Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewerberverfahrensanspruch. Anrechnung befristeter Vorbeschäftigungszeiten auf die Probezeit

 

Leitsatz (amtlich)

Das Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Art. 33 Abs. 2 GG ist verletzt, wenn der öffentliche Arbeitgeber für die Bewerbung von bereits beschäftigten Lehrkräften um eine Beförderungsstelle nur unbefristete und nicht auch befristete Vorbeschäftigungszeiten auf die geforderte Mindestprobezeit anrechnet.

 

Normenkette

GG Art. 33 Abs. 2; LVO NRW §§ 7, 39, 52

 

Verfahrensgang

ArbG Wuppertal (Urteil vom 14.01.2009; Aktenzeichen 3 Ca 2307/08)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 12.10.2010; Aktenzeichen 9 AZR 518/09)

 

Tenor

Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 14.01.2009 wird kostenfällig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

A. Die Parteien streiten im Rahmen eines von der Klägerin erhobenen Bewerberverfahrensanspruchs nach Art. 33 Abs. 2 GG darüber, ob – im Wege der fiktiven Nachzeichnung der beamtenrechtlichen Laufbahn – bei angestellten Lehrkräften nur Zeiten der unbefristeten Anstellung oder auch befristete Vorbeschäftigungen auf die für eine Beförderung vorausgesetzte Probezeit anrechenbar sind. Das beklagte Land verteidigt die Nichtberücksichtigung befristeter Beschäftigungsverhältnisse mit einer Gleichbehandlung der angestellten mit den beamteten Lehrkräften. Die Klägerin hält diese Handhabung im Licht des Art. 33 GG für sachwidrig, außerdem für diskriminierend und gemäß § 4 Abs. 2 Satz 3 TzBfG gesetzeswidrig.

Die Klägerin, am 08.04.1960 geboren, verfügt nach der am 08.11.1994 bestandenen Zweiten Staatsprüfung (Gesamtnote ‚sehr gut’) über die Lehrbefähigung für das Lehramt für die Sekundarstufe II.

Vom 01.08.1999 bis 17.07.2002 stand sie als vollzeitbeschäftigte Lehrerin in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis mit dem beklagten Land und war eingesetzt an einer Gesamtschule in Viersen. Zum 22.08.2005 trat sie erneut als Lehrerin in die Dienste des Landes und ist seither tätig als Lehrerin am C. Kolleg (Weiterbildungskolleg) in X.. Der Anstellung lag zunächst ein bis zum 31.01.2006 befristeter Arbeitsvertrag über 19 Unterrichtsstunden je Woche zugrunde, dann ein bis zum 31.01.2007 befristeter Arbeitsvertrag über eine Vollzeittätigkeit, der einverständlich zum 31.10.2006 aufgehoben und abgelöst wurde durch einen auf unbestimmte Zeit geschlossenen Arbeitsvertrag.

Im Oktober 2007 unterrichtete die Bezirksregierung Düsseldorf der Schulleitung des C. Kollegs darüber, dass u. a. die Klägerin zu den beförderungsfähigen Lehrkräften gehöre. Daraufhin bewarb sich die Klägerin unter dem 31.01.2008 fristgerecht auf die ausgeschriebene Stelle „Mitarbeit bei der Betreuung von Beratungs- und Förderungsmaßnahmen am C. Kolleg in X., Besoldungsgruppe A 14 Fn 2 LbesO bzw. 14 TV-L” (Bewerbungsschluss 18.02.2008).

In der Folgezeit teilte die Bezirksregierung Düsseldorf der Klägerin mit, dass ihre Bewerbung auf die Stelle nicht möglich sei, weil sie die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen nicht erfülle: Auch nach Kürzung der dreijährigen Regelprobezeit wegen des Prüfungsergebnisses „sehr gut” gemäß § 52 Abs. 1 i. V. m. § 7 Abs. 2 LVO NRW, der unterstellten besonderen Bewährung in der Probezeit sowie der nach § 52 i. V. m. § 7 Abs. 2 LVO NRW anrechenbaren Beschäftigungszeiten verbleibe die nach § 39 Abs. 4 LVO NRW zu leistende einjährige Mindestprobezeit, die mit Begründung des unbefristeten Anstellungsverhältnisses am 01.11.2006 begonnen und am 31.10.2007 geendet habe, sowie die anschließende einjährige Beförderungssperre nach § 25 Abs. 2 LBG NRW, § 10 Abs. 2 Buchst. b LVO NRW. Daher sei eine Beförderung erst ab dem 01.11.2008 möglich. Die gegenteilige Auskunft von Oktober 2007 habe auf einem Büroversehen beruht.

Die Klägerin wandte erfolglos ein, dass der befristete Vollzeit-Arbeitsvertrag ab dem 01.02.2006 auf die Mindestprobezeit anzurechnen und dementsprechend die Beförderungssperre 9 Monate früher abgelaufen sei; das Land habe sie nach ihrer – unstreitig rechtzeitigen – Bewerbung deshalb in das Auswahlverfahren um die ausgeschriebene Stelle miteinzubeziehen.

In einem von der Klägerin angestrengten einstweiligen Verfügungsverfahren (ArbG Wuppertal 3 Ga 18/08 = LAG Düsseldorf 2 SaGa 14/08) hat sich das beklagte Land verpflichtet, die ausgeschriebene Stelle bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Hauptsacheverfahrens nicht zu besetzen.

Auf die Ende Juli 2008 eingereichte Klage hat das Arbeitsgericht Wuppertal am 14.01.2009 das beklagte Land verurteilt, die Klägerin in das Auswahlverfahren um die ausgeschriebene Stelle einer Mitarbeiterin bei der Betreuung von Beratungs- und Fördermaßnahmen am C. Kolleg in Wuppertal, Besoldungsgruppe A 14 Fn 2 LBesO bzw. 14 TV-L mit einzubeziehen.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung greift das beklagte Land das Urteil, auf das hiermit zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes verwiesen wird, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht und unter...

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