Entscheidungsstichwort (Thema)

Dringende betriebliche Erfordernisse durch Betriebsstilllegung. Rest- und Abwicklungsaufgaben. Unterrichtung und Beratung Betriebsrat. Abgabe der Massenentlassungsanzeige. Zur Frage der Darlegungspflichten bei einem Betriebsübergang

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage einer ordnungsgemäßen Durchführung des Konsultationsverfahrens nach § 17 II KSchG.

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Stilllegung des gesamten Betriebes durch den Arbeitgeber gehört zu den dringenden Erfordernissen, die einen Grund zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung abgeben können. Die Durchführung des Konsultationsverfahrens nach § 17 Abs. 2 KSchG stellt neben dem Anzeigeverfahren nach § 17 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 KSchG eine eigenständige Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung dar.

 

Normenkette

KSchG § 17; BGB § 613 a; KSchG § 1; BetrVG § 111

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 26.04.2013; Aktenzeichen 1 Ca 3494/12)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 26.04.2013 - 1 Ca 3494/12 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer Kündigung sowie zweitinstanzlich für den Fall des Obsiegens des Klägers außerdem über Vergütung.

Der 1970 geborene, schwerbehinderte Kläger (ledig, keine Unterhaltspflichten) ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit dem 01.09.1986 als Dreher bzw. Qualitätssicherer zu einem Jahresbruttoentgelt i.H.v. ca. 45.000,00 Euro beschäftigt. Die Beklagte gehört dem U.-Konzern an und stellte Fahrzeuglenkungen für die E. AG - zuvor firmierend als E. D. AG, im Folgenden E. - her.

Am 26.09.2007 schloss die Beklagte mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat einen Interessenausgleich, auf dessen konkreten Inhalt Bezug genommen wird. Danach plante sie die Stilllegung ihres Betriebes zum 31.12.2012. Darin heißt es:

"4. Beschäftigungsperspektiven

Mit Schreiben vom 02.05.2007 hat die E. die Zusage gegenüber Teilen der Belegschaft von U.-PSTD erteilt, ihnen eine Beschäftigung im Werk 065 E. oder in anderen Werken anzubieten. Eine Kopie dieses Schreibens der E. vom 02.05.2007 wird als Anlage diesem Interessenausgleich beigefügt. Die Zusage der E. ist an die Bedingung geknüpft, dass bis zum 31.12.2012 die bestellten Lenkgetriebe in vollem Umfang rechtzeitig und in der vereinbarten Qualität geliefert werden.

Die U. Technologies AG hat mit Schreiben vom 24.09.2007 der Belegschaft U.-PSTD die Zusage erteilt, denjenigen die nicht von der E. übernommen werden, ein Arbeitsplatzangebot innerhalb des U.-Konzerns, möglichst in der Region, zu unterbreiten.

Um MitarbeiterInnen, die eine berufliche Zukunft außerhalb des U.-Konzerns anstreben, einen Arbeitsplatzwechsel zu erleichtern, haben die Betriebsparteien bereits zum 02.02.2007 eine Betriebsvereinbarung zur Mobilität abgeschlossen.

5. Personalabbau

Soweit Beschäftigte weder bei der E., noch im U.-Konzern oder bei anderen Unternehmen ein neues Arbeitsverhältnis eingehen, werden im Rahmen der in drei Phasen geplanten Betriebsschließung die Arbeitsverhältnisse durch fristgerechte, betriebsbedingte Kündigungen beendet.

(...)."

In der Zusage der E. vom 02.05.2007 heißt es:

"1. E. D. bietet allen direkten Arbeitnehmern der U. GmbH, Werk E., bis 31.12.2012 eine Beschäftigungsmöglichkeit an, soweit sie am 01.05.2007 das 52. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. (...) Das Arbeitsplatzangebot für diese direkten Mitarbeiter, die vor dem 01.01.1995 in einem Arbeitsverhältnis beschäftigt waren, wird im Regelfall in E. sein, für Mitarbeiter, die danach in ein Arbeitsverhältnis eingetreten sind, wird das Arbeitsplatzangebot im Regelfall an anderen Standorten des E. D.-Konzerns (Deutschland), insbesondere im Werk X., sein.

Darüber hinaus erhalten 25 Arbeitnehmer im indirekten Bereich der U. GmbH, Werk E., soweit sie am 01.05.2007 das 52. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ein Angebot für einen Arbeitsplatz im indirekten Bereich im E. D.-Konzern (Deutschland), voraussichtlich im Werk X..

Damit erhalten ca. 180 bis 190 Arbeitnehmer ein Arbeitsplatzangebot im E. D.-Konzern."

In der Folge wurde die Beklagte von der E. beauftragt, eine Endbevorratung von produzierten Lenkungen vorzunehmen.

Im März 2012 erwarb die E. von der Beklagten das u.a. aus Zeichnungen, Fertigungsplänen und Lieferantennachweisen bestehende Know-How an den LS8-Zweikreislenkungen (sog. Intellectual Property [IP]).

Am 19.03.2012 unterrichtete die Beklagte den Betriebsratsvorsitzenden über die geplanten 155 anzeigepflichtigen Entlassungen gemäß § 17 KSchG. Unter dem 22.03.2012 übersandte sie der BA das vorgegebene Formular zur Massenentlassungsanzeige. In einer Anlage des Anzeigenformulars vermerkte sie, die Stellungnahme des Betriebsrats werde "umgehend nach Erhalt nachgereicht". Am Ende des Formulars der BA heißt es: "Fehlen Angaben oder Unterlagen der unter... [5] bezeichneten Art ganz oder teilweise, wird die Anzeige erst nach Eingang dieser vollständigen Angaben bzw. Unterlagen wirksa...

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