Entscheidungsstichwort (Thema)

Karitative Einrichtung einer Religionsgemeinschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Ist das streitige Krankenhaus von der Diakonie unter Abweichung von den von ihr selbst aufgestellten und als unabdingbar bezeichneten Mindestanforderungen als Mitglied aufgenommen worden, so ist für die Anerkennung als karitative Einrichtung einer Religionsgemeinschaft i. S. von § 118 (2) BetrVG 1972 entscheidend, ob dennoch das von der Rechtsprechung geforderte Mindestmaß an Einflussmöglichkeiten der Kirche gegeben ist, das es rechtfertigen würde, den Arbeitgeber von den Konfrontationen staatlicher Betriebsverfassung zu befreien.

 

Normenkette

BetrVG 1972 § 118 (2)

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Beschluss vom 16.02.2006; Aktenzeichen 3 BV 3/06)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 05.12.2007; Aktenzeichen 7 ABR 72/06)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Betriebsrates wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Essen vom 16.02.2006 – 3 BV 3/06 – aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass auf das Alfried Krupp von Bohlen und Halbach Krankenhaus gGmbH in Essen– Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin – das Betriebsverfassungsgesetz Anwendung findet.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Antragsgegnerin (Arbeitgeber) betreibt seit etwa 1980 das Alfried Krupp von Bohlen und Halbach Krankenhaus. Der Arbeitgeber ist eine gemeinnützige GmbH, deren alleinige Gesellschafterin die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach Stiftung ist.

Diese Stiftung ist etwa im Jahre 1967 gegründet worden und zwar zu dem Zweck, das Vermögen des Stifters Alfried Krupp von Bohlen und Halbach zu übernehmen und für gemeinnützige Zwecke zu verwenden.

Die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach Stiftung ist Aktionärin diverser Gesellschaften, vor allem der Nachfolgegesellschaften der ehemaligen Friedrich Krupp GmbH, nunmehr der Thyssen Krupp AG. Die Stiftung ist größte Einzelaktionärin dieser Aktiengesellschaft. Die Stiftung ist in keiner Weise organisatorisch, rechtlich oder personell mit einer der Kirchen der Bundesrepublik verbunden. Im Kuratorium befindet sich kein Repräsentant einer Kirche, im Vorstand ebenfalls nicht. Der Arbeitgeber wurde im Sinne der Stiftungszwecke als gemeinnütziges Krankenhaus ohne jede kirchliche Bindung geführt. Im Rahmen eines Zertifikationsprozesses für Krankenhäuser im „weltlichen” Bereich hat sich der Arbeitgeber eine Zielsetzung gegeben, die ein Leitbild beinhaltete, das karitativ und weltlich war.

Der Antragsteller ist der aus 15 Mitgliedern bestehende Betriebsrat.

Bis zum 31.12.2005 gehörte der Arbeitgeber dem paritätischem Wohlfahrtsverband an. Auf seinen Antrag vom 15.12.2005 wurde er am 20.12.2005 als Mitglied im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche im Rheinland e. V. aufgenommen (Bl. 93 d. A.), und zwar mit Wirkung zum 01.01.2006. Auf die Satzung der Diakonie (Bl. 97 ff d. A.) sei ebenso verwiesen wie auf die „Bestimmungen über die Mindestanforderungen an die Satzungen und die sonstigen Ordnungen der Mitglieder des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche im Rheinland” (Bl. 311 ff d. A.).

Mit Gesellschafterbeschluss vom 15.12.2005 wurde daraufhin der Gesellschaftsvertrag (Bl. 166 ff d. A.) wie folgt geändert, wobei die Änderungen kursiv gesetzt sind: „…

§ 2

Gegenstand und Zweck des Unternehmens

(4) Hierbei hat das Unternehmen in besonderem Maße der minderbemittelten Bevölkerung zu dienen. Es wird tätig im Sinne der Diakonie als Wesens- und Lebensäußerung der Evangelischen Kirche.

(5) Die Mittel der Gesellschaft dürfen nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden. Die Gesellschafter als solche erhalten keine Zuwendungen aus Mitteln der Gesellschaft.

(6) Die Gesellschaft ist Mitglied des als Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege anerkannten Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche im Rheinland und dadurch zugleich dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland angeschlossen.

§ 5

Organe der Gesellschaft

Die Organe der Gesellschaft sind

  1. die Geschäftsführung
  2. die Gesellschafterversammlung

Mitglieder der Organe und Mitarbeiter sollen einem evangelischen oder dem Bekenntnis einer Kirche angehören, die Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen ist.

§ 11

Beirat

(1) Die Gesellschafter können einen Beirat einberufen. Er berät die Organe in philanthropischen Fragen, Konfessionsfragen sowie in solchen Fragen, die das Verhältnis der Gesellschaft zu den christlichen Kirchen berühren.

(2) Dem Beirat gehören bis zu 5 Personen an. Sie werden von den Gesellschaftern berufen und abberufen. Die Berufung erfolgt für die Dauer von drei Jahren. Eine erneute Berufung ist möglich. Unter den Mitgliedern müssen mindestens zwei Mitglieder sein, die dem Bekenntnis einer Kirche angehören, die Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen ist, davon mindestens ein Mitglied, das ein Amt in Kirche und Diakonie im Rheinland ausübt.

§ 15

Satzungsänderung

Satzungsänderungen, die die Zuordnung zum Diakonischen Werk verändern sowie der Beschluss über die Auflösung der Gesellschaft werden rechtzeitig vorher dem Diak...

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