Entscheidungsstichwort (Thema)

Diskriminierung wegen einer Behinderung durch Nichtberücksichtigung eines schwerbehinderten Stellenbewerbers im Rahmen eines mehrstufigen Auswahlverfahrens

 

Leitsatz (amtlich)

Wird ein schwerbehinderter Stellenbewerber bei einem mehrstufigen Auswahlverfahren nach dem Vorstellungsgespräch nicht mehr zu den weiteren Stufen des Auswahlverfahrens eingeladen, weil der Arbeitgeber sich nach dem Vorstellungsgespräch gegen den schwerbehinderten Stellenbewerber entschieden hat, lässt sich daraus nicht die Vermutung herleiten, der Stellenbewerber habe aufgrund seiner Schwerbehinderung keine weitere Berücksichtigung gefunden.

 

Normenkette

AGG § 15 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 15.11.2017; Aktenzeichen 3 Ca 2796/17)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 27.08.2020; Aktenzeichen 8 AZR 45/19)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 15.11.2017, 3 Ca 2796/17, wird zurückgewiesen.

  • II.

    Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

  • III.

    Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung zu zahlen.

Der am 17.06.1975 geborene, schwerbehinderte Kläger, der befristet bis zum 18.05.2017 als Referent im Landesjustizministerium NRW tätig war, bewarb sich mit Schreiben vom 21.11.2016 unter Hinweis auf seine Schwerbehinderung auf eine vom Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (im Folgenden: BLB NRW) ausgeschriebene Stelle zur "Fachbereichsleitung Marketing und Kommunikation in der Zentrale". Wegen des Inhalts des Bewerbungsschreibens wird auf Bl. 25 bis 26 der Akte und wegen des Inhalts der Stellenbeschreibung auf Bl. 23 bis 24 der Akte Bezug genommen.

Ausweislich einer vom beklagten Land zur Akte gereichten Email vom 23.05.2016 (Bl. 142 der Akte) hat das Landesamt für Finanzen NRW, das das "Portal Stellenmarkt" betreibt und verwaltet, auf Anfrage des BLB NRW bestätigt, dass die Zentralstelle für Arbeitsvermittlung in Bonn automatisch bei Stellenausschreibungen beteiligt wird.

Der Kläger wurde als einer von sechs Kandidaten zu einem Vorstellungsgespräch am 22.12.2016 eingeladen, an dem die Schwerbehindertenvertretung nicht teilnahm. Bereits im Einladungsschreiben wurde dem Kläger mitgeteilt, dass die Führungskräfteauswahl zweistufig erfolge. Wenn er im Auswahlgespräch überzeuge, werde er zu einer Potenzialanalyse eingeladen.

Die Potentialanalyse kommt beim BLB NRW zum Einsatz, wenn Führungskräfte eingestellt werden. Bei diesem Verfahren sind von den Bewerberinnen und Bewerbern sowohl schriftliche Tests als auch Präsentationen und ein Interview zu absolvieren.

Nach den mit allen Kandidaten geführten Vorstellungsgesprächen wurden zwei Bewerberinnen zum Assessment-Center-Verfahren zugelassen. Dem Kläger erteilte der BLB NRW mit Schreiben vom 27.12.2016 eine Absage. In zwei vom Kläger eingeleiteten einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf einigten die Parteien sich darauf, dass der Kläger unverzüglich Akteneinsicht erhält, zur Teilnahme am Assessment-Center eingeladen und die Stelle vorläufig nicht endgültig besetzt wird.

Die von einem Dienstleister durchgeführte Potentialanalyse erfolgte am 31.01.2017. Wenige Tage danach teilte der BLB NRW dem Kläger mit, dass man sich für einen anderen Bewerber entschieden habe.

Bei der dem Kläger erteilten Akteneinsicht wurde ihm in solche Akten, die personenbezogene Daten enthielten, eine Akteneinsicht unter Berufung auf datenschutzrechtliche Bestimmungen verweigert.

Gegen die Absage wehrte der Kläger sich mit einem beim Arbeitsgericht Düsseldorf unter dem Az. 3 Ca 849/17 geführten Verfahren. Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 28.06.2017 den Antrag des Klägers, die Stelle mit ihm zu besetzen, abgewiesen. Auf den Hilfsantrag des Klägers wurde der BLB NRW verurteilt, das Auswahlverfahren zur Besetzung der Stelle unter Einbeziehung des Klägers zu wiederholen.

Mit Schreiben vom 21.02.2017 machte der Kläger einen Entschädigungsanspruch geltend.

Unter dem Datum vom 30.08.2017 (Bl. 143 der Akte) erteilte das beklagte Land dem Kläger die Auskunft, dass beim BLB NRW in der Zeit vom Jahr 2012 bis zum 31.03.2017 in der Laufbahngruppe 2.2 (höherer Dienst) unter den 15 weiblichen und den 17 männlichen Personen, die eingestellt wurden, keine schwerbehindert waren. In anderen Laufbahngruppen wurden im selben Zeitraum 25 schwerbehinderte Personen eingestellt.

In einem beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf unter dem Az. 12 Sa 135/18 geführten Verfahren, in dem die Parteien über einen Anspruch des Klägers auf erneute Durchführung eines Auswahlverfahrens zur Besetzung einer anderen Stelle bei dem beklagten Land stritten, hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf mit Urteil vom 27.06.2018 die Berufung des Klägers mit der Begründung zurückgewiesen, die Besetzung der dort in Rede stehenden Stelle durch den Klä...

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