Entscheidungsstichwort (Thema)

Festlegung des Bewerberkreises für Vertretungsunterricht. Anforderungen an Gegenwartsbezug bei Bewerbungsverfahren für Feststellungsantrag nach § 256 ZPO. Abgelehnter Bewerber für Vertretungsunterricht mangels Zweitem Staatsexamen

 

Leitsatz (amtlich)

Legt das Land den in Betracht kommenden Bewerberkreis für die Erteilung befristeten Vertretungsunterrichts so fest, dass sich u.a. Studenten ohne Examina und Seiteneinsteiger ohne Lehramtsexamina bewerben können, so ist es nicht mit Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar, Bewerber mit Erstem Staatsexamen für das Lehramt, die das Zweite Staatsexamen endgültig nicht bestanden haben, von vornherein von jeglichem Vertretungsunterricht auszuschließen. Der Gegenwartsbezug für einen Feststellungsantrag (§ 256 ZPO) ist hinreichend dadurch hergestellt, dass (1) im Rahmen eines Bewerbungsverfahren für eine zu besetzende Stelle der Kläger vom Arbeitgeber mit dem Hinweis ausgeschlossen wurde, die Einstellung sei aufgrund von rechtlichen Vorgaben des Landes nicht möglich, (2) der Arbeitgeber deutlich gemacht hat, dass dies nicht allein das erledigte Auswahlverfahren betrifft, sondern eine grundsätzliche Erwägung auch für künftige Bewerbungen darstellt und (3) künftige Bewerbungen bei demselben Arbeitgeber zu erwarten sind.

 

Normenkette

GG Art. 33 Abs. 2; ZPO § 138 Abs. 2-3, § 253 Abs. 2, § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Aktenzeichen 1 Ca 596/21)

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 15.07.2021; Aktenzeichen 1 Ca 596/21)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 15.07.2021 - Az. 1 Ca 596/21 teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:

    1. Es wird festgestellt, dass das beklagte Land den Kläger nicht vom Bewerbungsverfahren für Tätigkeiten im Vertretungsunterricht auf Basis der Regelung des jährlichen Einstellungserlasses des Ministeriums für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 19.01.2021 - 211-6.08.01.07, dort Ziff. 3.3 ausschließen darf, weil dieser die zweite Staatsprüfung endgültig nicht bestanden hat.
    2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  • II.

    Im Übrigen wird die Berufung des Klägers gegen die Klageabweisung des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs als unzulässig verworfen, sowie die weitergehende Berufung zurückgewiesen.

  • III.

    Die Kosten des Rechtstreits tragen der Kläger zu 6/7 und das beklagte Land zu 1/7.

  • IV.

    Die Revision wird für das beklagte Land zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Frage, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis begründet wurde sowie über Vergütungs- bzw. Schadenersatzzahlungen.

Der am 07.09.1959 geborene, ledige Kläger, der u.a. ein Hochschulstudium für Sport und Biologie (Sekundarstufe I) abgeschlossen, jedoch die zweite Staatsprüfung endgültig nicht bestanden hat, bewarb sich bei der Gemeinschaftsgrundschule U. -Schule in F. auf eine Vertretungsstelle für den Zeitraum vom 10.02.2021 bis 26.04.2021.

Der Kläger war als Sportlehrer / Lehrkraft Sport an Grundschulen vom 01.02.2017 bis 31.10.2019 in E., vom 25.11.2019 bis 31.01.2020 im Land Berlin, vom 12.03.2020 bis 24.06.2020 in O. und vom 10.08.2020 bis 31.01.2020 in T. tätig.

Ausschreibungen und Einstellungen von Lehrerinnen und Lehrern in den öffentlichen Schuldienst des Landes NRW erfolgten ab dem 02.02.2021 nach dem Runderlass 211 6.08.01.07 vom 19.01.2021. In diesem Erlass ist unter Z. 3 "Ausschreibungs- und Listenverfahren" unter anderem in Ziff. 3.3 folgendes geregelt:

"Nicht zugelassen zum Einstellungsverfahren werden Bewerberinnen und Bewerber,

a) die eine Staatsprüfung oder die Prüfung für den Master of education für ein Lehramt nicht oder endgültig nicht bestanden haben oder

b) die eine erste Staatsprüfung oder die Prüfung für den Master of education abgelegt oder anerkannt bekommen haben und eine (zweite) Staatsprüfung nicht mehr ablegen können."

Auf der Bewerbungsplattform des beklagten Landes für Vertretungseinstellungen und andere befristete Beschäftigung nach Angebot (nachfolgend: VERENA, vgl. auch Bl. 42 der Akte) heißt es u.a. wie folgt:

"Allgemeine Hinweise

Wer kann Vertretungsunterricht erteilen?

Auf Grund der im Grundgesetz vorgeschriebenen Bestenauslese werden Lehrkräfte mit einer entsprechenden Lehramtsbefähigung grundsätzlich vorrangig berücksichtigt. Gesucht werden Lehrkräfte mit Lehramtsbefähigung

- Lehrkräfte ohne Dauerbeschäftigung im Schuldienst

- Lehrkräfte in der Beurlaubung

- Pensionärinnen und Pensionäre nach dem Ausscheiden aus dem Schuldienst [...]

Soweit ausgebildete Lehrkräfte nicht zur Verfügung stehen, können auch Personen ohne lehramtsbezogene Ausbildung befristet beschäftigt werden, dies sind z.B.

- Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolventen mit lehramtsbezogenem Abschluss, die für den Schuldienst geeignet sind

- Studentinnen und Studenten (insbesondere für ein Lehramtsstudium), die für den Schuldienst geeignet sind

- Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolventen ohne lehramtsbezogenen Abschluss, die für den Schuldienst geeignet sind

- Personen mit abgeschlossener Berufsa...

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