Entscheidungsstichwort (Thema)

Zahlung eines Rentnerweihnachtsgeldes auf Grund betrieblicher Übung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Besonderheiten eines Ruhestandsverhältnisses sprechen nicht gegen die Anerkennung einer betrieblichen Übung gegenüber Versorgungsempfängern

 

Normenkette

BGB § 611

 

Verfahrensgang

ArbG Wesel (Urteil vom 19.09.2001; Aktenzeichen 2 (5) Ca 832/01)

ArbG Wesel (Urteil vom 27.06.2001; Aktenzeichen 2 (5) Ca 832/01)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 29.04.2003; Aktenzeichen 3 AZR 339/02)

 

Tenor

1. Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Wesel vom 19.09.2001 wird das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 27.06.2001 aufrecht erhalten.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in dem vorliegenden Pilotverfahren über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines sogenannten Rentnerweihnachtsgeldes für das Jahr 2000 in Höhe von 150,– DM netto.

Der Kläger war bei der Beklagten bis zum Eintritt in das Rentenalter als Arbeitnehmer beschäftigt. Seither erhält er neben den Bezügen aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine Betriebsrente. Die durchschnittliche Betriebsrente bei der Beklagten beträgt ca. 100,– DM monatlich.

Darüber hinaus zahlt die Beklagte seit Jahrzehnten an ihre sogenannten Werksrentner ohne Vorbehalt und in gleichbleibender Höhe jeweils im Dezember eines Jahres ein sogenanntes Rentnerweihnachtsgeld in Höhe von 150,– DM. Dieses Rentnerweihnachtsgeld wird unabhängig von der Dauer der Beschäftigungszeit und der Funktion des Mitarbeiters bezahlt.

Streitig zwischen den Parteien ist insoweit allein, ob in den 60er Jahren bis zum Jahre 1972 am Schwarzen Brett Aushänge vorhanden waren, in denen – so der Kläger – auf die Freiwilligkeit des an die aktiven Belegschaftsmitglieder gezahlten Weihnachtsgeldes und des Rentnerweihnachtsgeldes hingewiesen worden sei oder – so die Beklagte – diese Aushänge sich nur auf Sonderzahlungen zu Gunsten der aktiven Belegschaftsmitglieder bezogen haben. Jedenfalls gab es spätestens seit Anfang der 70er Jahre solche Aushänge am Schwarzen Brett nicht mehr.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, durch die jahrelange vorbehaltslose Zahlung des Rentnerweihnachtsgeldes an alle Werksrentner sei ein Rechtsanspruch auf die Zahlung dieses Geldbetrages erwachsen, die Beklagte hat demgegenüber den Standpunkt vertreten, die Streichung der Sonderzahlung für Werksrentner sei aus wirtschaftlichen Gründen erforderlich gewesen, auch sei eine betriebliche Übung bei Werksrentnern nicht entstanden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, zwar sei durch die hier vorliegende vorbehaltslose Zahlung im Ruhestandsverhältnis ein Vertrauenstatbestand zu Gunsten der Werksrentner begründet worden, die Beklagte habe jedoch sachliche und billigenswerte wirtschaftliche Gründe für die Einstellung der Zahlung im Jahre 2000 dargetan. Die Beklagte habe sich seit 1996 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden und die aktive Belegschaft habe durch eine Reihe von Maßnahmen Einkommenseinbußen hinnehmen müssen. Angesichts dieser Umstände sei aber die Streichung des Weihnachtsgeldes gerade nicht unbillig. Dieses sei auch im Hinblick darauf gerechtfertigt, dass sich die Beklagte hierdurch einer konzerneinheitlichen Handhabung habe anschließen wollen, weil in allen Konzernunternehmen des T.-Konzerns keine Sonderzahlung an Werksrentner gezahlt werde.

Mit der zulässigen Berufung verfolgt der Kläger seinen Klageantrag unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiter. Er weist insbesondere darauf hin, dass das Arbeitsgericht bei seiner Würdigung nicht berücksichtigt habe, dass die zitierte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahre 1983 und damit vor Inkrafttreten des Betriebsrentengesetzes ergangen sei. Auch habe gerade im Jahre 2000 kein Grund für eine Streichung bestanden, weil die Beklagte schon zu diesem Zeitpunkt „schwarze Zahlen” geschrieben habe.

Er beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 19.09.2001, – (5) 2 Ca 832/01 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 150,– netto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hinaus zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie weist unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens insbesondere darauf hin, dass von einer betrieblichen Übung schon aufgrund der Höhe des ausgezahlten Betrages nicht gesprochen werden könne. Es müsse ihr möglich sein, gegenüber Betriebsrentnern aus den genannten wirtschaftlichen Gründen die Zahlung des Weihnachtsgeldes einzustellen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Akte ergänzend Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet und führt zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.

Da bereits gegen die Beklagte ein Versäumnisurteil ergangen war, war der Antrag des Klägers entsprechend auszulegen und das Versäumnisurteil aufrechtzu...

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