Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsübergang und Feststellungsinteresse. Passivlegitimation von Bund und Ländern hinsichtlich des Übergangs von in der DDR begründeten Arbeitsverhältnissen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Falle des Betriebsüberganges wirkt ein gegen den Alt-Arbeitgeber ergangenes Feststellungsurteil betreffend das Fortbestehen eines Arbeitsverhältnisses auch gegenüber dem Erwerber.

2. Zur Frage der Rechtsnachfolge auf den Bund oder die Länder von in der DDR begründeten und seinerzeit gekündigten Arbeitsverhältnissen.

 

Normenkette

ZPO § 256 Abs. 1; BGB § 613a; AGB (DDR) § 599; GG Art. 23 Abs. 2, Art. 73-74; EV Anlage I Kap. XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 30.05.1991; Aktenzeichen 87 Ca 9064/90)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 30. Mai 1991 – 87 Ca 9064/90 – wie folgt abgeändert:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreit hat die Klägerin
 

Tatbestand

Die 1940 geborene Klägerin trat am 15. Oktober 1975 als Wirtschaftskauffrau in die Dienste des Zentrums für Kunstausstellungen der DDR, einer dem Ministerium für Kultur der Deutschen Demokratischen Republik nachgeordneten Einrichtung. Am 26. September 1990 erteilte der Minister für Kultur der ehemaligen DDR dem Zentrum für Kunstausstellungen, die Anweisung, auf der Grundlage des Beschlusses vom 20. September 1990 das Zentrum für Kunstausstellungen (ZfK) zum 31. Dezember 1990 aufzulösen und den Mitarbeitern auf der Grundlage des geltenden Arbeitsrechts zu kündigen. In der genannten Anordnung heißt es unter anderem:

„4. Die Kunstsammlung, das Plakatarchiv und die Katalogbibliothek des Zentrums für Kunstausstellungen sind geschlossen bis zum 1.1.1991 in die Zuständigkeit des Institutes für Auslandsbeziehungen zu übergeben.

5. Mit sofortiger Wirkung ist dem IfA die Mitnutzung der Räumlichkeiten des ZfK Linienstr. 155, Berlin 1040, (1. und 2. Geschoß) zu ermöglichen. Das Institut für Auslandsbeziehungen tritt bis zum 31.12.90 in den Mietsvertrag des ZfK für dieses Gebäude ein.

6. Das MfK schließt mit dem IfA einen Mietvertrag über die Räumlichkeiten der „Galerie am Weidendamm” unter den ausgehandelten Bedingungen ab (s. Anlage 1).

7. Die Kunstsammlung verbleibt bis auf weiteres in den Räumen des Archivs in der Brüderstraße 13, Berlin, 1020 das Plakatarchiv in der Kleinen-Hamburger-Straße 2, Berlin 1040, die Bibliothek in der Metzerstr. 10, Berlin 1059 und die Restaurierungswerkstatt in der Kastanienallee, Berlin 1058.

8. Die „Galerie Rähnitzgasse 8” ist zum 1.1.1991 Dresden zu übergeben.”

Mit Schreiben vom 28. September, der Klägerin zugegangen am 2. Oktober 1990, kündigte das Zentrum für Kunstausstellungen der DDR den Arbeitsvertrag der Klägerin zum 31. Dezember 1990. In einer schriftlichen Erklärung des Personalrates des ZfK vom 24. September 1990 heißt es unter anderem: „Der Personalrat stimmt keiner der Kündigungen zu.” Die Klägerin erzielte zuletzt eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 1.380,– DM.

Mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 18. Oktober 1990 eingegangenen und dem Zentrum für Kunstausstellungen der ehemaligen DDR am 7. November 1990 zugestellten Klage hat sich die Klägerin gegen die vom Zentrum für Kunstausstellungen ausgesprochene Kündigung gewandt/die Auffassung vertreten, daß diese rechtsunwirksam sei. Die Kündigungsschutzklage ist von der Klägerin später gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister des Inneren, die jetzige Beklagte, gerichtet worden.

Die Klägerin hat zunächst mit Nichtwissen die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates bestritten. Zwar seien die Probleme des „Zentrums” allen Betriebsangehörigen auf den verschiedensten wegen „irgendwie” bekanntgewesen. Nach dem Eingang der Weisung am 27. September 1990 und vor dem Ausspruch der Kündigung sei aber, so hat die Klägerin behauptet, die Personalvertretung in keiner weise beteiligt worden. Die Anhörung des Personalrates sei jedenfalls nicht als ordnungsgemäß anzusehen.

Die Kündigung sei auch rechtsunwirksam, weil sich die Beklagte als Rechtsnachfolgerin des Zentrums für Kunstausstellungen die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung entgegenhalten lassen müsse. Überdies sei ihr Arbeitsvertrag wie die der anderen Mitarbeiter des Zentrums allein wegen des Betriebsüberganges der wesentlichen Einrichtungen des Zentrums für Kunstausstellungen auf das Institut für Auslandsbeziehungen (IfA) in Stuttgart gekündigt worden.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, daß ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Zentrums für Kunstausstellungen der ehemaligen DDR vor 28. September 1990 nicht aufgelöst worden ist, sondern ungekündigt fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf der Standpunkt gestellt, nicht passiv legitimiert zu sein, da sie nicht die Rechtsnachfolge der DDR angetreten habe. Die Kündigung sei aber vor dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik ausgesprochen worden, so daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der DDR am...

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