nicht rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

sittenwidrige Vergütung. Nichtigkeit einer Vergütungsabrede wegen sittenwidrig niedriger Vergütung. Vergütungshöhe. Vergütungsvereinbarung. Lohnwucher

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Sittenwidrigkeit einer Vergütungsabrede gem. § 138 Abs. 1 und 2 BGB ist bei einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung gegeben. Ein derartiges Missverhältnis ist regelmäßig anzunehmen, wenn die gezahlte Vergütung weniger als 2/3 der Tariflöhne des jeweiligen Wirtschaftszweigs beträgt, sofern in dem Wirtschaftsgebiet üblicherweise der Tariflohn gezahlt wird.

2. Dienstleistungsunternehmen, die einen so genannten drittbezogenen Personaleinsatz am Markt anbieten (hier: Warenverräumung in Einzelhandelsunternehmen), können nicht generell als eigener Wirtschaftszweig angesehen werden. Wenn bei solchen Unternehmen beschäftigte Arbeitnehmer ausschließlich in Betrieben eines bestimmten Wirtschaftszweiges eingesetzt werden, ist die dort übliche Vergütung heranzuziehen.

3. Haben die Arbeitsvertragsparteien keine Nettovergütungsabrede getroffen, so ist die vertraglich vereinbarte Vergütung brutto mit der üblichen Bruttovergütung zu vergleichen. Dies gilt auch bei einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis gem. § 8 SGB IV.

4. Neben der Arbeitsvergütung bezogene Sozialleistungen sind für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit der Höhe der Vergütung irrelevant.

 

Normenkette

BGB §§ 138, 612 Abs. 2; GewO § 105; GG Art. 9 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Bremen-Bremerhaven (Urteil vom 28.02.2008; Aktenzeichen 5 Ca 5263/07)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 28.02.2008 – 5 Ca 5263/07 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Entgeltansprüche aus einem beendeten Arbeitsverhältnis für den Zeitraum Februar bis Juli 2007.

Die Klägerin war seit dem 12.02.2007 bei der Beklagten als Auspackhilfe beschäftigt. Die näheren Bedingungen des Arbeitsverhältnisses bestimmten sich auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom 01.03.2007 (Bl. 6-9 d. A.) Die Klägerin verräumte zusammen mit anderen Mitarbeiter/innen der Beklagten in Supermärkten Waren und füllte Regale auf; sie hatte keine Teamverantwortung. Der Einsatz der Beklagten bzw. ihrer Mitarbeiter erfolgte auf Basis von Dienstleistungsverträgen zwischen der Beklagten und ihren Auftraggebern.

Der Arbeitsvertrag der Parteien sieht auszugsweise folgende Regelungen vor:

„§ 1 Tätigkeit und Aufgabenbereiche

(1) Der Arbeitnehmer wird als geringfügig Beschäftigter eingestellt.(…)

§ 2 Arbeitsort und -zeit

(2) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt neununddreißig (39) Stunden je drei Monate. Ein darüber hinausgehender Umfang kann vereinbart werden.

§ 3 Vergütung

(1) Der Arbeitnehmer erhält eine Vergütung in Höhe von fünf EUR je Stunde.(…)

(3) Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach Vertragsschluss, dem Arbeitgeber eine Kopie seines Sozialversicherungsausweises sowie seine Lohnsteuerkarte im Original zur Verfügung zu stellen. Eine Verzögerung kann die Einordnung in die Lohnsteuerklasse VI oder auf Kosten des Arbeitnehmers die Wahl einer pauschalierten Lohnsteuer zur Folge habe.(…)

(6) Zur Vermeidung der grundsätzlichen Lohnsteuerpflicht des Arbeitnehmers bietet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer an, für die dem Arbeitgeber gesetzlich eingeräumte Möglichkeit der pauschalen Abgeltungssteuer zu optieren, sofern der Arbeitnehmer im Innenverhältnis zum Arbeitgeber für die Steuerpauschale aufkommt. Von diesem Angebot des Arbeitgebers kann der Arbeitnehmer durch gesonderte Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber Gebrauch machen. (…)

(8) Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis sind innerhalb von zwei Monaten nach deren Entstehung geltend zu machen. Diese Frist ist eine Ausschlussfrist.”

Dem Arbeitsvertrag ist eine Aufgabenbeschreibung beigefügt, in der es unter anderem heißt:

„Leistungsvorgaben:

Jeder Mitarbeiter ist verpflichtet daran mitzuwirken, dass die Leistungsvorgaben für die Warenverräumung eingehalten werden. Die Vorgabe zur Neuwarenverräumung ist sortimentsabhängig und beträgt im Schnitt für alle zu verräumenden Paletten 1,5 Stunden/Palette. Das bedeutet eine Verräummungsleistung pro Mitarbeiter von 55 VPE/Stunde. Sollte der Faktor (gearbeitete Gesamtstunden – Sonderstunden: verräumte Paletten) permanent und ohne erkennbaren Grund über der Vorgabe von 1,5 1,8 liegen, kann durch den Gebietsleiter eine Stundenanpassung vorgenommen werden.

Diese Aufgabenbeschreibung ist Teil des Anstellungsvertrages.”

Die Beklagte rechnete das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin für Februar 2007 mit 15,00 Stunden, für März 2007 mit 43,00 Stunden, für April 2007 mit 55,75 Stunden, für Mai 2007 mit 86,00 Stunden und für Juni 2008 mit 38,5 Stunden und einem Stundenlohn von jeweils 5 EUR ab. Die Beklagte zog dabei jeweils 2% als Pauschalsteuern vom Entgelt der Klägerin ab. Diese erhielt insgesamt Zahlungen i.H.v. EUR 1167,42...

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