Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Einhaltung der dreiwöchigen Klagefrist im Berufsausbildungsverhältnis

 

Leitsatz (amtlich)

Es ist mit dem besonderen Bestandsschutz eines Berufsausbildungsverhältnisses nicht vereinbar, auf eine vom Arbeitgeber erklärte außerordentliche Kündigung des Berufausbildungsverhältnisses die dreiwöchige Klagefrist des Kündigungsschutzgesetzes (§§ 13 Abs. 1 S. 2, 4 KSchG) anzuwenden, wenn ein Schlichtungsausschuß gem. § 111 Abs. 2 ArbGG nicht existiert (gegen BAG v. 05.07.1990 – 2 AZR 53/90).

 

Normenkette

BBiG § 3 Abs. 2, § 15 Abs. 2 Nr. 1; KSchG § 13 Abs. 1 Sätze 2, 4, 7; ArbGG § 111 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Senftenberg (Urteil vom 29.04.1997; Aktenzeichen 5 Ca 811/97)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 26.01.1999; Aktenzeichen 2 AZR 134/98)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Senftenberg vom 29.04.1997 – 5 Ca 811/97 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung des zwischen ihnen seit dem 14.08.1995 bestehenden Ausbildungsverhältnisses, die die Beklagte mit dem am 31.01.1997 zugegangenen Schreiben vom 27.01.1997, auf das Bezug genommen wird (Bl. 17, 24 d.A.), erklärt und die der Kläger mit seiner am 06.03.1997 beim Arbeitsgericht Senftenberg eingegangenen Klage angegriffen hat.

Das Arbeitsgericht Senftenberg hat mit dem am 29.04.1997 verkündeten Urteil, auf dessen Tatbestand wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird (Bl. 29 bis 31 d.A.) festgestellt, daß das Ausbildungsverhältnis durch die Kündigung vom 27.01.1997 nicht aufgelöst worden ist, die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers als Auszubildenden im Beruf des Fliesenlegers verurteilt und den Streitwert auf 6.528,00 DM festgesetzt. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Kündigung sei nach § 15 Abs. 2 BBiG unwirksam, da es an einem wichtigen Grund fehle, der auch durch die Nichteinhaltung der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 KSchG nicht gemäß §§ 13 Abs. 1, 7 KSchG fingiert werde, weil diese Regelungen auf die Kündigung eines Ausbildungsverhältnisses nach nicht anwendbar seien.

Gegen dieses ihr am 02.06.1997 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit dem am 06.06.1997 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese am 12.06.1997 begründet.

Sie vertritt die Auffassung, daß die Klagefrist aufgrund des Fehlens eines Schlichtungsausschusses hätte eingehalten werden müssen und im übrigen ein wichtiger Grund darin gelegen habe, daß der Kläger für den 13.01.1997 im Wochenzettel „krank” eingetragen hat, obwohl ihm bekannt gewesen sei, daß er für diesen Tag keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gehabt habe. Die Beklagte meint, ein Weiterbeschäftigungsanspruch könne bereits deshalb nicht bestehen, weil die arbeitsgerichtliche Entscheidung im Gegensatz zur BAG-Rechtsprechung stehe und deshalb unhaltbar sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Senftenberg vom 29.04.1997 – 5 Ca 811/97 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung mit Rechtsausführungen und hält die Kündigung im Hinblick auf die ärztliche Bescheinigung vom 18.03.1997 für unbegründet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

1. Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 ArbGG statthafte und nach dem Beschwerdewert gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG zulässige Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 518, 519 Abs. 1 und 3 ZPO.

2. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, da die Klage zulässig und begründet ist. Die Kammer schließt sich in vollem Umfang den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe (Bl. 31 bis 37 d.A.) an. Lediglich im Hinblick auf das Vorbringen der Beklagten in der Berufungsinstanz wird folgendes angemerkt:

2.1 Die streitgegenständliche Kündigung ist gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 BBiG unwirksam.

2.1.1 Die Kündigung ist zwar nicht, wie der Kläger meint, bereits nach § 15 Abs. 3 BBiG i.V.m. § 125 BGB nichtig. Sie erfüllt nicht nur das Schriftformerfordernis, sondern enthält auch eine hinreichende Angabe der Kündigungsgründe. Nach Sinn und Zweck der Norm, die dem Kündigungsempfänger die Grundlage für die Entscheidung schaffen soll, ob er die Kündigung akzeptieren oder sich gegen sie zur Wehr setzen soll, reicht es aus, wenn die Kündigungsgründe in einer Anlage zum Kündigungsschreiben aufgeführt sind und im Kündigungsschreiben selbst auf diese Anlage verwiesen wird.

2.1.2 Das Vorliegen eines wichtigen rundes i.S.d. § 15 Abs. 2, Nr. 1 BBiG unterliegt vorliegend der gerichtlichen Überprüfung. Dem steht § 13 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 4 KSchG nicht entgegen. Der Kläger hat zwar nicht innerhalb einer F...

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