Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang der Rechtskraft von Urteilen im Kündigungsschutzprozeß. ausnahmsweise Aufhebung und Zurückverweisung durch das Berufungsgericht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die in einem Urteil getroffene Feststellung, das Arbeitsverhältnis sei durch eine bestimmte Kündigung des Arbeitgebers nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgelöst worden, enthält zugleich die Feststellung, daß das Arbeitsverhältnis nicht durch andere Beendigungstatbestände früher oder zum selben Zeitpunkt aufgelöst worden ist. Die Folge davon ist, daß der Arbeitgeber sich nach Rechtskraft eines solchen Urteils nicht mehr auf frühere/andere Beendigungstatbestände berufen kann (BAG AP Nr. 17 zu § 4 KSchG 1969). Diese Folge tritt jedenfalls hinsichtlich früherer Beendigungstatbestände auch ein bei Abweisung einer Klage, gerichtet auf Feststellung, das Arbeitsverhältnis sei durch eine bestimmte Kündigung zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht aufgelöst worden.

2. Wird in einem arbeitsgerichtlichen Teilurteil ohne Entscheidung über frühere/andere Beendigungstatbestände festgestellt, das Arbeitsverhältnis sei durch eine bestimmte Kündigung zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht aufgelöst worden, so ist auf Berufung trotz § 68 ArbGG das arbeitsgerichtliche Teilurteil aufzuheben, die Sache an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen zwecks Entscheidung zunächst über frühere Beendigungstatbestände, weil der Mangel im Vorgehen des Arbeitsgerichts durch das Berufungsgericht nicht heilbar ist (im Anschluß an LAG Düsseldorf LAGE Nr. 8 zu § 611 BGB Abmahnung). Eine Aussetzung/Teilaussetzung ist nicht möglich wegen der dann nach wie vor gegebenen Bindung des Arbeitsgerichts an sein eigenes Urteil (§ 318 ZPO).

 

Normenkette

KSchG § 4; ZPO §§ 322, 318, 148; ArbGG § 68

 

Verfahrensgang

ArbG Wuppertal (Teilurteil vom 30.10.1996; Aktenzeichen 5 Ca 2903/96)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen dasTeil-Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 30.10.1996 – 5 Ca 2903/96 – wird zurückgewiesen, soweit sie sich richtet gegen die Feststellung, das Arbeitsverhältnis sei durch die fristlose Kündigung vom 17.06.1996 nicht fristlos aufgelöst worden.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 30.10.1996 – 5 Ca 2903/96 – aufgehoben und die Sache an das Arbeitsgericht Wuppertal zurückverwiesen hinsichtlich der Feststellung, das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung vom 17.06.1996 nicht fristgerecht zum 30.09.1996 aufgelöst worden.

Die Kosten der Berufung tragen die Beklagte zu 2/3 und der Kläger zu 1/3.

Die Revision wird zugelassen, soweit das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal aufgehoben und die Sache zurückverwiesen worden ist.

 

Tatbestand

Der am 29.12.1953 geborene Kläger – Grieche – ist auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags vom 28.01.1980, in dem unter anderem die Anwendbarkeit der Tarifverträge für die chemische Industrie vereinbart worden ist, seit dem 29.01.1980 als Arbeiter für die Beklagte tätig mit einem Monatseinkommen von zuletzt rund 4.300,00 DM brutto. Er ist nach seinen von der Beklagten inzwischen bezweifelten Angaben getrenntlebend verheiratet und sechs Kindern gegenüber zum Unterhalt verpflichtet.

Die Beklagte, die noch über 400 Arbeitnehmer beschäftigt, sprach mit Schreiben vom 22.10.1992 gegenüber dem Kläger einen Abmahnung aus wegen unerlaubten Verlassens des Arbeitsplatzes.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis zwischen ihr und dem Kläger durch Schreiben vom 14.06.1996 zum 30.09.1996 wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten.

Mit einem am 18.06.1996 zugegangenen Schreiben vom 17.06.1996 kündigte die Beklagte fristlos „zum 17. Juni 1996”, zugleich vorsorglich fristgerecht zum 30.09.1996.

Eine weitere „fristlose Kündigung zum 01. August 1996” sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger durch Schreiben vom 31.07.1996 aus, zugleich erfolgte in diesem Kündigungsschreiben vorsorglich eine fristgerechte Kündigung zum 31.12.1996.

Der Kläger greift alle diese Kündigungen mit seiner beim Arbeitsgericht Wuppertal erhobenen Klage nebst Klageerweiterung an, darunter die mit Schreiben vom 17.06.1996 ausgesprochenen Kündigungen durch die am 24.06.1996 beim Arbeitsgericht Wuppertal eingegangene Klage.

Der Kläger hat zu den unter dem 17.06.1996 ausgesprochenen Kündigungen folgendes vorgetragen:

Die Beklagte werfe ihm zu Unrecht vor, am 11.06.1996 unentschuldigt für mehrere Stunden – während des gesamten Vormittags – den Arbeitsplatz verlassen zu haben. Er sei an diesem Tag nur 15 Minuten beim Betriebsrat gewesen, um sich wegen der von der Beklagten geplanten krankheitsbedingten Kündigung zu informieren.

Weitere Vorwürfe der Beklagten zu einem Vorfall vom 09.05.1996 seien gleichfalls unzutreffend. An diesem Tag habe ein bei der Beklagten Abfallcontainer abholender Fahrer der Firma H. mit seinem LKW die Ausfahrt blockiert, als er – der Kläger – den Betrieb mit seinem Fahrzeug habe verlassen wollen. Er habe nun entgegen der Darstellung der Beklagten weder den Fahrer der Firma H. noch den Abteilungsmeister O. der B...

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