Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitnehmereigenschaft. Hebamme

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Hebamme, die aufgrund eines sog. Beleghebammenvertrages in einem Krankenhaus tätig ist, steht in keinem Arbeitsverhältnis zu dem Krankenhaus (im Anschluss an BAG 26.06.1991 – 5 AZR 453/90 – RzK I 4 a Nr. 45).

 

Normenkette

BGB § 611 Abs. 1; HebO NRW v. 04.05.2002 (GV.NRW.S. 102) §§ 3, 6, 8

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Urteil vom 24.04.2009; Aktenzeichen 5 Ca 68/09)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 24.04.2009 – 5 Ca 68/09 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht.

Die am 20.07.1963 geborene Klägerin ist ausgebildete Hebamme. Die Beklagte betreibt ein Krankenhaus mit einer geburtshilflichen Abteilung. In diesem Krankenhaus arbeiten circa zehn Hebammen, die sich in einer sog. Hebammengemeinschaft zusammengeschlossen haben. Grundlage ist der „Vertrag über eine Hebammengemeinschaft” vom 30.09.2000, der einen Zusammenschluss in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts vorsieht. Nach § 9 dieses Vertrages werden Gewinne und Verluste auf die Hebammen verteilt, die monatlich Abschlagszahlungen nach Vorliegen der Monatsergebnisse erhalten. Für die Klägerin ergab sich hieraus ein monatlicher Verdienst von ca. 2.000,– bis 3.000,– EUR. Die Einnahmen der Gesellschaft erfolgen durch die Abrechnung von Leistungen gegenüber den Krankenkassen und Patienten. Die Klägerin und ihre Kolleginnen haben keinen Vergütungsanspruch gegen die Beklagte.

Neben der Tätigkeit in der geburtshilflichen Abteilung der Beklagten betreibt die Hebammengemeinschaft in den Räumen des Krankenhauses ihre Praxis. Hierzu wurde ein gesonderter Nutzungsvertrag vereinbart. Die Beklagte stellt der Hebammengemeinschaft darüber hinaus die Standardausrüstung an Einrichtungsgegenständen, insbesondere an Apparaten und Instrumenten, zur Verfügung. Die Tätigkeit der einzelnen Hebammen im Krankenhaus wird durch sog. Beleghebammenverträge näher geregelt. In dem Beleghebammenvertrag zwischen den Parteien vom 12.12.2002 heißt es u. a.:

㤠1

Tätigkeiten der Beleghebammen

(2) Frau S. leistet ab 02.01.2003 als Beleghebamme der geburtshilflichen Abteilung des Krankenhauses Hebammenhilfe nach den gesetzlichen Vorschriften.

§ 2

Stellung der Beleghebammen

(2) Die Beleghebammen stehen zum Krankenhaus und dessen Träger weder in einem Anstellungsverhältnis noch in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis. Arbeitsrechtliche Vorschriften, wie z. B. das Kündigungsschutzgesetz, finden keine Anwendung.

(3) Der Betrieb der Hebammenpraxis erfolgt selbstständig und eigenverantwortlich durch die Hebammengemeinschaft…

(4) Beleghebammen sind sowohl in der geburtshilflichen Abteilung als auch in der Hebammenpraxis an die vom Krankenhaus bestimmte Aufgabenstellung und Zielsetzung gebunden.

§ 3

Rechte und Pflichten

(3) Die Beleghebammen sind verpflichtet, im Rahmen der Hebammengemeinschaft die Versorgung des Kreißsaales der Klinik bei Tag, Nacht und am Wochenende zu gewährleisten.

§ 4

Zusammenarbeit von Ärzten und Pflegepersonal

(1) … Alle Beteiligten sind zur vertrauensvollen Zusammenarbeit verpflichtet und werden sich hierzu in die Arbeitsabläufe des Krankenhauses eingliedern.

(2) Die Beleghebammen unterstehen innerhalb der geburtshilflichen Abteilung den Weisungen des zuständigen Facharztes in hygienischen und medizinischen Fragen.

(4) Die Beleghebammen werden den zuständigen Facharzt zu jeder Entbindung – unabhängig vom Verlauf – beiziehen und ihm alle erforderlichen Auskünfte erteilen, insbesondere über Risikofaktoren und/oder Regelwidrigkeiten.

§ 6

(5) Auch das Krankenhaus ist zur Kündigung gegenüber einzelnen Mitgliedern der Hebammengemeinschaft innerhalb derselben Frist berechtigt.

§ 7

(2) Besteht von Seiten der Hebammengemeinschaft der Wunsch, eine weitere Hebamme in die Gemeinschaft aufzunehmen, wird das Krankenhaus dieser weiteren Hebamme einen Beleghebammenvertrag entsprechend den hier vereinbarten Bestimmungen anbieten, soweit die Zustimmung des ärztlichen Leiters vorliegt und nicht besondere, in der Person der weiteren Hebamme liegende Gründe, entgegenstehen.

…”

Durch Untergesellschaftsvertrag vom 19.12.2002 trat die Klägerin zum 01.01.2003 als sog. Untergesellschafterin und später zum 01.07.2003 als Gesellschafterin der Hebammengemeinschaft bei.

Die Klägerin leistete circa 114 Stunden monatlich Dienst zuzüglich 5 Bereitschaftsdienste mit je 24 Stunden. Sie wurde dabei ebenso wie die anderen Beleghebammen von der Hebammengemeinschaft eingeteilt. Der Abruf von Diensten während der Rufbereitschaft erfolgte bei Bedarf durch die Beklagte.

Die Tätigkeit der Beleghebammen umfasst sämtliche in der Berufsordnung für Hebammen und Entbindungspfleger (HebBO NRW) geregelten Aufgaben. Im Vorfeld der Geburten werden Routineuntersuchungen von den Hebammen allein durchgeführt. Bei Problemfällen sind Ärzte anwesend. Während der Geburt im Krankenhaus erfol...

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