Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsfolgen der Änderung eines vor dem 1.1.2002 geschlossenen Arbeitsvertrages mit als Gleichstellungsabrede auszulegender Bezugnahmeklausel. Rechtsfolgen einer Änderungskündigung hinsichtlich der Bezugnahmeklausel

 

Leitsatz (amtlich)

1. Kommt es in Arbeitsverhältnissen mit einer Bezugnahmeklausel, die vor dem 01.01.2002 vereinbart worden ist ("Altvertrag") und als Gleichstellungsabrede auszulegen ist, nach dem 31.12.2001 zu einer Arbeitsvertragsänderung, hängt die Beurteilung, ob es sich hinsichtlich dieser Klausel um einen Alt- oder Neuvertrag handelt, davon ab, ob die Klausel zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Parteien des Änderungsvertrages gemacht worden ist.

2. Das in einer Änderungskündigung enthaltene Angebot auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus mit konkreten Änderungen der Arbeitsbedingungen erfasst die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag nicht, wenn sich die Änderungen nicht erkennbar darauf beziehen sollen. Durch eine schlichte Annahme oder Vorbehaltsannahme des Angebotes wird die Bezugnahmeklausel nicht selbst zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung gemacht.

 

Normenkette

KSchG § 2; ZPO § 533; BGB § 305c Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 25.08.2016; Aktenzeichen 10 Ca 2714/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 27.03.2018; Aktenzeichen 4 AZR 208/17)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 25.08.2016 (10 Ca 2714/16) wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.
  3. Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über tarifliche Vergütungsansprüche.

Die Beklagte betreibt E.-G.-Shops an Flughäfen. Die am 06.03.1967 geborene Klägerin ist seit dem 01.04.1992 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, der Firma Gebr. I., beschäftigt. In dem Anstellungsvertrag vom 21.02.1992 finden sich unter anderem die folgenden Regelungen:

"1.Der Mitarbeiter wird ab dem 01.04.92 für I. im Angestelltenals Verkäuferin/Kassiererin tätig.

...

2.Das Anstellungsverhältnis richtet sich nach den Bestimmungen der Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel des Landes Nordrhein-Westfalen nebst Nachfolgeverträgen sowie etwaigen Betriebsvereinbarungen/-ordnungen in ihrer jeweils geltenden Fassung.

...

5.Der Mitarbeiter wird in die Gehaltsgruppe G II, Staffel 3.-5. J. d. T. des geltenden Gehaltstarifvertrages eingestuft (Tarifgehalt derzeit DM 2.706,--). Zusätzlich erhält der Mitarbeiter eine übertarifliche Zulage von DM 224,97 brutto; damit beträgt die vereinbarte Gesamtvergütung (nachfolgend kurz: Gehalt) monatlich DM 2.930,97 brutto. Das Gehalt wird bargeldlos zum Monatsende auf ein vom Mitarbeiter einzurichtendes Konto überwiesen."

(Die kursiv hervorgehobenen Textteile entsprechen den maschinenschriftlich eingetragenen Angaben in das verwendete Vertragsformular.) Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Anlage K 1, Blatt 69 ff. der Gerichtsakte, verwiesen.

Der bei Vertragsbeginn am 01.04.1992 noch geltende Gehaltstarifvertrag zwischen dem Einzelhandelsverband Nordrhein e.V. und der Gewerkschaft Handel, Bank und Versicherungen sowie der Deutschen Angestellten - Gewerkschaft vom 21.06.1991 (im Folgenden GTV 1991) enthielt in § 3 (Beschäftigungsgruppen) unter B. folgende Regelungen:

"... Gehaltsgruppe I

Angestellte mit einfacher kaufmännischer Tätigkeit

Beispiele: Verkäufer

Kassierer mit einfacher Tätigkeit

...

Gehaltsgruppe II

Angestellte mit einer Tätigkeit, die erweiterte Fachkenntnisse und eine größere Verantwortung erfordern.

Beispiele: Erste Verkäufer

...

Kassierer mit gehobener Tätigkeit

..."

Unter dem 21.12.1999 wurde die Klägerin mit folgender schriftlichen Vereinbarung (Blatt 247 der Gerichtsakte) zur Supervisorin ernannt:

"...

wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass wir Ihnen aufgrund Ihres hohen Engagements und der gezeigten guten Leistung zum 01. Dezember 1999 die Funktion einer Supervisorin zu übertragen.

Sie werden daher in die Tarifgruppe III, B. nach dem 5. Tätigkeitsjahr eingestuft. Gleichzeitig werden wir die übertarifliche Zulage mit dem Tarifsprung verrechnen. Das Entgelt setzt sich danach wie folgt zusammen:

Gruppe III, B. nach dem 5. Tätigkeitsjahr DM 4.659,00

Essensgeld DM 41,50

Mankogeld DM 15,00

Gesamtvergütung DM 4.715,50

========

Alle übrigen Punkte Ihres Dienstvertrages bleiben bestehen. ..."

Mit Schreiben vom 24.04.2009 kündigte die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Gebr. I. KG, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin ordentlich zum 31.10.2009 und bot ihr zugleich an, sie über diesen Termin hinaus zu veränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen. In dem Schreiben heißt es in diesem Zusammenhang konkret:

"Gleichzeitig bieten wir Ihnen an, Sie über diesen Termin hinaus nahtlos als Verkäuferin/Kassiererin weiterzubeschäftigen. Diese Position ist in die Tarifgruppe G1 eingruppiert. Da Sie bereits in die Tarifgruppe G2 eingruppiert gewesen sind, bevor Sie zur Supervisorin ernannt worden ...

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