Leitsatz (amtlich)

Ist in einem Sozialplan festgelegt, daß der ausgeschiedene Arbeitnehmer als Abfindung sein bisheriges Durchschnittsnettoeinkommen unter Anrechnung von Leistungen der Arbeitsverwaltung erhalten soll, schuldet der Arbeitgeber regelmäßig die Abfindungszahlungen als Netto-Betrag. Daher ist er zum Ausgleich des Steuernachteils verpflichtet, der dem Arbeitnehmer dadurch entsteht, daß – nach Ausschöpfung der Freibeträge gemäß § 3 Nr. 9 EStG – die Abfindung steuerpflichtig wird und der veranlagte Arbeitnehmer aufgrund des Progressionsvorbehaltes gem. § 32 b EStG Einkommensteuer (für die Abfindung) nachzuzahlen hat.

 

Normenkette

BetrVG § 112; EStG § 3 Nr. 9, §§ 32b, 39b

 

Verfahrensgang

ArbG Duisburg (Urteil vom 22.02.1996; Aktenzeichen 4 Ca 3266/95)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 22.02.1996 wird kostenfällig zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Erstattung gegen ihn festgesetzter Einkommenssteuer. Er hatte neben Leistungen der Arbeitsverwaltung Sozialplan-Ausgleichszahlungen erhalten und diese gem. § 32 b EStG (Progressionsvorbehalt) versteuern müssen.

Der Kläger war beschäftigt bei der T. E. AG (nachfolgend: T.), der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Aufgrund betriebsbedingter Kündigung schied er zum 30.06.1989 unter Anwendung eines Sozialplans vom 13.04.1988 aus dem Arbeitsverhältnis aus.

Der Sozialplan bestimmt, soweit hier von Interesse, folgendes:

2.2. Vorzeitige Pensionierung

2.2.3 Finanzielle Absicherung ausscheidender Belegschaftsmitglieder (Abfindungszahlung)

Für die Zeit der Arbeitslosigkeit bis zum Zeitpunkt des Anspruchs auf vorgezogenes oder flexibles Altersruhegeld oder Erwerbsunfähigkeitsrente erfolgt eine Abfindungszahlung im Sinne der §§ 9 und 10 Kündigungsschutzgesetz, auf die das vom Arbeitsamt gezahlte Arbeitslosengeld bzw. die Arbeitslosenhilfe angerechnet werden. Das gleicht gilt, wenn Krankheitsgeld in Höhe des Arbeitslosengeldes bzw. Arbeitslosenhilfe gezahlt wird.

Die Leistung des Arbeitgebers umfaßt 93 % des sich aus dem Durchschnittsentgelt der letzten 6 abgerechneten Monate vor Ausscheiden auf Basis der tariflichen Arbeitszeit (einschließlich tariflicher vermögenswirksamer Leistungen) errechneten Nettomonatsentgelts.

Die sich hiernach ergebende Abfindungszahlung wird in monatlichen Teilbeträgen ab dem 1. Monat nach Ausscheiden gezahlt.

Auf die vom Arbeitgeber zu erbringende Leistung wird das monatliche Arbeitslosengeld/die monatliche Arbeitslosenhilfe angerechnet. Aus Gründen der Vereinfachung und Beschleunigung der Berechnung werden die monatlichen Leistungen des Arbeitsamtes zunächst grundsätzlich fiktiv ermittelt und bei Berechnung des im Einzelfall zur Auszahlung kommenden Betrages zugrunde gelegt.

Auf die Abfindung werden angerechnet:

  • Arbeitslosengeld
  • Arbeitslosenhilfe, soweit tatsächlich gezahlt
  • Renten aus der Sozialversicherung, soweit diese Renten im Zusammenhang mit dem vorzeitigen Ausscheiden beantragt wurden bzw. diesen gleichgestellte Bezüge
  • Werkrente.

In einer „Protokollnotiz zum Sozialplan vom 13. April 1988” legten die Betriebspartner unter Ziff. 5 fest:

Im Sozialplan wurde festgelegt, daß T. den vorzeitigen pensionierten Belegschaftsmitgliedern 93 % des Nettoeinkommens unter Berücksichtigung von öffentlichen Zahlungen ausgleicht. Sofern die betroffenen Belegschaftsmitglieder einen Teil dieser Abfindungsbeträge versteuern müssen, wird T. diese Beträge ausgleichen. Gleiches gilt auch für Zahlungen gemäß Ziffern 2.2.4, 2.2.6, 2.2.8.

Im Oktober 1988 gaben die T. „Erläuterungen zum Sozialplan” heraus, in denen es unter Ziffer 5 heißt: „Steuern für Beträge, die die jeweiligen Freibeträge nach § 3 Abs. 9 und 60 EStG übersteigen, werden seitens des Unternehmens übernommen.”

Nach seinem Ausscheiden bei der T. hatte der Kläger keine anderen Einkünfte als die Arbeitslosenunterstützung und die Abfindungszahlungen nach dem Sozialplan. Die Abfindungszahlungen erfolgten in Höhe der Differenz zwischen Arbeitslosenunterstützung und 93 % des früheren Nettoarbeitsentgelts. Nachdem die Steuerfreibeträge gem. § 3 Nr. 9 EStG ausgeschöpft waren, führte die Beklagte – zu eigenen Lasten – für die geleisteten Abfindungszahlungen die Lohnsteuer nach Maßgabe der Eintragungen auf der ihr vorliegenden Lohnsteuerkarte des Klägers ab.

Aufgrund der Einkommenssteuerveranlagung für das Jahr 1993 setzte das Finanzamt W. mit Bescheid vom 10.07.1995 gegen den Kläger eine Steuernachzahlung in Höhe von DM 855,– fest. Die Steuernachzahlung resultierte daraus, daß das Finanzamt wegen der fiktiven Berücksichtigung der bezogenen Arbeitslosenunterstützung für die Besteuerung der dem Kläger im Jahr 1993 geflossenen Abfindungsbeträge gem. § 32 b EStG den progressiven Steuersatz zur Anwendung brachte.

Der Kläger ist der Auffassung, daß Sozialplan und Protokollnotiz einen Nettoausgleich in Höhe von 93 % garantieren und daher die Beklagte die für die Abfindungszahlungen angefallene, gem. § 32 b EStG berechnete Einkommenssteuer zu übernehmen ...

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