monatslohn/Gehalt 3.273,12 DM

Stundenlohn 19,62 DM.

§ 3 Sonderzahlungen

In der Betriebsvereinbarung vom 17.02.1993, welche ein Bestandteil dieses Arbeitsvertrages ist, sind alle Sonderzahlungen geregelt.

§ 8 Betriebsvereinbarung

Die als Anlage beigefügte Betriebsvereinbarung vom 17.02.1993 ist Bestandteil des Arbeitsvertrages. Darüber hinaus gelten alle betrieblichen Regelungen, sofern in diesem Arbeitsvertrag keine andere Vereinbarung getroffen ist sowie die Bestimmungen des allgemeinen Arbeitsrechts.

Die in Bezug genommene Betriebsvereinbarung vom 17.02.1993 regelt - soweit hier von Interesse - auszugsweise Folgendes:

§ 2 Lohn- und Vergütungsrichtlinien

1. Für die Angestellten nach § 1 dieser Betriebsvereinbarung gelten analog die für die Angestellten des Bundes und der Länder vereinbarten Bestimmungen des Lohn- und Vergütungstarifvertrages - BAT - vom 11. Januar 1961.

2. Für die Arbeiter/-innen nach § 1 dieser Betriebsvereinbarung gelten analog die für die Arbeiter/-innen des Bundes und der Länder vereinbarten Lohntarifvertrages des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter vom 31. Januar 1962.

3. Für die Auszubildenden nach § 1 dieser Betriebsvereinbarung gelten analog die für die Auszubildenden des Bundes und der Länder vereinbarten Vergütungsregelungen des Manteltarifvertrages für Auszubildende vom 6. Dezember 1974.

4. Änderungen beziehungsweise Ergänzungen der Bestimmungen der Absätze 1, 2 und 3 treten zu dem Zeitpunkt in Kraft, in denen die Änderungen beziehungsweise Ergänzungen für Angestellte, Arbeiter/-innen und Auszubildende des Bundes und der Länder wirksam werden.

5. Absatz 4 gilt sinngemäß für die in den Absätzen 1, 2 und 3 genannten Bestimmungen, die außer Kraft treten.

In § 3 der Betriebsvereinbarung finden sich "Sonderregelungen" zu Krankenbezügen, Zuwendungen bei Heirat, Geburten, Jubiläen sowie im Todesfall des Arbeitnehmers, zur Weihnachtszuwendung, Urlaubsgeld, Dienstbefreiung an Rosenmontag und Zeitzuschlägen. Die Betriebsvereinbarung wurde mit Wirkung zum 31.12.2001 gekündigt.

Seit Beginn des Arbeitsverhältnisses erhielt die Klägerin durchgehend eine Vergütung auf Basis des BAT, und zwar zunächst nach der Vergütungsgruppe Kr I und nach Bewährungsaufstieg nach Kr II. Zum Zeitpunkt der Ablösung des BAT im Jahre 2006 zahlte die Beklagte an die Klägerin wegen der von ihr verrichteten Tätigkeiten auf Grundlage des BAT eine Vergütung nach BAT Kr II, Stufe 9. Auf die von der Klägerin vorgelegten Entgeltabrechnungen für Dezember 2005 und Dezember 2006, die einen Hinweis auf die Entgeltgruppe KR II, Stufe 9 enthalten, wird Bezug genommen.

Nach Außerkr...

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