Entscheidungsstichwort (Thema)

Bei Vergleich Mehrwert aus Streit über Inhalt einer Zeugnisnote. Kein Vergleichsmehrwert bei alleinigem Vergleich über Beendigung des Arbeitsverhältnisses

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Vergleichsmehrwert fällt an, wenn durch den Vergleichsabschluss ein weiterer Rechtsstreit und/oder außergerichtlicher Rechtsstreit erledigt und/oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt werden (Nr. 1000 VV-RVG). Dabei muss über die Frage eines Anspruchs oder Rechts gerade in Bezug auf die jeweilige Vergleichsregelung zwischen den Parteien Streit und/oder Ungewissheit bestanden haben; keine Werterhöhung tritt ein, wenn es sich lediglich um eine Gegenleistung zur Beilegung eines anderweitigen, bereits wertmäßig berücksichtigten Streites handelt.

2. Vereinbaren die Parteien eines Kündigungsrechtsstreits die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses und treffen sie für die sich daraus ergebende Frage der Zeugniserteilung eine inhaltliche Regelung, führt dies zu einem Vergleichsmehrwert, wenn zwischen den Parteien über den Inhalt des Zeugnisses Streit und/oder Ungewissheit bestanden hat. Kein Vergleichsmehrwert tritt ein, wenn ohne einen solchen Streit oder eine solche Ungewissheit die Regelung allein der Beilegung des Kündigungsrechtsstreits diente.

3. Hier: Kein Mehrwert des Vergleichs, da über den Zeugnisinhalt weder Streit noch Ungewissheit zwischen den Parteien bestanden hatte.

 

Normenkette

VV-RVG Nr. 1000; GewO § 109 Abs. 1 S. 1; BGB § 630 S. 1; GKG § 68 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Entscheidung vom 04.08.2017; Aktenzeichen 3 Ca 2754/16)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Essen vom 04.08.2017 abgeändert.

Der Streitwert für den gerichtlichen Vergleich vom 28.04.2017 wird auf 9.000,00 € festgesetzt.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

 

Gründe

I.

Die zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet. Der Vergleich vom 28.04.2017 enthält keinen Mehrwert. Die Regelung in Ziffer 3. des Vergleichs, wonach die Beklagte dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis mit "guter" Leistungs- und Führungsbeurteilung zu erteilen hatte, führte im vorliegenden Fall nicht zu einer Erhöhung des Gegenstandswerts, da nach den gegebenen Umständen ausnahmsweise keine Ungewissheit der Parteien über den Zeugnisinhalt bestanden hatte.

1.Das Arbeitsgericht ist im Grundsatz zutreffend von der Rechtsprechung der Beschwerdekammer ausgegangen (etwa Beschluss vom 19.05.2017 - 4 Ta 366/17). Danach gilt:

a.Nach Nr. 1000 VV-RVG entsteht die Einigungsgebühr für die Mitwirkung des Rechtsanwalts beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird. Im Hinblick auf diese Gebühr ist auf Antrag des Rechtsanwalts der maßgebende Wert gerichtlich festzusetzen. Dabei ist nicht zu bewerten, was aufgrund des Vertrags zu leisten ist, sondern welcher Gegenstand durch ihn geregelt wird. Denn honoriert wird gerade die Mitwirkung des Rechtsanwalts bei der Beseitigung des Streits oder der Ungewissheit in Bezug auf ein Rechtsverhältnis. Dies steht in Einklang mit dem Streitwertkatalog (Nr. I. 22. idF v. 05.04.2016) und der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammer (15.08.2016 - 4 Ta 437/16; 09.06.2017 - 4 Ta 210/17, NZA 2017, 1079). Es steht ebenso in Einklang mit der Rechtsprechung der überwiegenden Landesarbeitsgerichte. Ebenso steht es im Einklang mit der Rechtsprechung der überwiegenden Anzahl der Landesarbeitsgerichte (Hessisches LAG 19.08.2014 - 1 Ta 35/14; LAG Rheinland-Pfalz 15.11.2016 - 5 Ta 184/16; LAG Baden-Württemberg 14.11.2013 - 5 Ta 135/13; LAG L. 16.08.2016 - 4 Ta 167/16; 03.03.2009 - 4 Ta 467/08; LAG Hamm 10.08.2005 - 9 Ta 222/05; 17.03.1994 - 8 Ta 465/93; LAG Sachsen-Anhalt 29.08.2013 - 1 Ta 40/13; anderer Ansicht: Sächsisches LAG 23.06.2014 - 4 Ta 95/14 (3.) unter Bezugnahme auf BGH v. 14.09.2005 - IV ZR 145/04 [allerdings zur Rechtslage vor Inkrafttreten des RVG]; LAG Hamburg 14.09.2016 - 6 Ta 23/16 [allerdings ohne Auseinandersetzung mit der gesetzlichen Regelung in Nr. 1000 VV-RVG]).

b.Vereinbaren die Parteien eines Kündigungsrechtsstreits die Auflösung des Arbeitsverhältnisses und treffen sie für die sich daraus ergebende Frage der Zeugniserteilung eine inhaltliche Regelung, so mag diese auch Gegenleistung für die Einwilligung in die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses sein und als solche nicht zu einem Vergleichsmehrwert führen. Unabhängig davon besteht aber über den Inhalt eines Zeugnisses regelmäßig insoweit eine tatsächliche und rechtliche Unsicherheit, als er gesetzlich nicht bestimmt ist. Deren Beseitigung dient die vergleichsweise Regelung des Zeugnisinhalts im Zweifel jedenfalls auch. Es trifft daher regelmäßig nicht zu, dass die Zeugnisregelung allein als Gegenleistung im Zusammenhang mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses anzusehen ist, wie der Kläger meint.

Es geht auch nicht um die Beseitigung eines etwaigen künftigen Streites zwischen den Parteien, sondern um die Beseitigung einer spätestens mit der Verei...

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