Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel bei Bezeichnung eines festen Entgeltbetrages als Tarifgehalt

 

Leitsatz (amtlich)

Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel bei textlicher Verknüpfung von festem Entgeltbetrag und dessen Bezeichnung als Tarifgehalt; Schließung einer arbeitsvertraglichen Lücke aufgrund der Nichtfortschreibung des BAT durch ergänzende Vertragsauslegung.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der durchschnittliche Arbeitnehmer darf bei einer textlichen Verknüpfung von einem festen Entgeltbetrag, dessen Bezeichnung als Tarifentgelt und der Nennung einer konkreten tariflichen Vergütungsgruppe redlicherweise davon ausgehen, dass der in der Klausel festgehaltene Betrag nicht für die Dauer des Arbeitsverhältnisses statisch sein werde, sondern sich entsprechend den tariflichen Entwicklung des maßgebenden Gehaltstarifvertrages entwickeln werde.

2. Einer Verweisung auf eine Betriebsvereinbarung lässt sich nicht mit hinreichender Klarheit entnehmen, das Rechtsgrund auch für die Zahlung der jeweiligen Grundvergütung die Betriebsvereinbarung sein soll und die Nennung des BAT im Arbeitsvertrag insoweit nur deklaratorischen Charakter haben soll.

3. Dem entsprechend kann eine Regelung im Arbeitsvertrag, wonach der Mitarbeiter eine monatliche Bruttovergütung einer bestimmten Gehaltsgruppe/-stufe des BAT unter Nennung eines bestimmten monatlichen Betrages erhält, als konstitutive arbeitsvertragliche Zusage einer Vergütung nach BAT verstehen.

4. Die so ermittelte vertragliche Regelung der Parteien ist durch die Nichtfortschreibung des BAT lückenhaft geworden. Diese Lücke ist im Wege ergänzender Vertragsauslegung durch die Anwendung des TVöD für den entsprechenden Bereich (hier: VKA) zu schließen.

 

Normenkette

BGB §§ 611, 133, 157

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Entscheidung vom 12.10.2016; Aktenzeichen 6 Ca 2299/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 11.04.2018; Aktenzeichen 4 AZR 311/17)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 12.10.2016, Az.: 6 Ca 2299/16 werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass sich die Kostentragungspflicht nach diesem Urteil bestimmt.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits - einschließlich den Kosten der Berufung - trägt die Beklagte.
  3. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Frage, ob der Klägerin eine tarifliche Vergütung zusteht.

Die am 07.09.1961 geborene Klägerin ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern seit dem 15.01.1998 als Angestellte in der Pflege beschäftigt. Die Einzelheiten der Beschäftigung regelt der schriftliche Arbeitsvertrag vom 14.01.1998, Bl. 17 - 20 GA.

In diesem zwischen der "Einzelfirma Pflegezentrum D., Inhaber W. T." und der Klägerin abgeschlossenen Arbeitsvertrag heißt es auszugsweise wie folgt:

"§ 2 Vergütung

Der Mitarbeiter erhält eine monatliche Bruttovergütung der Gr. BAT IX/ Stufe 7 z. Zt. Brutto - gesamt - DM 2.798,36.

Mit dieser Vergütung sind alle weitergehenden Ansprüche aus der vereinbarten Tätigkeit abgegolten.

§ 3 Sonderzahlungen

In der Betriebsvereinbarung vom 17.02.1993, welche ein Bestandteil dieses Arbeitsvertrages ist, sind alle Sonderzahlungen geregelt.

...

§ 9 Betriebsvereinbarung

Die als Anlage beigefügte Betriebsvereinbarung vom 17.02.1993 ist Bestandteil des Arbeitsvertrages. Darüber hinaus gelten alle betrieblichen Regelungen, sofern in diesem Arbeitsvertrag keine andere Vereinbarung getroffen ist sowie die Bestimmungen des allgemeinen Arbeitsrechts."

Die in Bezug genommene Betriebsvereinbarung vom 17.02.1993, Bl. 22 - 26 GA, regelt - soweit hier von Interesse - auszugsweise Folgendes:

"§ 2 Lohn- und Vergütungsrichtlinien

1. Für die Angestellten nach § 1 dieser Betriebsvereinbarung gelten analog die für die Angestellten des Bundes und der Länder vereinbarten Bestimmungen des Lohn- und Vergütungstarifvertrages - BAT - vom 11. Januar 1961.

2. Für die Arbeiter/-innen nach § 1 dieser Betriebsvereinbarung gelten analog die für die Arbeiter/-innen des Bundes und der Länder vereinbarten Lohntarifvertrages des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter vom 31. Januar 1962.

3. Für die Auszubildenden nach § 1 dieser Betriebsvereinbarung gelten analog die für die Auszubildenden des Bundes und der Länder vereinbarten Vergütungsregelungen des Manteltarifvertrages für Auszubildende vom 6. Dezember 1974.

4. Änderungen beziehungsweise Ergänzungen der Bestimmungen der Absätze 1, 2 und 3 treten zu dem Zeitpunkt in Kraft, in denen die Änderungen beziehungsweise Ergänzungen für Angestellte, Arbeiter/-innen und Auszubildende des Bundes und der Länder wirksam werden.

5. Absatz 4 gilt sinngemäß für die in den Absätzen 1, 2 und 3 genannten Bestimmungen, die außer Kraft treten."

In § 3 der Betriebsvereinbarung befinden sich "Sonderregelungen" zu Krankenbezügen, Zuwendungen bei Heirat, Geburten, Jubiläen sowie im Todesfall des Arbeitnehmers, zur Weihnachtszuwendung, Urlaubsgeld, Dienstbefreiung an Rosenmontag und Zeitzuschlägen....

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