Entscheidungsstichwort (Thema)

Abänderung individualrechtlich in Bezug genommener Tarifverträge durch Restrukturierungstarifvertrag

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wird in einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel die Anwendbarkeit oder Geltung eines bestimmten, dort genannten Tarifvertrags oder Tarifwerks vereinbart, kann die Klausel über ihren Wortlaut hinaus nur dann als Bezugnahme auf den jeweils für den Betrieb fachlich/betrieblich geltenden Tarifvertrag ausgelegt werden, wenn sich dies aus besonderen Umständen ergibt.

2. Wird in einem Arbeitsvertrag ausdrücklich auf den BAT und die diesen ändernden und ergänzenden Tarifverträge Bezug genommen, so gilt dieser Tarifvertrag für alle Angestellten des öffentlichen Dienstes unabhängig von der „Branche”. Der öffentliche Dienst umfasst eine Vielzahl von Branchen und weicht in seiner Tarifpraxis von der in der Privatwirtschaft historisch gewachsenen Übung ab, nach Art der Produktion oder Dienstleistung und der damit verbundenen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unterschiedliche Tarifwerke zu erstellen.

3. Andere Tarifvertragsparteien können das Tarifwerk des öffentlichen Dienstes nicht ändern. Dies können nur die Tarifvertragsparteien des BAT bzw. TVöD oder TV-L, die diese vereinbart haben. Ein Firmentarifvertrag mit anderen Tarifvertragspartnern kann mithin einen konkret im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen Flächentarifvertrag nicht ganz oder teilweise verdrängen.

 

Normenkette

BGB § 611

 

Verfahrensgang

ArbG Bremen-Bremerhaven (Aktenzeichen 10 Ca 10350/08)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin als Weihnachtsgeld/Jahressonderzuwendung für das Kalenderjahr 2007 2.492,90 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2007 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Die Kosten 1. Instanz trägt die Klägerin zu ¾, die Beklagte zu ¼. Die Kosten der 2. Instanz trägt die Klägerin zu 2/3, die Beklagte zu 1/3.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung der Zuwendung für das Jahr, den Anspruch der Klägerin auf Jahressonderzahlungen fühlen die Jahre 2006, 2007 und restliche Zahlungen für 2008 sowie den Anspruch der Klägerin auf Urlaubsgeld für die Jahre 2006,2007 und 2008.

Die am … geborene Klägerin ist seit dem 18.08.1984 als Altenpflegerin im Betrieb der S. auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 12.08.1987, unter Eingruppierung in die Vergütungsgruppe KR IV BAT beschäftigt. Der damalige Arbeitgeber war die Stadt B..

§ 2 des Arbeitsvertrages vom 12.08.1987 lautet:

„(…) das Arbeitsverhältnis ist privatrechtlich. Zwischen den Vertragsparteien gilt der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) vom 23.02.1961 und die zur Änderung und Ergänzung abgeschlossenen Tarifverträge in der jeweiligen geltenden Fassung (…).

Die S. wurden durch die Stadt im Jahre 1994 in eine GmbH überführt, deren Gesellschafterin der Stadt B. war. Sie sind dann auf die Beklagte übergegangen. Deren Gründung wurde am 17.07.2002 vorgenommen. Dem 1991 gegründeten Kommunalen Arbeitgeberverband Bremen ist die Alt-GmbH im Jahre 1994 beigetreten. Die Beklagte war bis zum 31.12.2007 Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband Bremen e. V., dessen Mitgliedschaft nicht automatisch zur Tarifbindung führt.

In einem Schreiben vom 12.12.2008 an eine Rechtsanwaltskanzlei teilt der Oberbürgermeister der Seestadt B. mit, die Seestadt B. habe keinem Arbeitgeberverband angehört, sondern habe seine Tarifverträge gemäß § 3 Abs. 1 Tarifvertragsgesetz selbst abgeschlossen. Mit der ÖTV-Kreisverwaltung Bremerhaven sei ein sogenannter Übernahmetarifvertrag geschlossen worden, der vorgesehen habe, dass die zwischen der TDL und der ÖTV abgeschlossenen Tarifverträge auch für B. gelten sollten.

Die Klägerin hat für das Jahr 2005 keine Zuwendung und für die Jahre 2006 und 2007 keine Jahressonderzahlungen erhalten. Sie hat außerdem in den Jahren 2006 – 2008 kein Urlaubsgeld erhalten. Für das Jahr 2008 hat sie eine Jahressonderzahlung in Höhe von 2372,76 brutto erhalten, die mit der Verdienstabrechnungen vom 23.03.2009 (Blatt 130 der Akte) abgerechnet worden ist.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 28.05.2008 (Blatt 13 der Akte) diese Ansprüche gegenüber dem Oberbürgermeister der Stadt B. und gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Die Beklagte hat die geltend gemachten Ansprüche mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 11.06.2008 zurückgewiesen. Mit der am 25.09.2008 bei Gericht eingereichten Klage verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter.

Zwischen der S. GmbH und der B. mbH einerseits und der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) Landesbezirk NiedersachsenBremen wurde am 27.07./26.09.2006 ein Restrukturierungstarifvertrag abgeschlossen, der gemäß § 10 rückwirkend mit Wirkung ab 15. 11. 2005 in Kraft trat.

In dessen § 2 wird vereinbart, dass unter anderem die Beklagte für die Dauer der Laufzeit d...

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