Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang der Einbeziehung kirchenarbeitsrechtlicher Regelungen in einem Arbeitsvertrag mit einem kirchlichen Arbeitgeber. Wirksamkeit der Ausschlussfristenregelung gem. § 57 KAVO

 

Leitsatz (amtlich)

1. Werden in einen Arbeitsvertrag mit einem kirchlichen Arbeitgeber kirchenarbeitsrechtliche Regelungen des sogenannten "Dritten Weges" - hier der kirchlichen Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) der katholischen Kirche - einbezogen, wird von der Bezugnahmeklausel auch die Ausschlussfristenregelung des § 57 KAVO erfasst. Die Ausschlussfristen werden damit auch ohne gesonderten weiteren Hinweis im Arbeitsvertrag Bestandteil des Arbeitsverhältnisses.

2. Ein konkreter Hinweis auf die Anwendbarkeit der Ausschlussfristen der KAVO ist bei gegebenem Hinweis auf die Anwendbarkeit des Regelwerkes als solchem weder nach dem Nachweisgesetz noch nach der Nachweisrichtlinie (91/533/EWG) erforderlich. Vielmehr ist in analoger Anwendung des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG die Bezugnahme auf kirchenarbeitsrechtliche Regelungen des sogenannten "Dritten Weges" - ebenso wie in den Fällen einer Bezugnahme auf einen Tarifvertrag - ausreichend zum Nachweis auch der darin enthaltenen Ausschlussfristen.

3. Nachweispflichten werden ferner nicht dadurch verletzt, dass der Arbeitgeber auf einen nach Abschluss des Arbeitsvertrages zwar objektiv begründeten, von ihm aber nicht nachvollzogenen Bewährungsaufstieg in eine höhere Entgeltgruppe nicht gesondert hinweist. Denn die Regelung des § 3 Satz 1 NachwG betrifft nachträgliche Änderungen der rechtlichen Grundlagen des Arbeitsverhältnisses, nicht aber bestimmte Rechtsfolgen.

4. Berücksichtigt der Arbeitgeber einen objektiv begründeten Bewährungsaufstieg und die daraus resultierende Höhergruppierung des Arbeitnehmers nicht in den dem Mitarbeiter erteilten Abrechnungen, sondern weist dort weiterhin die bisherige Entgeltgruppe aus, liegt hierin kein Verstoß gegen die Abrechnungspflichten aus § 108 Abs. 1 GewO oder § 29 Abs. 7 KAVO. Denn diese Regelungen verpflichten den Arbeitgeber lediglich zur Auskunft über die tatsächlich erfolgte Zahlung. Gegenstand der Abrechnungspflicht ist nicht die Information des Arbeitnehmers über die rechtlich von ihm zu beanspruchende Zahlung.

 

Normenkette

NachwG § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 und Nr. 10, Abs. 3, § 3; BGB §§ 242, 280, 307; GewO § 108 Abs. 1; KAVO § 29 Abs. 7, § 57

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 12.01.2017; Aktenzeichen 10 Ca 4540/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 22.09.2022; Aktenzeichen 8 AZR 4/21)

BAG (Urteil vom 30.10.2019; Aktenzeichen 6 AZR 465/18)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 12.01.2017 - Az.: 10 Ca 4540/16 - wird zurückgewiesen.

  • II.

    Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

  • III.

    Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses über Differenzvergütungsansprüche wegen einer aus Sicht des Klägers unzutreffenden Eingruppierung für den Zeitraum von Juli 2002 bis April 2015 und in diesem Zusammenhang über die Frage, ob die Ansprüche verfallen sind und falls dies der Fall ist, ob dem Kläger jedenfalls ein entsprechender Schadensersatzanspruch zusteht.

Der am 06.01.1951 geborene Kläger war in der Zeit vom 10.06.1996 bis zum 05.06.2016 als Küster und Reinigungskraft bei der Beklagten beschäftigt. Der am 24.07.1996 vom erzbischöflichen Generalvikariat genehmigte schriftliche Arbeitsvertrag der Parteien (Blatt 10 ff. der Akte) enthält unter anderem folgende Regelungen:

"§ 2

Die kirchliche Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) ist in ihrer jeweiligen Fassung einschließlich der Anlagen Bestandteil dieses Vertrages.

...

§ 5

Der Mitarbeiter ist in der Vergütungsgruppe K IX Fallgruppe ohne beginnend mit Stufe 08 eingruppiert. ...

§ 11

Sonstige Vereinbarungen: Herr K. verpflichtet sich zur Küsterausbildung am St. H. B. und diese mit der Küsterprüfung bis zum 09.06.1998 erfolgreich abzuschließen."

Nachdem der Kläger am 06.05.1998 die Küsterprüfung (Sakristan-Prüfung) bestanden hatte (Blatt 314 der Akte), wurde er mit Nachtragsvertrag vom 20.07.1998 (Blatt 315 der Akte) rückwirkend zum 01.05.1998 in die Vergütungsgruppe K VIII Fallgruppe 3.1.2 höhergruppiert. Nach weiteren zwei Jahren erfolgte eine Höhergruppierung in die Vergütungsgruppe K VII. Im Nachtragsvertrag vom 25.09.2000 (Blatt 316 der Akte) wurde hierzu festgehalten, dass § 5 des Arbeitsvertrages dahingehend geändert wird, dass der Kläger in die Vergütungsgruppe K VIII Fallgruppe 3.1.6 beginnend mit Stufe 09 eingruppiert ist und ab 01.05.2000 in die Vergütungsgruppe K VII Fallgruppe 3.1.6 beginnend mit Stufe 08.

Die maßgeblichen Regelungen des § 20 KAVO zur Eingruppierung lauteten in dem Zeitraum von 1996 bis 30.09.2005 wie folgt:

"§ 20 Eingruppierung

(1)Die Eingruppierung des Mitarbeiters richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Anlage 1. Der Mitarbeiter erhält die Vergütung nach der Vergütungsgruppe, in der er eingruppiert ist.

(2)Der Mitarbeiter ist in der V...

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