Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatz wegen diskriminierender Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Ausschließlichkeitsanordnung des § 2 Abs. 4 AGG steht nicht einem Entschädigungsanspruch gem. § 15 Abs. 2 AGG entgegen Der Arbeitnehmer ist deshalb auch nicht gezwungen, zunächst Klage gegen eine diskriminierende Kündigung zu erheben.

2. Im Falle einer diskriminierenden Kündigung ist bei erheblicher Schwere der Diskriminierung eine Entschädigung von drei Bruttomonatsverdiensten des Arbeitsnehmers festzusetzen, und zwar auch dann, wenn sich der Arbeitnehmer gegen eine Probezeitkündigung von einem Monat nicht hätte wehren können

 

Normenkette

AGG § 2 Abs. 4, § 15 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Bremen-Bremerhaven (Urteil vom 25.11.2009; Aktenzeichen 8 Ca 8322/09)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 25.11.2009 – 8 Ca 8322/09 – wird auf ihre Kosten als unbegründet zurückgewiesen.

Die Revision wird gegen dieses Urteil zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen Schadensersatz- bzw. Entschädigungsanspruch im Zusammenhang mit einer Probezeitkündigung.

Die Beklagte ist ein Logistikunternehmen. Bei ihr sind regelmäßig weniger als zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt.

In der Zeit vom 02.12.2008 bis zum 16.01.2009 absolvierte die Klägerin bei der Beklagten gemeinsam mit der Zeugin E. F. ein Praktikum im Rahmen einer Ausbildung zur Kauffrau für Spedition und Logistik. Hierüber erteilte die Beklagte der Klägerin ein Praktikumszeugnis vom 16.01.2008 (Bl. 12 d. A.). Mit Wirkung zum 20.01.2009 wurde die Klägerin als Sachbearbeiterin zu einem monatlichen Bruttogehalt von EUR 1.800,00 eingestellt. Die arbeitsvertraglichen Regelungen sahen eine sechsmonatige Probezeit vor (vgl. zu diesem Arbeitsvertrag Bl. 8 ff. d. A.). Die Klägerin ist deutsche Staatsangehörige, spricht jedoch mit einem russischen Akzent.

Am 11.03.2009 fand zwischen der Klägerin, dem Geschäftsführer O. der Beklagten und der Zeugin F. im Büro des Geschäftsführers ein Gespräch statt. Unstreitig ist an diesem allein, dass der Geschäftsführer O. nach entsprechender Aufforderung durch den Gesellschafter der Beklagten P. die Klägerin und die Zeugin F. auf deren sprachliche Fähigkeiten hin ansprach. Das Gespräch wurde von dem sich im Nebenraum befindlichen Mitarbeiter und Zeugen A. durch die offene Tür mitgehört.

Der Geschäftsführer O. nahm seine Tätigkeit am 02.03.2009 auf. Durch Gesellschafterbeschluss vom 06.04.2009 wurde der Geschäftsführer O. als weiterer alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer durch die Gesellschafterversammlung bestellt. Die Eintragung im Handelsregister hierüber erfolgte am 12.05.2009. Nachdem der vorherige Geschäftsführer Z. als Geschäftsführer abberufen worden war, waren die Mitarbeiter der Beklagten am 21.01.2009 zusammengerufen worden. Anwesend waren die Klägerin, die Zeugin F., der Zeuge A. und Herr O. sowie der Geschäftsführer K.. Der Geschäftsführer K. teilte den Erschienenen mit, Herr O. sei als Geschäftsführer eingestellt und werde zusammen mit Herrn A. die Leitung übernehmen, Herr O. als Geschäftsführer, Herr A. als Abteilungsleiter. Herr A. begann seine Tätigkeit sofort und erschien jeden Tag im Betrieb, während Herr O. seitdem öfter, aber nicht jeden Tag im Büro erschien, vermehrt allerdings seit Ende Februar 2009. Seit dem 12.03.2009 war Herr O. dann ganztags im Betrieb, erschien also jeden Tag und war von da an der Chef, also als Geschäftsführer zuständig für den Betrieb und damit auch für das Personal, während der Geschäftsführer K. mit dem täglichen Geschäft nicht befasst war. Bereits Mitte März 2009 hatte Herr O. neues Briefpapier drucken lassen und den Mitarbeitern gesagt, dieses neue Briefpapier solle von jetzt ab verwendet werden. Seitdem wurde nicht mehr der vorherige Geschäftsführer Z. aufgeführt, sondern Herr O. als Geschäftsführer zusammen mit dem Geschäftsführer K., so auch auf dem Kündigungsschreiben. Er brachte den Zeugen A. als neuen Mitarbeiter der Beklagten mit. Am 16.03.2009 wurde zudem der Zeuge und Mitarbeiter Or. eingestellt und seitdem als Sachbearbeiter tätig.

Unter dem Datum 07.04.2009 erklärte die Beklagte die Probezeitkündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin und der Zeugin F. (Bl. 11 d. A.).

Mit Schreiben vom 15.04.2009 (Bl. 15 ff. d. A.) forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung per 30.04.2009 zur Zahlung von Schadensersatz auf. Am 19.05.2009 ging die Klage beim Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven ein.

Bei der Bundesagentur für Arbeit war ein Stellenangebot für einen Speditionskaufmann für den Vertrieb (Speditionskaufmann/-frau) mit Eintrittstermin zum 01.05.2009 im Internet abrufbar (Bl. 13 d. A.).

Die Klägerin hat vorgetragen:

Sie sei von der Beklagten wegen ihrer ethnischen Herkunft diskriminiert worden. Seit dem Wechsel in der Geschäftsführung der Beklagten habe sie keine neuen Arbeitsaufträge mehr erhalten. Sie sei lediglich noch mit Kaffeekochen und dem Erstellen von Deckblättern beauftragt gewesen. Zudem h...

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