Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenrechtliche Auslegung des Begriffes der Beendigung des Verfahrens. Vormerkung 8 KV GKG auch nach Urteilsverkündung anwendbar

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Sinn und Zweck der Vorbemerkung 8 KV GKG erschöpft sich nicht darin, eine für das Gericht eintretende Arbeitsersparnis zu honorieren. Vielmehr verfolgt der Gesetzgeber mit der Regelung vordringlich aus sozialpolitischen Gründen das Anliegen, eine Verständigung zwischen den Parteien in besonderer Weise gebührenrechtlich zu fördern.

2. Ein Vergleich über sämtliche Streitgegenstände lässt daher selbst dann nach der Vorbemerkung die in dem betreffenden Rechtszug angefallene Gebühr entfallen, wenn die Parteien ihn erst nach Urteilsverkündung schließen. Eine Zäsur tritt erst ein, wenn gegen das Urteil ein Rechtsmittel eingelegt wird oder wenn es mangels Einlegung eines Rechtsmittels rechtskräftig wird.

 

Normenkette

GKG-KV Vorbem. 8; GKG § 66 Abs. 8

 

Verfahrensgang

ArbG Solingen (Entscheidung vom 10.01.2019; Aktenzeichen 4 Ca 1249/17)

 

Tenor

Die Beschwerde der Landeskasse vom 25.01.2019 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Solingen vom 10.01.2019 - 4 Ca 1249/17 - wird zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

A.

Im Ausgangsverfahren hat das Arbeitsgericht am 01.06.2018 ein Teilurteil verkündet. Am 07.06.2018 haben die Parteien dem Gericht jeweils einen gleichlautenden Vergleichstext übersandt mit der Bitte um Beschlussfassung nach § 278 Abs. 6 ZPO. Dem ist das Arbeitsgericht noch am selben Tag nachgekommen. Mit dem Vergleich haben die Parteien den Rechtsstreit insgesamt erledigt, d. h. sowohl die Streitgegenstände, die Gegenstand des Teilurteils waren, als auch die noch nicht entschiedenen. Im Einvernehmen mit den Parteien hat das Arbeitsgericht das verkündete Teilurteil nicht ausgefertigt und es dementsprechend auch nicht mit Tatbestand und Entscheidungsgründen versehen. Den Gebührenstreitwert hat es nach Anhörung der Parteien auf 493.618,82 € festgesetzt.

Im Kostenansatz des Arbeitsgerichts ist gegenüber dem Kostenschuldner die Hälfte einer auf einen Gebührensatz von 0,4 ermäßigten Verfahrensgebühr in Höhe von 707,20 € berücksichtigt worden, welche ihm die Landeskasse unter dem 10.08.2018 in Rechnung gestellt hat (Kassenzeichen X1000 2833 947 1X). Dabei ist der Kostenbeamte in analoger Anwendung der Nr. 8211 Ziffer 2 KV GKG von einer Gebührenermäßigung ausgegangen. Mit Schreiben vom 28.08.2018 hat der Kostenschuldner Erinnerung gegen den Kostenansatz eingelegt. Nach Einbeziehung des Bezirksrevisors bei dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat der Kostenbeamte der Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache dem Richter vorgelegt. Mit Beschluss vom 10.01.2019 hat das Arbeitsgericht - Richter - den Kostenansatz in der Gerichtskostenrechnung vom 10.08.2018 unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 07.12.2010 bezogen auf die ermäßigte Verfahrensgebühr aufgehoben, da ein Fall der Vorbemerkung 8 KV GKG vorliege.

Mit Schreiben vom 25.01.2019 hat der Bezirksrevisor für die Landeskasse gegen die Entscheidung Beschwerde eingelegt. Er beruft sich unter Hinweis auf die Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte Köln vom 21.08.1985 - 8 Ta 136/85 -, Berlin vom 08.07.1991 - 2 Sa 18/90 - und - 2 Sa 25/90 -, Düsseldorf vom 17.03.1995 - 7 Ta 388/94 - und Frankfurt vom 31.08.2011 - 13 Ta 350/11 - darauf, ein zwischen den Instanzen abgeschlossener Vergleich könne keine kostenrechtliche Privilegierung nach der Vorbemerkung 8 KV GKG mehr erfahren. Mit Verkündung des Urteils werde die Instanz kostenrechtlich beendet, nicht erst mit Zustellung des Urteils oder gar dessen Rechtskraft. Dies ergebe sich aus § 6 Abs. 4 i. V. m. § 9 Abs. 2 Nr. 1 GKG, wonach die Gebühren und Auslagen fällig sind, wenn eine unbedingte Entscheidung über die Kosten ergangen ist. Die Regelung in Vorbemerkung 8 KV GKG privilegiere den Abschluss eines Vergleichs, wenn dem Gericht dadurch Arbeit erspart werde. Dies sei hier nur im Umfang der Nr. 8211 Ziffer 2 KV GKG der Fall. Mit Beschluss vom 01.03.2019 hat das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen.

B.

1. Die Beschwerde ist zulässig: Sie ist nach § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG statthaft, da der Beschwerdewert 200,00 € übersteigt. Das Rechtsmittel ist unbefristet.

2. Die Beschwerde bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Zutreffend hat das Arbeitsgericht erkannt, dass der von den Parteien des Ausgangsverfahrens in erster Instanz geschlossene Vergleich nach der Vorbemerkung 8 KV GKG zum Wegfall der Verfahrensgebühr geführt hat.

a) Der zu entscheidende Sachverhalt ist zunächst dadurch gekennzeichnet, dass über einen Teil der Streitgegenstände ein Teilurteil verkündet wurde, bevor über sie noch in derselben Instanz ein Vergleich geschlossen wurde, während zu den übrigen Streitgegenständen der Vergleich vereinbart wurde, ohne dass über sie zuvor eine Entscheidung ergangen war. Da der Wegfall der Gebühr nach der Vorbemerkung 8 zu KV GKG nach allgemeiner Ansicht (vgl. gru...

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