Entscheidungsstichwort (Thema)

Bezugnahmeklausel. Unklarheitenregelung. Begrenzt dynamische Verweisungsklausel

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine im Arbeitsvertrag enthaltene Regelung, nach der das Arbeitsverhältnis „in Anlehnung an das Tarifrecht des Bundes und der Länder vereinbart” wird und einzelne Regelungsbereiche von der Inbezugnahme explizit wieder ausnimmt, kann als eine begrenzt dynamische Bezugnahmeklausel auszulegen sein.

2. Wird im Arbeitsvertrag der Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte ausdrücklich von der Bezugnahme auf das Tarifrecht des Bundes und der Länder ausgenommen, so gilt dies auch für die Regelung der Jahressonderzahlung in § 20 TV-L.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157, 611, 305c Abs. 2; TVG § 1 Abs. 1; TV-L § 20

 

Verfahrensgang

ArbG Bremen-Bremerhaven (Urteil vom 14.02.2008; Aktenzeichen 10 Ca 10115/07)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 26.01.2011; Aktenzeichen 4 AZR 333/09)

 

Tenor

Die Berufungen der Beklagten gegen die Urteile des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 14.02.2008 – Az.: 10 Ca 10114/07 und 10 Ca 10115/07 – werden zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Anwendung des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), unter Maßgabe der Einschränkung des Arbeitsvertrages sowie über die Jahressonderzahlung 2006 nach § 20 TV-L.

Der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2)) sind bei der Beklagten seit dem 01.01.2005 als Werkstattfachlehrer beziehungsweise als Sozialpädagogen mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Std. beschäftigt.

In den Arbeitsverträgen vom 01.01.2005 in Ziffer 1 festgehalten, dass auf die Betriebszugehörigkeit die Beschäftigungszeiten bei der Kreishandwerkerschaft B.-W. voll angerechnet werden.

In Ziffer 2, 3 und 4 der Arbeitsverträge ist folgendes geregelt:

„2. Das Arbeitsverhältnis wird in Anlehnung an das Tarifrecht des Bundes und der Länder vereinbart, d.h., es gilt der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) und die bisher ergangenen ergänzenden und ändernden Tarifverträge, soweit nachstehend nichts anderes bestimmt wird.

3. Der Arbeitnehmer wird in den BAT, Vergütungsgruppe IVb eingruppiert.

Grundvergütung

2.321,25

EUR

Ortszuschlag

EUR

Stellenzulage

EUR

Zulage

EUR

EUR

Gesamtvergütung

EUR

4. Entsprechend der Einschränkungen von Nr. 2 gelten nicht die §§ 2225 und 3741 BAT sowie die §§ 53 und 62 ff BAT.

Weiterhin gelten nicht folgende ergänzende Tarifverträge:

  • Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte
  • • Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Angestellte
  • • Tarifvertrag über vermögenswirksame Leistungen an Angestellte (bereits stehende Verträge über vermögenswirksame Leistungen werden bis zu ihrer Beendigung hiervon nicht erfasst)
  • • Tarifvertrag über die Versorgung der Arbeitnehmer des Bundes und der Länder sowie von Arbeitnehmern kommunaler Verwaltungen und Betriebe Versorgungs-TV)
  • • Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (Tarifvertrag Altersversorgung – ATV)

Auf das Arbeitsverhältnis finden alle gültigen Betriebsvereinbarungen Anwendung.”

Der Kläger und die Klägerin haben mit Schreiben vom 14.02.2007 (Blatt 11 der Akten) ihren Anspruch auf Jahressonderzahlung 2006 gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Die Beklagte hat die Forderung des Klägers mit der Begründung abgelehnt, der TV-L finde auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung.

Der Kläger und die Klägerin haben die Auffassung vertreten, sie hätten ein besonderes Feststellungsinteresse. Dies liege in der zukunftsgerichteten Verpflichtung der Beklagten, den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) nach Maßgabe des zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrages anzuwenden.

Aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel in Ziffer 2 der Arbeitsverträge hätten die Parteien die Anwendung des TV-L vereinbart. Der Wortlaut der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel besage, dass die Arbeitsverhältnisse in Anlehnung an das Tarifrecht des Bundes und der Länder vereinbart worden seien. Sie lasse gerade die Möglichkeit der Anwendung des seit November 2006 geltenden Tarifrechts der Länder zu, in dem ausdrücklich der offen gehaltene Begriff „Tarifrecht der Länder” verwendet worden sei. Hätten die Arbeitsvertragsparteien ausschließlich die Anwendung des BAT vereinbaren wollen, so hätten sie dies schriftlich fixieren können. Dazu habe zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages durchaus die Möglichkeit bestanden. Die Ausgestaltung des neuen Tarifrechts sei im Jahre 2005 einschlägig bekannt gewesen. Bereits in der Tarifrunde 2002 sei die so genannte Prozessvereinbarung zur Neugestaltung des Tarifrechts des öffentlichen Dienstes abgeschlossen worden. Die Arbeitsvertragsparteien hätten jedoch die Anwendung des Tarifrechts des Bundes und der Länder gewählt und damit die Möglichkeit der Anwendung eines dem BAT nachfolgenden Tarifvertrages ausdrücklich eingeschlossen.

Mit der Formulierung „d. h. ...

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