Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung eines Arbeitsvertrages hinsichtlich der Eingruppierung in eine bestimmte Entgeltgruppe nach dem BAT

 

Leitsatz (amtlich)

Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel bei textlicher Verknüpfung von festem Entgeltbetrag und dessen Bezeichnung als Tarifgehalt Schließung einer arbeitsvertraglichen Lücke aufgrund der Nichtfortschreibung des BAT durch ergänzende Vertragsauslegung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der durchschnittliche Arbeitnehmer darf bei einer textlichen Verknüpfung von einem festen Entgeltbetrag, dessen Bezeichnung als Tarifentgelt und der Nennung einer konkreten tariflichen Vergütungsgruppe redlicherweise davon ausgehen, der in der Klausel festgehaltene Betrag werde nicht für die Dauer des Arbeitsverhältnisses statisch sein, sondern solle sich entsprechend den tariflichen Entwicklungen des maßgebenden Gehaltstarifvertrages entwickeln. Ein redlicher Arbeitgeber würde, wenn er die von ihm gestellte Klausel nicht so verstanden wissen wollte, die Bezeichnung als Tarifentgelt unterlassen, um klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen, dass er nicht "nach Tarif" zahlen will, sondern sich das vereinbarte Entgelt ausschließlich nach den konkret bezifferten Parteivereinbarungen richten soll.

2. Haben die Arbeitsvertragsparteien so die Geltung des BAT vereinbart, so ist die so ermittelte vertragliche Regelung durch die Nichtfortschreibung des BAT lückenhaft geworden.

3. Die so entstandene Lücke ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen. Die ergänzende Auslegung ergibt, dass die Vergütung im Zeitraum nach der Tarifsukzession nach dem TVöD (hier: in der im Bereich der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände geltenden Fassung) zu bestimmen ist.

 

Normenkette

BAT; TVöD-VKA; TV-L; BGB §§ 611, 133, 157

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Entscheidung vom 30.09.2016; Aktenzeichen 3 Ca 1523/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 11.04.2018; Aktenzeichen 4 AZR 265/17)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 30.09.2016, Az.: 3 Ca 1523/16 werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass sich die Kostentragungspflicht nach diesem Urteil bestimmt.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits - einschließlich den Kosten der Berufung - trägt die Beklagte.
  3. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Frage, ob der Klägerin eine tarifliche Vergütung zusteht.

Die am 31.12.1955 geborene Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 18.01.2001 als Pflegehelferin beschäftigt. Die Einzelheiten der Beschäftigung regelt der schriftliche Arbeitsvertrag vom 15.08.2001, Bl. 15 - 18 GA.

In diesem zwischen der Beklagten und der Klägerin abgeschlossenen Arbeitsvertrag heißt es auszugsweise wie folgt:

"§ 2 Vergütung

Der Mitarbeiter erhält eine Grundvergütung entsprechend des BAT Kr I/Stufe 9, inkl. Ortszuschlag und allgemeine Zulage i.H.v. DM 3.822,58; zuzgl. Zulagen für Samstags-, Sonntags-, Nacht- und Feiertagsarbeit entsprechend der Betriebsvereinbarung.

Mit dieser Vergütung sind alle weitergehenden Ansprüche aus der vereinbarten Tätigkeit abgegolten.

§ 3 Sonderzahlungen

In der Betriebsvereinbarung vom 17.02.1993, welche ein Bestandteil dieses Arbeitsvertrages ist, sind alle Sonderzahlungen geregelt.

...

§ 9 Betriebsvereinbarung

Die als Anlage beigefügte Betriebsvereinbarung vom 17.02.1993 ist Bestandteil des Arbeitsvertrages. Darüber hinaus gelten alle betrieblichen Regelungen, sofern in diesem Arbeitsvertrag keine andere Vereinbarung getroffen ist sowie die Bestimmungen des allgemeinen Arbeitsrechts."

Die in Bezug genommene Betriebsvereinbarung vom 17.02.1993, Bl. 19 - 22 GA, regelt - soweit hier von Interesse - auszugsweise Folgendes:

"§ 2 Lohn- und Vergütungsrichtlinien

1. Für die Angestellten nach § 1 dieser Betriebsvereinbarung gelten analog die für die Angestellten des Bundes und der Länder vereinbarten Bestimmungen des Lohn- und Vergütungstarifvertrages - BAT - vom 11. Januar 1961.

2. Für die Arbeiter/-innen nach § 1 dieser Betriebsvereinbarung gelten analog die für die Arbeiter/-innen des Bundes und der Länder vereinbarten Lohntarifvertrages des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter vom 31. Januar 1962.

3. Für die Auszubildenden nach § 1 dieser Betriebsvereinbarung gelten analog die für die Auszubildenden des Bundes und der Länder vereinbarten Vergütungsregelungen des Manteltarifvertrages für Auszubildende vom 6. Dezember 1974.

4. Änderungen beziehungsweise Ergänzungen der Bestimmungen der Absätze 1, 2 und 3 treten zu dem Zeitpunkt in Kraft, in denen die Änderungen beziehungsweise Ergänzungen für Angestellte, Arbeiter/-innen und Auszubildende des Bundes und der Länder wirksam werden.

5. Absatz 4 gilt sinngemäß für die in den Absätzen 1, 2 und 3 genannten Bestimmungen, die außer Kraft treten."

In § 3 der Betriebsvereinbarung befinden sich "Sonderregelungen" zu Krankenbezügen, Zuwendungen bei Heirat, Geburten, Jubiläen sowie im Todesfall des Arbeitnehmers, zur Weihnachtszuwendung, Urlaubsgeld, Dienstbefrei...

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