Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung einer vertraglichen Vereinbarung, die den Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer bei Arbeitsunfähigkeit einen Nettoausgleich in Höhe der Differenz zwischen dem höchsten Leistungssatz der Betriebskrankenkasse und dem Nettogehalt auszugleichen

 

Leitsatz (amtlich)

Die Vertragsauslegung kann gemäß § 242 BGB nur dahingehend vorgenommen werden, dass nicht die vom Arbeitnehmer bei Eintritt der Erkrankung gewählte Steuerklasse für den Differenzausgleich maßgebend ist, sondern dass die Höhe daran zu bemessen ist, welche Steuerschuld sich aufgrund des unanfechtbaren Einkommenssteuerbescheids für das Kalenderjahr ergibt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Progressionsvorbehalt nach § 32 b EStG sich dann nachteilig auswirken kann, wenn Eheleute die gemeinsame Veranlagung nach der Splittingtabelle wählen. In diesem Fall wird nach §§ 32 b EStG und 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG der gemeinsamen Veranlagung derjenige Steuersatz zugrunde gelegt, der sich ergeben würde, wenn die Lohnersatzleistung steuerpflichtig wäre. Durch die Wahl des Gestaltungsrechts der getrennten Veranlagung für das Veranlagungsjahr des Bezuges von Lohnersatzleistungen haben die Ehegatten es – gegebenenfalls noch im Einspruchsverfahren – in der Hand, die Verhältnisse zu ihren Gunsten zu gestalten und nach exakter Berechnung der Differenzlage durch die Wahl der getrennten Veranlagung eine niedrigere Steuerschuld herbeizuführen. Auf der Grundlage der Zielsetzung der Vereinbarung, dem Arbeitnehmer den Verlust des Nettoeinkommens im Krankheitszeitraum auszugleichen, kann die Vereinbarung nur dahingehend ausgelegt werden, dass – hätten die Parteien den Umstand bedacht – nur auf das erst nachträglich ermittelbare effektive Nettoeinkommen nach Rechtskraft des Steuerbescheides abzustellen ist.

mehr insolvenzgeschützt ist.

 

Normenkette

BGB § 242

 

Verfahrensgang

ArbG Duisburg (Urteil vom 14.03.2003; Aktenzeichen 5 Ca 3440/02)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 18.08.2004; Aktenzeichen 5 AZR 518/03)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen dasUrteil desArbeitsgerichts Duisburg vom14.03.2003 –5 Ca 3440/02 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision des Klägers wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Auslegung einer Klausel ihres Arbeitsvertrages, die dem Kläger im Falle der Arbeitsunfähigkeit im Anschluss an den gesetzlichen Entgeltfortzahlungszeitraum einen Nettoausgleich des Arbeitgebers in Höhe der Differenz zwischen dem höchsten Leistungssatz der Betriebskrankenkasse bzw. sonstiger Leistungsträger der Sozialversicherung und dem unter Berücksichtigung der Pauschbeträge für Werbungskosten und Sonderausgaben ermittelten fiktiven Nettogehalt zusagt.

Der Kläger war seit März 2002 fortlaufend arbeitsunfähig und erhielt bis zum Monat Juli 2002 aufgrund der arbeitsvertraglichen Regelung einen Krankengeldzuschuss in Höhe von 270,84 EUR von der Beklagten. Im August 2002 ließ der Kläger seine Steuerklasse abändern. Während der Kläger und seine Ehefrau bis dahin beide in die Steuerklasse IV eingruppiert waren, wählten die Eheleute nunmehr die Steuerklasse III für die Ehefrau und die Steuerklasse V für den Kläger. Die Beklagte stellte daraufhin die Zahlung des Krankengeldzuschusses ein, da sie der Meinung ist, Ziffer 5 des Arbeitsvertrages vom 30.07.1989 sei dahingehend auszulegen, dass das im Wege des Lohnsteuerjahresausgleichs zu ermittelnde fiktive Nettogehalt für die Krankengeldzuzahlung des Arbeitnehmers maßgeblich sei. Demgegenüber will der Kläger für die Berechnung des Krankengeldzuschusses auf den Zeitpunkt des Eintritts des Krankheitsfalles abstellen, zu dem das Krankengeld berechnet wird. Insofern richte sich der Krankengeldzuschuss auch nach dem fiktiven Nettoeinkommen zum Zeitpunkt des Eintritts des Krankheitsfalles. Eine spätere Änderung der Steuerklasse habe hierauf keine Auswirkung. Für diese Auslegung der Vertragsklausel streite, dass bei einer Änderung der Steuerklasse von IV in III die Erhöhung der Nettobezüge den Arbeitgeber zum Ausgleich eines erhöhten Differenzbetrages zwischen dem Krankengeld und dem erhöhten Nettobetrag verpflichte. Um einem solchen missbräuchlichen Verhalten des Arbeitnehmers entgegenzuwirken, sei es zwingend, dass während der gesamten Krankengeldzahlung von der Steuerklasse auszugehen sei, die zum Zeitpunkt des Eintritts des Krankheitsfalles bestanden habe.

Die in ihrer Auslegung strittige Vertragsklausel lautet wie folgt:

„Bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit oder Unfall erhalten Sie jeweils nach Beendigung der gesetzlichen Gehaltszahlungspflicht einen Nettoausgleich in Höhe der Differenz zwischen dem höchsten Leistungssatz unserer Betriebskrankenkasse bzw. sonstiger Leistungsträger der Sozialversicherung und Ihrem unter Berücksichtigung der Pauschbeträge für Werbungskosten und Sonderausgaben ermittelten fiktiven Nettogehalt für die Dauer von

3 Mo. bei einer Werkszugehörigkeit bis zu

5 Jahren,

6 Mo. bei einer Werkszugehörigkeit über 5 bis zu

10 Jahren,

9 Mo. bei einer Werkszugeh...

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