Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesamtschuldnerische Haftung nach § 613 a (2) S. 1 BGB bzw. Schadensersatz wegen unvollständiger Informationen nach § 613 a (5) BGB

 

Leitsatz (amtlich)

Auch wenn die Veräußerin die Kündigung des Arbeitnehmers bereits beschlossen und dem Arbeitnehmer unter Zusage einer Sozialplanabfindung bereits angekündigt hatte, die Erwerberin die Kündigung jedoch erst ausgesprochen hat, ist ein Anspruch gegenüber der Veräußerin nach § 613 a (2) 1 BGB noch nicht entstanden. Eine Verpflichtung zum Schadensersatz wegen unvollständiger Information nach § 613 a (5) BGB i. Verb. mit §§ 280 ff BGB ist in einem solchen Fall jedoch dann gegeben, wenn die Veräußerin den Arbeitnehmer vor Betriebsübergang hinsichtlich der Haftung nicht darüber informiert, dass nach ihrer Auffassung nach § 613 a (2) 1 BGB nur noch die Erwerberin für die Zahlung der Abfindung haftet und der Arbeitnehmer dem Betriebsübergang deshalb nicht widerspricht, wenn die Erwerberin unmittelbar danach Insolvenz anmeldet.

 

Normenkette

BGB § 613a (2) S. 1; BGB 613a (5); BGB § 280

 

Verfahrensgang

ArbG Solingen (Urteil vom 11.01.2006; Aktenzeichen 3 Ca 1691/05 lev)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 11.01.2006 – 3 Ca 1691/05 lev – abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 40.569,– brutto zu zahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2005.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Abfindungsansprüche aus einem Sozialplan.

Der am 21.02.1965 geborene Kläger war seit dem 24.02.1986 bei der Beklagten beschäftigt und verdiente zuletzt monatlich 3.400,– EUR brutto. Er gehörte zum Bereich „Consumer Imaging” (CI), der von der Beklagten im Wege des Betriebsübergangs an die Firma B.Photo GmbH verkauft worden ist.

Vorausgegangen war ein Interessenausgleich (Bl. 9 ff d. A.), der zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat am 14.10.2004 geschlossen worden war und der unter anderem folgende Regelungen enthält:

„§ 1 Präambel

Der Geschäftsbereich Consumer Imaging operiert mit seinen Geschäftsfeldern Film, Finishing und Laborgeräte in einem Markt, der durch einen beschleunigten Wandel von der Analog- zur Digital-Technologie, durch hohe Überkapazitäten bei den Herstellern, einen anhaltenden Preisverfall und hohen Wettbewerbsdruck gekennzeichnet ist. Der Rückgang der Produktionsmengen bei Film liegt um 30 %, bei Papier um 17 % unter dem Zeitraum des Vorjahres. Für 2005 wird mit weiteren Mengenrückgängen gerechnet.

Angesichts der oben beschriebenen Rückgänge und des damit verbundenen Ergebnisverfalls hat die Unternehmensleitung der B.-H. AG die unternehmerische Entscheidung getroffen, Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer nachhaltigen Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, Flexibilität und Wettbewerbsfähigkeit führen und damit letztlich zur Sicherung von Ergebnis und Beschäftigung beitragen sollen.

§ 2 Information und Beratung mit dem Betriebsrat

Die Unternehmensleitung hat den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend über den geplanten Umfang sowie die organisatorischen und personellen Auswirkungen der Betriebsänderung informiert und diese mit ihm beraten. Es wird Bezug genommen auf die Informationen in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses am 20.09.04 und die Sitzung mit dem Betriebsrat M. am 28.09.04, 30.09.04, 04.10.04, 06.10.04, 08.10.04 und 14.10.04. In der Verhandlung zur Herbeiführung dieses Interessenausgleiches wurden die Einzelmaßnahmen am Standort M. erläutert und beraten; dieses ist in den entsprechenden Protokollen festgehalten.

GL und BR stimmen überein, dass zur Realisierung der geplanten unternehmerischen Zielsetzungen und zur Sicherung der verbleibenden Arbeitsplätze weitere Personalreduzierungen nicht zu umgehen sind.

Die zwischen den Parteien beratenen Maßnahmen führen zu voraussichtlich folgenden personellen Maßnahmen.

Im Einzelnen:

In den Ziffern 2.1 bis 2.11 wird sodann geregelt, welche Funktionen in welchen Abteilungen wegfallen bzw. welche Abteilungen aufgelöst werden bzw. verschmolzen werden.

§ 3 Namensliste

Eine Liste der betroffenen Mitarbeiter, über die im Rahmen einer Sozialauswahl Einvernehmen besteht, ist dieser Betriebsvereinbarung beigefügt.

§ 4 Durchführung der personellen Maßnahmen

(I) Bevor eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen wird, ist zur Abwendung derselben zu überprüfen:

  1. Versetzung auf einen freien Arbeitsplatz im Betrieb M. sowie in andere Betriebe. Die Betriebsparteien sind sich darüber einig, dass freie Arbeitsplätze im Betrieb M. vorrangig von denjenigen, fachlich und persönlich geeigneten Mitarbeitern besetzt werden, deren Arbeitsplatz im Zusammenhang mit der Durchführung dieses Interessenausgleichs entfällt. Bei gleicher Eignung werden schwerbehinderte Mitarbeiter vorgezogen.
  2. b) Abschluss von Aufhebungsverträgen unter Gewährung von Abfindungen entsprechend dem anzuwendenden Sozialplan (s. § 4).

(II) Vorliegende Anträge von Mita...

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