Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereingliederung

 

Normenkette

SGB V § 74; ZPO § 91a

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 01.03.1996; Aktenzeichen 9 Sa 1482/95)

ArbG Wesel (Urteil vom 02.11.1995; Aktenzeichen 4 Ca 1888/95)

 

Tenor

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf 5.000,00 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I. Vor Erledigung der Hauptsache haben die Parteien darüber gestritten, ob die Beklagte verpflichtet ist, an einer stufenweisen Wiederaufnahme der früheren Berufstätigkeit der Klägerin mitzuwirken.

Die 1955 geborene Klägerin hat zunächst bei der Beklagten bis 1975 eine Banklehre absolviert. Danach wurde sie in ein Vollzeitarbeitsverhältnis als Bankkauffrau übernommen. Im Jahr 1994 erkrankte die Klägerin. Seit dem 12. August 1994 war sie ununterbrochen arbeitsunfähig. Ihre behandelnden Ärzte haben der Beklagten nach Abstimmung mit der zuständigen Krankenkasse einen stufenweisen Wiedereingliederungsplan vorgeschlagen. Danach sollte die Klägerin beginnend mit dem 19. Juni 1995 zunächst für fünf Wochen arbeitstäglich für jeweils vier Stunden an ihrem Arbeitsplatz eingesetzt werden, danach für fünf weitere Wochen jeweils sechs Stunden täglich und schließlich nach erfolgreicher Wiedereingliederung wieder vollzeitig arbeiten. Die Beklagte hat am 12. Mai 1995 das Verlangen der Klägerin, entsprechend diesem Plan beschäftigt zu werden, abgelehnt.

Mit der am 6. Juni 1995 erhobenen Klage hat die Klägerin beantragt,

die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin in ihrer Abteilung Zahlungsverkehr/Rechnungswesen in ihrer Hauptstelle in M als Sachbearbeiterin ab Rechtskraft des Urteils zunächst arbeitstäglich für vier Stunden einen Monat lang zu beschäftigen, danach für sechs Stunden einen Monat lang zu beschäftigen und ab da an als Vollzeitkraft weiterzubeschäftigen,

hilfsweise,

in den erwähnten Zeiträumen mit den oben erwähnten Einsatzzeiten die Klägerin in einer anderen Abteilung der Hauptstelle oder einer Nebenstelle (mit Ausnahme von H.) in ähnlicher, jedenfalls angemessener Funktion einzusetzen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision hat die Klägerin ihr erstinstanzliches Ziel weiterverfolgt. Im Laufe des Revisionsverfahrens ist das Arbeitsverhältnis einvernehmlich beendet worden. Daraufhin haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II. Gemäß § 91 a ZPO ist bei übereinstimmender Erledigungserklärung über die Kosten des Rechtsstreits nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden. Soweit schwierige und bisher höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden sind, reicht dabei eine lediglich summarische Prüfung aus. Sie kann auch zur Folge haben, daß die Kosten des Rechtsstreits zu teilen sind (BAG Beschluß vom 27. März 1996 – 5 AZR 647/94 –, nicht veröffentlicht; Zöller/Vollkommer, ZPO, 19. Aufl., § 91 a Rz 26; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 54. Aufl., § 91 a Rz 134).

Die Kosten waren hier beiden Parteien jeweils zu gleichen Teilen aufzuerlegen. Nach dem derzeitigen Sach- und Rechtsstand ist nicht ohne weiteres vorhersehbar, wer obsiegt hätte, wenn über die Revision zu entscheiden gewesen wäre.

1. Zur Wiedereingliederung bedarf es einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (BAGE 69, 272 = AP Nr. 1 zu § 74 SGB V und BAG Urteil vom 19. April 1994 – 9 AZR 462/92 – AP Nr. 2 zu § 74 SGB V). Die Revision hat nicht das Zustandekommen einer entsprechenden Vereinbarung behauptet.

2. Die Revision hat geltend gemacht, wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit der Klägerin sei in diesem Fall der Arbeitgeber auch ohne Vereinbarung verpflichtet gewesen, durch vorübergehende Reduzierung der arbeitstäglichen Arbeitspflicht an der Wiedereingliederung der Klägerin mitzuwirken. Zur Begründung hat die Revision auf die mehr als 21 Jahre andauernde Beschäftigung im Dienste der Beklagten und auf den Umstand verwiesen, daß die gesundheitlichen Probleme der Klägerin durch deren Vorgesetzte verursacht worden seien.

3. Bisher ist höchstrichterlich ungeklärt, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber verpflichtet ist, an der Wiedereingliederung von Arbeitnehmern mitzuwirken, die aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sind, die volle vertraglich geschuldete Arbeitszeit abzuleisten. Für die summarische Prüfung nach § 91 a ZPO genügt der Hinweis, daß die Annahme einer derartigen Verpflichtung hier nicht ausgeschlossen werden kann. Deshalb ist es angemessen, die Kosten gegeneinander aufzuheben.

 

Unterschriften

Leinemann, Reinecke, Düwell, Fox, Klosterkemper

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1093259

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