Entscheidungsstichwort (Thema)

Pfandkehr als „an sich” wichtiger Grund

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Anwendbarkeit des Untersuchungsgrundsatzes (§ 83 ArbGG) zu Lasten des Betriebsratsmitgliedes im Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG.

2. Zur Pfandkehr als Kündigungsgrund, zur Unpfändbarkeit gebrauchter Küchenmöbel und einer gebrauchten Waschmaschine und zur Interessenabwägung bei Eigentums-, Vermögens- und ähnlichen Delikten.

 

Normenkette

BetrVG § 103; BGB §§ 626, 562; StGB § 289; ZPO §§ 811-812; ArbGG § 83

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Beschluss vom 12.06.2003; Aktenzeichen 9 BV 39/03)

 

Tatbestand

I. Die Arbeitgeberin (Antragstellerin) begehrt im vorliegenden Beschlussverfahren die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats (Beteiligter zu 2) zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3).

Der Beteiligte zu 3), am 23.12.1951 geboren, verheiratet, acht Kinder, davon noch 5 bei ihm wohnend, trat am 01.04.1974 als Installateur in die Dienste der Arbeitgeberin, einer Wohnungsbaugenossenschaft in Düsseldorf mit derzeit 19 Arbeitnehmern. Nach der Ausbildung zum Kaufmann für Wohnungswirt-schaft wurde der Beteiligte zu 3) als technischer Angestellter in der Verwaltung beschäftigt und war dort mit der Verwaltung der Mitglieder sowie der von diesen angemieteten Wohnungen der Arbeitgeberin befasst. Zuletzt hatte die Arbeitge-berin den Beteiligten zu 3) nicht mehr in der Verwaltung, sondern als Haus-meister eingesetzt. Der Beteiligte erhob hiergegen Klage; der Prozess ist im Hinblick auf die anschließend von der Arbeitgeberin beantragte streitgegen-ständliche Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung nicht weiter betrieben worden.

Die Beschäftigten der Arbeitgeberin haben einen – einköpfigen – Betriebsrat gewählt, nämlich den Beteiligten zu 3), und als Ersatzmitglieder die Mitarbeiter Q. und L. (LAG Düsseldorf, Urteil vom 06.01.2004, 6 Sa 1387/03).

Die Arbeitgeberin hatte eine Wohnung zu einer Monatsmiete von Euro 215,55 an die Tochter des Beteiligten zu 3), N. K., vermietet. Im Jahr 2002 war die N. K. mit Mietzahlungen in Rückstand geraten. Die Arbeitgeberin hatte die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses erklärt, jedoch von der Erwirkung eines Räumungstitels abgesehen. Andere Gläubiger der N. K. hatten – fruchtlos verlaufene – Pfändungen in ihrer Wohnung durchgeführt.

Ende August 2002 fand die Arbeitgeberin in ihrem Briefkasten Haus- und/oder Wohnungsschlüssel der N. K. auf. Daraufhin öffnete sie im Beisein des Beteiligten zu 3) am 29.08.2002 die Wohnung. Zu diesem Zeitpunkt waren die Mietrückstände der N. K. auf Euro 1.060,63 angelaufen.

Bei der Wohnungsbesichtigung, die durch Fotos festgehalten wurde, wurde festgestellt, dass die eingerichtete Wohnung in einem desolaten Zustand und stark von Ungeziefer befallen war.

Einige Zeit nach dem 29.08.2002 ließ sich der Beteiligte zu 3) durch den – für Wohnungsbesichtigungen und Entrümpelungen bei der Arbeitgeberin zuständi-gen – Mitarbeiter S. den Haus- und Wohnungsschlüssel geben. Damit bekam er Zugang zu der Wohnung und schaffte, womit seine Tochter einverstanden war, eine ältere Waschmaschine und Küchenschränke heraus und transportierte sie zu seinem Sohn C. K., der, damals noch in der Ausbildung und werdender Vater, ebenfalls eine Wohnung der Arbeitgeberin angemietet hat.

Anfang Dezember 2002 räumte ein von der Arbeitgeberin beauftragtes Unter-nehmen die Wohnung der N. K., wobei nach Anweisung des Mitarbeiters S. alle Sachen zur Müllentsorgung gegeben wurden.

Am 11.03.2003 machte die Arbeitgeberin anlässlich einer Besichtigung der Wohnung des C. K. Fotoaufnahmen. Am Folgetag stellte sie bei einem Ver-gleich dieser Fotos mit den Fotos vom 29.08.2002 die Identität der Waschma-schine und von Küchenmobiliar fest. Mit Schreiben vom 25.03.2003 bat sie das Ersatzmitglied Q. mit der Begründung, der Beteiligte zu 3) habe dem Vermieterpfandrecht unterliegende Sachen aus der Wohnung der N. K. entwendet und unter dem Vorwand, persönliche Papiere und Urkunden seiner Tochter aus der Wohnung holen zu wollen, sich die Schlüssel verschafft, um Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3). Noch am 25.03.2003 erklärte das Ersatzmitglied Q. den Widerspruch des Betriebsrats zur Kündigung.

Am 26.03.2003 hat die Arbeitgeberin beim Arbeitsgericht Düsseldorf das Zustimmungsersetzungsverfahren eingeleitet.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Zustimmung des Beteiligten zu 2) zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) zu ersetzen.

Die Beteiligten zu 2) und 3) haben die Zurückweisung des Antrags der Arbeit-geberin beantragt.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 12.06.2003 den Antrag der Arbeit-geberin zurückgewiesen. Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Beschwerde greift die Arbeitgeberin den Beschluss an. Sie meint, dass die Begründung des Arbeitsgerichts tragend unrichtig sei und ob ihrer „Blauäugigkeit” nur verwundern könne. Das Arbeitsgericht habe, aus welchen Gründen auch immer, den eigentlichen Kündigungs...

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