Entscheidungsstichwort (Thema)

Festsetzung von Kindergeld. Kindergeldbezogener Anteil im Ortszuschlag. Rückwirkende Änderung der Pflegegeld-Definition im EStG. Belastende Rückwirkung

 

Leitsatz (amtlich)

Auf das „Rückwirkungsverbot” kann sich nicht berufen, wer im Vertrauen auf den Bestand der bisherigen Rechtslage während des Rückwirkungszeitraums weder Dispositionen eingegangen ist noch solche unterlassen hat.

 

Normenkette

BGB § 611; BAT § 29B Abs. 1; EStG i.d.F.d. StÄndG 2003 v. 15.12.2003 § 32 Abs. 1 Nr. 2; EStG § 63; BAT § 29B Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Wuppertal (Urteil vom 25.05.2004; Aktenzeichen 4 Ca 3816/03)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 13.03.2008; Aktenzeichen 6 AZR 294/07)

 

Tenor

Unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Wuppertal vom25.05.2004 wird die Klage hinsichtlich des Klageantrags zu 7) abgewiesen. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/11 und die Beklagte zu 10/11.

Die Revision wird hinsichtlich der Abweisung des Klageantrages zu 7) zugelassen. Im übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Vergütungszuschläge.

Der Kläger ist seit dem 01.07.1981 bei der Beklagten als Angestellter tätig und wird im Jugendamt beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden der BAT und die diesen ergänzenden und ändernden Tarifverträge Anwendung.

Der Kläger war verheiratet. Aus seiner Ehe, die im Jahr 1995 geschieden wurde, gingen zwei Töchter, am 02.12.1986 und am 29.07.1989 geboren, hervor. Nach der Scheidung lebten die Töchter zunächst im Haushalt ihrer Mutter. Unter dem 08.08.1996 gab der Kläger – unter Beifügung des Scheidungsurteils – gegenüber der Beklagten eine formularmäßige „Erklärung zum Ortszuschlag” ab (Bl. 33 ff.). Der Kläger bezog weiterhin Kindergeld und erhielt zu seiner Vergütung den Kinderanteil im Familienzuschlag. Er verwandte diese Beträge für zu Gunsten seiner Töchter abgeschlossene Versicherungen, insbes. eine private Krankenversicherung und eine Aussteuerversicherung.

Zum 01.11.1999 wurden die Kinder des Klägers im Haushalt der Pflegeeltern S. aufgenommen. Herr S., beim Land NRW beamtet, bezog fortan ebenfalls Kindergeld für die Töchter des Klägers sowie die entsprechend erhöhte Stufe zum Ortszuschlag (Kinderanteil im Familienzuschlag). Die Beklagte gewährte den Pflegeeltern S. seit September 2001 Hilfe zur Erziehung für die in Pflege genommenen Töchter des Klägers.

In diesem Zusammenhang ist zwischen den Parteien streitig, inwieweit die Beklagte davon erfuhr, dass die Töchter des Klägers bei Pflegeltern lebten. Der Kläger behauptet, dass der Beklagten bekannt gewesen sei, dass die Kinder nicht bei ihm, sondern bei Pflegeeltern lebten und verweist auf die Erklärung vom 08.08.1996, das Scheidungsurteil, eine im Zuge des Unterhaltsprozesses gehaltene Anfrage des AG Schwelm, ein Gespräch mit der Mitarbeiterin K. des Jugendamts, ein Gespräch beim Oberbürgermeister, eine Herrn S. durch die Beklagte erteilte Haushaltsbescheinigung sowie ein Schreiben vom 22.08.2001 betr. die Zuständigkeit für die Pflegeelternschaft.

Die Beklagte hält entgegen, dass der Kläger die Aufnahme seiner Töchter im Haushalt der Pflegeeltern S. nicht der „für die Berechnung der Bezüge zuständigen Dienststelle” mitgeteilt habe. Bei der Familienkasse (für das Kindergeld zuständig) wie auch im Personalamt (für die Gehaltsberechnung zuständig) sei dieser Sachverhalt ebenso unbekannt gewesen wie der Bezug von Kindergeld und Kinderanteil zum Ortszuschlag durch Herrn S. Erst nach einer Anfrage des Finanzamtes vom 31.03.2003 und anschließender Befragung des Klägers am 25.04.2003 seien diese Umstände zur Kenntnis der zuständigen Stellen gelangt.

Mit Bescheid vom 05.06.2003 hob die Beklagte – Familienkasse – die Festsetzung von Kindergeld rückwirkend ab dem 01.10.1996 auf und forderte vom Kläger die Rückzahlung des Kindergeldes. Der Kläger erhob, nachdem sein Einspruch zurückgewiesen worden war, gegen den Bescheid Klage vor dem Finanzgericht Düsseldorf. Im Finanzgerichtsverfahren begrenzte die Beklagte die Aufhebung auf die Zeit ab 01.11.1999 („Bescheid vom 24.02.2005”). Den Antrag des Klägers vom 16.10.2003, ihm ab Mai 2003 Kindergeld zu gewähren, wies die Beklagte mit Bescheid vom 13.04.2004, den Einspruch mit Entscheidung vom 25.5.2004 zurück. Dieser Anspruch war ebenfalls Gegenstand des Verfahrens vor dem Finanzgericht. In diesem Verfahren war im Streit, ob die Pflegeeltern S. kindergeldberechtigt i. S. v. § 32 Abs. Nr. 2 EstG 1996 seien, insbes. zu den Unterhaltskosten der Pflegekinder zu mindestens 20 % beigetragen haben. Des weiteren reklamierte der Kläger Vertrauensschutz, soweit durch das StÄndG 03 vom 15.12.2003 § 32 Abs. 1 Nr. 2 EstG rückwirkend geändert wurde. Durch Urteil vom 24.02.12005, 14 K 51118/03 Kg, (Bl. 268 ff.) wies das Finanzgericht Düsseldorf die Klage ab. Der Nichtzulassungsbeschwerde gab der BFH statt. Wegen anschließender Versäumung der Revisionsbegründungsfrist verwarf der BFH am 18.01.2007 die Revision. ...

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