Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Anspruch auf Wiedereingliederung in ein Arbeitsverhältnis

 

Leitsatz (amtlich)

Die als Bankkauffrau bei der Beklagten (Volks- und Raiffeisenbank) seit 20 Jahren beschäftigte Klägerin war seit dem 12.08.1994 ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt. Mit ihrer Klage möchte sie die schrittweise Wiedereingliederung in ihr Arbeitsverhältnis auf entsprechenden Vorschlag der sie behandelnden Ärzte erreichen.

1. Für das Wiedereingliederungsverfahren nach § 74 SGB V ist charakteristisch, daß der Arbeitnehmer weiterhin arbeitsunfähig krank ist.

2. Bei der Wiedereingliederung i. S. von § 74 SGB V handelt es sich um eine therapeutische Maßnahme, die außerhalb des Arbeitsverhältnisses liegt und nicht vom Arbeitgeber erzwungen werden kann

 

Normenkette

SGB V § 74; BGB § 242

 

Verfahrensgang

ArbG Wesel (Urteil vom 02.11.1995; Aktenzeichen 4 Ca 1888/95)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 27.05.1997; Aktenzeichen 9 AZR 325/96)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 02.11.1995 – 4 Ca 1888/95 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin möchte die stufenweise Wiedereingliederung in ein Arbeitsverhältnis zu der Beklagten erreichen.

Die am 18.10.1955 geborene Klägerin steht seit dem 01.07.1975 als Bankkauffrau in den Diensten der Beklagten. Seit dem 12.08.1994 ist die Klägerin ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt. Eine von der Klägerin ausgehende Initiative, sie schrittweise in das Arbeitsverhältnis wiedereinzugliedern, wurde von der Beklagten abgelehnt. In dem Schreiben der Beklagten vom 12.05.1995 heißt es unter anderem wie folgt:

„Wir beziehen uns auf Ihr Schreiben vom 03.04.1995. Wir entnehmen sowohl Ihrem Schreiben, wie auch dem von den behandelnden Ärzten Dres. H. und D. unterzeichneten „Wiedereingliederungsplan”, daß derzeit gar nicht von der Erwerbsfähigkeit Ihrer Mandantin auszugehen ist. Es soll der Versuch unternommen werden, eine Wiedereingliederung vorzunehmen zunächst mit einer Arbeitsbelastung von vier Stunden täglich.

Wir teilen Ihnen namens und im Auftrage unserer Mandantin mit, daß dies schon aus betriebsorganisatorischen Gründen nicht gangbar ist. Es werden in dieser Abteilung ausschließlich Vollzeitkräfte beschäftigt. Dies ist arbeitstechnisch auch unabdingbar. Es ist nicht möglich, daß ein einzelner Mitarbeiter Teilzeitarbeit leistet.

Mit Befremden hat unsere Mandantin im übrigen zur Kenntnis genommen, daß im Wiedereingliederungsplan niedergelegt ist, „zunächst keine Gruppenleitung”. Hierdurch könnte der Eindruck entstehen, Ihr Mandantin habe bislang die Gruppenleitung inne gehabt. Dies ist natürlich unzutreffend.”

Mit einer bei dem Arbeitsgericht Wesel am 29.05.1995 anhängig gemachten Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Beklagte sei aufgrund ihrer Fürsorgepflicht gehalten, die Klägerin schrittweise in das Arbeitsverhältnis wiedereingliedern zu müssen. Maßgebliche Ursache der Erkrankung der Klägerin wären Schwierigkeiten am Arbeitsplatz, die von der Beklagten ausgegangen seien und die die Klägerin aufgrund ihrer nervlichen Konstitution nicht habe verkraften können. Vor allem ursächlich sei dabei die Abteilungsleiterin, Frau P. Die die Klägerin behandelnden Ärzte hätten dabei vorgeschlagen, daß die Klägerin beginnend mit dem 19.06.1995 zunächst für fünf Wochen arbeitstäglich für vier Stunden wieder an ihrem Arbeitsplatz eingesetzt werde und alsdann, falls die Klägerin dem gewachsen sei, nach Ablauf dieser ersten fünf Wochen für weitere fünf Wochen arbeitstäglich sechs Stunden tätig sein solle, und schließlich, falls auch diese Zeit von der Klägerin gesundheitlich überstanden werde, eine Volleingliederung erfolgte. Mit ihrer Weigerung, die Klägerin wiedereinzugliedern, verfolgte die Beklagte möglicherweise die Taktik, eine derartige Wiedereingliederung zu verhindern, um schließlich einen Grund zu haben, wegen lang andauernder Erkrankung die Klägerin loszuwerden. Die bei der Beklagten seit rund 20 Jahren beschäftigte Klägerin habe jedoch gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf besonders fürsorgliche Behandlung. Es träfe auch keineswegs zu, daß die Beklagte nur Vollzeitkräfte beschäftige und auch in der Abteilung der Klägerin keine Teilzeitarbeit geleistet werde. Mindestens seit Januar 1995 werde nämlich eine Mitarbeiterin in der Abteilung der Klägerin als Teilzeitkraft eingesetzt.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin in ihrer Abteilung Zahlungsverkehr/Rechnungswesen in ihrer Hauptstelle in M. als Sachbearbeiterin ab Rechtskraft des Urteils zunächst arbeitstäglich für vier Stunden einen Monat lang zu beschäftigen, danach für sechs Stunden einen Monat lang zu beschäftigen und ab da an als Vollzeitkraft weiterzubeschäftigen.

hilfsweise,

in den erwähnten Zeiträumen mit den oben erwähnten Einsatzzeiten die Klägerin in einer anderen Abteilung der Hauptstelle oder einer Nebenstelle (mit Ausnahme von H.) in ähnlicher, jede...

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