Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsabgeltungsanspruch und EG-Arbeitszeitrichtlinie

 

Leitsatz (amtlich)

Das Verfahren wird ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof werden gemäß Art. 234 EGV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

  1. Ist Artikel 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (= Art. 7 der Richtlinie 93/104/EG) dahin zu verstehen, dass Arbeitnehmer auf jeden Fall einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen erhalten müssen, insbesondere vom Arbeitnehmer wegen Krankheit im Urlaubsjahr nicht genommener Urlaub zu einer späteren Zeit zu gewähren ist, oder kann durch einzelstaatliche Rechtsvorschriften und/oder einzelstaatliche Gepflogenheiten vorgesehen werden, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erlischt, wenn Arbeitnehmer im Urlaubsjahr vor der Urlaubsgewährung arbeitsunfähig erkranken und vor Ablauf des Urlaubsjahres bzw. des gesetzlich, kollektiv- oder einzelvertraglich festgelegten Übertragungszeitraums ihre Arbeitsfähigkeit nicht wiedererlangen?
  2. Ist Artikel 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG dahin zu verstehen, dass Arbeitnehmern bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf jeden Fall einen Anspruch auf finanzielle Vergütung als Ersatz für erworbenen und nicht genommenen Urlaub (Urlaubsabgeltung) zusteht oder können einzelstaatliche Rechtsvorschriften und/oder einzelstaatliche Gepflogenheiten vorsehen, dass Arbeitnehmern Urlaubsabgeltung nicht zusteht, wenn sie bis zum Ablauf des Urlaubsjahres bzw. des anschließenden Übertragungszeitraums arbeitsunfähig erkrankt sind und/oder wenn sie nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder Invalidität beziehen?
  3. Für den Fall, dass der Gerichtshof die Fragen zu 1 und 2 bejaht:

Ist Artikel 7 der Richtlinie 2003/88/EG dahin zu verstehen, dass der Anspruch auf Jahresurlaub oder auf finanziellen Ersatz voraussetzt, dass der Arbeitnehmer tatsächlich im Urlaubsjahr gearbeitet hat, oder entsteht der Anspruch auch bei entschuldigtem Fehlen (wegen Krankheit) oder unentschuldigtem Fehlen im gesamten Urlaubsjahr ?

 

Normenkette

Richtlinie 2003/88/EG Art. 7; BUrlG § 7; IAO-Übereinkommen Nr. 132 über den bezahlten Jahresurlaub; MTAng-BfA § 51

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Urteil vom 07.03.2006; Aktenzeichen 3 Ca 7906/05)

 

Tenor

Unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 07.03.2006 wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger EUR 12.081,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2005 zu zahlen. Im übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/7 und die Beklagte zu 6/7.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

A. Die Parteien streiten nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses darüber, ob die Beklagte dem Kläger Urlaubsabgeltung für die Jahre 2004 und 2005 schuldet.

Der Kläger war seit dem 01.04.1971 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der Manteltarifvertrag für die Angestellten der BfA (MTAng-BfA) Anwendung. Der Kläger bezog zuletzt Vergütung nach Vergütungsgruppe II. Seit 1985 war er in der Zweigniederlassung E. als Außendienstmitarbeiter tätig. Zu seiner Arbeitsaufgabe gehörte die Vornahme von Betriebsprüfungen und Prüfungen der Einzugsstellen; hierzu war er auf einen Pkw angewiesen.

Der Kläger, als Schwerbehinderter (GdB 60 „G”) anerkannt, musste sich wegen eines schweren Bandscheibenleidens seit dem Jahr 1995 insgesamt 16 Operationen unterziehen. Es lösten sich Zeiten von Arbeitsfähigkeit und solche krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ab. Im Jahr 2004 war der Kläger bis Anfang September arbeitsfähig. Ab dem 08.09.2004 wurde er – dann fortlaufend bis zum 30.09.2005 – arbeitsunfähig krankgeschrieben. Die ständige Einnahme von morphinhaltigen Schmerzmitteln hindert ihn seither daran, ein Kraftfahrzeug zu führen.

Im Mai 2005 beantragte der Kläger, ihm ab dem 01.06.2005 den Urlaub 2004 zu gewähren.Dies lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, dass zuvor der Personalärztliche Dienst gemäß § 7 Abs. 2 MTAng-BfA die Dienstfähigkeit feststellen müsse.

Mit im September 2005 zugegangenem Bescheid stellte die Beklagte als Rentenversicherungsträger fest, dass der Kläger erwerbsgemindert sei und bewilligte ihm rückwirkend ab 01.03.2005 eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Aufgrund dieser Feststellung fand das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß § 59 MTAng-BfA zum 30.09.2005 sein Ende.

Im November 2005 hat der Kläger vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf Klage auf Abgeltung des noch offenen Urlaubs für die Jahre 2004 und 2005 erhoben.

Durch Urteil vom 07.03.2006, auf das hiermit zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes verwiesen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung greift der Kläger das Urteil an. Er trägt vor, dass er sich in dem ab 01.06.2005 beantragten Urlaub für die spätere Teilnahme an einer Wiedereingliederun...

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